Hinter-Net!: Nie hat man Rocko Schamoni so scharf und unverblümt Kritik äußern hören, wie auf dem aktuellen Album „Showtime„. Täuscht der Eindruck, oder bist Du in Deiner Musik politischer den je? Und wenn ja, woher kommt das?
Schamoni: Das hat unter anderem damit zu tun, dass sich meine private Situation komplett verändert hat. Ich bin seit vier Jahren Vater und hab eine andere Einstellung zur Welt bekommen. Es sind Dinge in den Vordergrund gerückt, die ich vorher nicht so genau betrachtet habe, vor allem der Aspekt „Gesellschaft“. Aber es hat auch mit einer Art „Delay“ zu tun. Ich gerate immer zwei Jahre später an die Themen, an die Jochen (Distelmeyer, „Blumfeld“-Sänger und Schamoni-Freund, d. Red.) zwei Jahre vor mir gerät. Wenn man so will, ist die letzte Platte von mir meine private „L´état et moi“.
Hinter-Net!: Ich hätte sonst vermutet, dass Du vielleicht auf zeitliche Umstände reagierst, die das nötig machen.
Schamoni: Das ist einer der Hauptgründe. Ich finde, dass die letzten fünf bis zehn Jahre im Zeichen des „Superkapitalismus“ die Welt extrem verändert haben. Es geht nur noch um Geld, Markenbewußtsein und den Ausverkauf von Werten. Ich hatte das Gefühl, mich zumindest darauf beziehen zu müssen. Meine Texte sind oftmals gebrochen, ich benutze Klischees, verhandle also nicht nur das eigentliche Thema, sondern auch das Klischee des Themas beziehungsweise seine öffentliche Verhandlung. Das spielt auf der Platte eine entscheidende Rolle.
Hinter-Net!: Du traust dich ganz schön was. Andere würden das schon deshalb nie tun, um sich bestimmte Publikumsschichten nicht zu verprellen.
Schamoni: Ja, das ist wahr. Entspechend viele Publikumsschichten werde ich damit nie erreichen. Es war oft so, dass ich mit meinem Zeug ein paar Jahre zu früh dran war. Etwa mit dem Schlager-Zeug schon ´89. Und auf der ´91er-Platte gab´s einen Song, der hieß „Du wählst CDU, darum mach ich Schluß“. Damit könnte man heute in diesem ganzen Neuen Deutschen Humor-Wahn durchaus landen. Wenn wir den Song zu der großen Spenden-Angelegenheit re-releast hätten, wär das vielleicht ein Knaller geworden. Vielleicht ist in fünf Jahren auch der Humor für „Gegen den Staat“ möglich. Jetzt ist es noch zu früh, um sowas massentauglich unter die Leute zu bringen. Das ist noch zu wahnsinnig.
Hinter-Net!: Aber die Realität hat dich in diesem Punkt eingeholt. Ich hab Leute im Freundeskreis, die wählen CDU! Das hat´s früher nicht gegeben. Leute, denen man es gar nicht ansieht. Die CDU ist in viel stärkere Maße bei der Jugend salonfähig geworden, als das noch vor zehn Jahren der Fall war.
Schamoni: Komischerweise ist das so, ja. Es gibt durch die allgemeine Verquickung von Themen bei den „großen Parteien“ auch das, was man früher „links“ und „rechts“ genannt hat, nicht mehr. Wenn man so will, ist die SPD nichts anderes als eine neue Art von CDU. Und die CDU ist manchmal, na, „linker“ wäre das falsche Wort, aber vielleicht „progressiver“ als die SPD, das tut sich gar nichts mehr. Ich kann natürlich weder die eine noch die andere Partei ernsthaft gut finden. Das ist für mich wie ein Kosmos, den ich von außen betrachte. Ich könnte mir nicht mehr vorstellen, zur Wahl zu gehen. Nein, im Ernst.
Hinter-Net!: Moment mal, davon singst Du auch auf Deinem Album. Das war also keine Rollenprosa?
Schamoni: Nein, dieser Teil von „Anders sein“ ist total ernst. Ich geh nicht zur Wahl, und ich geh auch nicht zur Arbeit.
Hinter-Net!: Du gehst sehr wohl zur Arbeit.
Schamoni: Zu meiner eigenen, ja. Die fängt an und hört auf, wann ich will. Und ich geh tatsächlich nicht zur Wahl. Ich dachte früher immer, man müßte zumindest die Stimme, die man hat, einer Partei geben, die es zu wählen gibt, um sie nicht an andere Flügel zu verschenken. Das ist aber ´ne dämliche Utopie. Ich glaub nicht, dass irgendwas durch Wahl zu ändern ist. Eher durch Taten, durch spektakuläre Aktionen oder vielleicht durch Kunst.
Hinter-Net!: Aber du hast dich nicht vollkommen ausgeklinkt, bist als Stimme ja noch deutlich vernehmbar.
Schamoni: Aber eher als außenstehende Stimme. Ich guck mir das Ganze von außen an und hab das Gefühl, es gibt eine Menge von Leuten, die in einer Art „Saturn-Ring“ um den inneren Kosmos, die „Gesellschaft“, herumschweben und an dem ganzen Treiben nicht so richtig teilnehmen können, weil es einfach zu albern ist. Das soll nicht arrogant klingen, ich hab nichts gegen die „Menschen“, ich muß sie bloß kennenlernen. Ich kann auch nicht sagen, ich bin stolz auf mein Land – ich kenn die meisten Menschen ja nicht und kann nicht für sie reden. Ich kann nur für die reden, die ich kenne, und die kann ich dann auch wählen.
Hinter-Net!: Themenwechsel. Du hast früher beim Punk mitgemacht – aber eher als „Fremdkörper“, vergleichsweise schon fast Schlager-Sänger. Wie war das?
Schamoni: Das war sehr anstrengend. Ich bin ja selbst ´83 oder ´82 als Punk gestartet, hab aber schnell gemerkt, dass es auch da eiserne Regeln und Kodexe gibt, nach denen man leben muß. Das hat mich immer genervt, ob nun in der normalen Gesellschaft oder in den „Alternativ-Gesellschaften“. Dort hab ich genauso versucht, als Außenstehender die Regeln aufzubrechen und zu provozieren. Das war das sehr anstrengend, weil es viele Leute es nicht verstanden haben oder nicht akzeptieren wollten und mich dafür gehasst haben, dass ich diese „Alternativregeln“ in Frage stellte. Aber immer wenn Regeln eisern werden und Gruppen umklammern, wird’s unspannend. Spannend ist es nur, wenn man die eigenen Regeln ständig neu aufbricht.
Hinter-Net!: Kam es damals auch zu Übergriffen?
Schamoni: Ja, aber meistens waren das eher spaßige Übergriffe in Form von Wurfattacken. Gemüse oder irgendwas wurde da geschmissen. Aber es gab auch ernsthafte Übergriffe. In Konstanz stand ein Typ vor der Bühne und wollte mit CS-Gas auf mich schießen. Wenn ich mich recht erinnere, hat sich Ted Geier von den Goldenen Zitronen vor mich gestellt und die volle Ladung abbekommen.
Hinter-Net!: Du hast immer schon deutsche Musik gemacht, teilweise solch „schönem“ musikalischen Gewand, dass man fragen möchte, wo Deine Wurzeln im Schlager liegen. Gibt es Schlager, die Du besonders mochtest?
Schamoni: Nein, ich hab eine ganz normale musikalische Sozialisation gehabt. Mit 11, 12 hab ich noch ABBA, Kiss und Smokie gehört. Ab 12, 13 dann ACDC, und ab 13, 14 langsam Punkrock. Aber in der Kindheit war es ganz normale Popmusik, als ich von Underground und all diesen Dingen noch nichts wußte. Zur Zeit von Schlager, von ´86 bis ´88, war entscheidend, dass wir uns Platten raussuchten, von denen keiner mehr wußte. Spezielle, sonderbare Schlagertracks, zum Beispiel die deutschen Versionen von Barry Ryan, „Die Zeit macht nur vor dem Teufel halt“. Oder auch die Sachen von Manfred Krug, der in der DDR tolle Chansons gemacht hat, die gar nicht richtig in den Begriff „Schlager“ passen. Der Haupteinfluss ist allerdings definitiv Schwarze Musik. Meine Vorliebe für Melodien kommt von Motown, Al Green, Sly Stone, Curtis Mayfield, Marvin Gaye und all diesen Leuten. Das ist für mich die Musik, also Soul.
Hinter-Net!: Auf „Showtime“ pflegt Du viele dieser Stile, vor allem Disco. Man hat den Eindruck, du handhabst die diversen Richtungen, ob Funk oder Soul, sehr professionell. Was bedeuten Dir die musikalischen Stile auf „Showtime“?
Schamoni: Das weiß ich nicht genau. Ich war immer schon magisch angezogen von Disco-Musik, auch als Punk. ´82, ´83, als die letzten Ausweher des Punks im Lande lagen, gab´s da Verquickungen. Zum Beispiel die erste Fehlfarben-LP. Die kam mit New Wave und Punk-Attitüde daher, spielte aber mit Disco. „Es geht voran“ ist eigentlich ein punkiges Disco-Stück. Diese Verquickung fand ich magisch. Tanzmusik mit gesellschaftlichen Inhalten. Ich bin auch ganz früh als totaler Punk auf Heaven 17 und ABC gekommen. Und auch auf Michael Jackson, zumindest in den frühen 80ern. Das hat mich immer fasziniert, aber ich hatte nicht die Fähigkeiten, das selber umzusetzen, ich konnte nur Punk machen. Ich hab das trotzdem immer wieder angehört, und heute kann ich theoretisch jeden Stil umsetzen – da kommt diese alte Liebe wieder zum Vorschein: Discomusik mit „Punkrock-Texten“. Natürlich nicht ernsthafte, durchgehende Punkrock-Texte, aber sie wirken manchmal so.
Hinter-Net!: Wie kommt das, dass man mir der Zeit lernt, bestimmte Stile zu beherrschen?
Schamoni: Das hat damit zu tun, wie sehr man sich mit Musik ernsthaft auseinandersetzt. Ich bin ein extrem genauer Beobachter. Ich hab nie an einem Stil festgehalten, sondern immer geguckt: Was ist gerade modern? Was passiert? Wer macht was? Wen mag ich davon? Vor allem hab ich viel in der Vergangenheit rumgegraben. Auf diesem Gebiet bin ich Hit-Seeker, ich suche Hits. Auf jeder Platte ist mindestens ein Song, der gut ist., und so hab ich über die Jahre die besten Songs aller Zeiten – meistens Titel, die keiner mehr kennt, die aber wunderwunderschön sind – zusammengetragen und angehört: Was machen die da? Und wie machen die das? Ich hör mir einen Track ewig lang an, und irgendwann schnall ich´s. Dann weiß ich, dass man eine Snare so und so behandeln muß, damit sie papptrocken klingt. Damit sie auf plötzlich ´nen Punch hat, der extrem cool klingt. Du hörst dich rein und probierst das Zuhause aus, kommst immer näher an die Ergebnisse der ganz Großen ran und lernst dabei. Aber nur, wenn du Dich ernsthaft mit Technik, vor allem aber mit bereits anwesender Musik – also mit Musikgeschichte – auseinandersetzt.
Hinter-Net: Gehst Du selbst viel in Discos?
Schamoni: Ich geh gern in Clubs. Discos sind ja heute eher so Großraumdiscotheken, das interessiert mich überhaupt nicht, da wird wenig interessante Musik gespielt. Aber es gibt in Hamburg eine reiche Club-Kultur, auch größere Clubs, in denen sogenannte Discomusik läuft. Da legen Leute wie DJ Koze auf, den ich persönlich sehr mag, der „zeitgenössische“, aktuelle Discomusik spielt, die ich sehr favorisiere. Ich find House-Musik ganz toll und bin ja selbst Mit-Teilhaber eines Clubs, in dem extrem viel Discomusik gespielt wird. Den finanziellen Teil haben Schorsch und ich abgetreten an unseren dritten Compagnon, weil das finanzielle Probleme gab, aber wir sind quasi inhaltlich dabei.
Hinter-Net!: Die Rede ist vom „Pudel Club“. Mischst Du da noch mit, Bist Du oft vor Ort?
Schamoni: Ich bin da sehr oft, und es laufen viele Aktionen, die von uns initiiert werden. Ich arbeite zum Beispiel an einer Internet-Seite für den Pudel-Club, wo es Tracks gibt von allen, die dort jemals aufgetreten sind. Außerdem installieren wir eine Live-Camera, über die man beobachten kann, was da gerade los ist.
Hinter-Net!: Normalerweise, sagt man, sind es Soziologen und Sozialarbeiter, die Kneipen aufmachen.
Schamoni: Wir sind ja auch Soziologen und Sozialarbeiter. Wir setzen uns mit dem Begriff „Szene“ und den Strömungen auseinander und untersuchen das. Wir sind da total am Forschen! Der Pudel Club ist Bestandteil einer sogenannten Szene. Allerdings kein Teil, der irgendwann einschläft, weil er bei Punkrock stehengeblieben ist. Und dafür mußt du dich automatisch mit Dingen auseinandersetzen, die gerade passieren und neu kommen. In Hamburg explodiert gerade der Rap total, und viele von den Typen kennen wir. Die sind oft im Pudelclub und haben donnerstags ihren Tag, wo sie auflegen. Dadurch sind regelrechte Freundschaften entstanden. Und das ist dann, wenn du so willst, ein extrem soziologischer Aspekt. Den nimmt man quasi mit, wenn man sich auf immer neue Dinge einstellen muß, im Club und in der eigenen Musik darauf reagiert. Und ich mach ja seit 15 Jahren quasi nichts anderes.
Hinter-Net!: Auf „Showtime“ ist von Eißfeld bis DJ Koze viel deutscher Nachwuchs mit Remixen vertreten. Wie ist Dein Kontakt zur „Jugend“? Kriegst Du ein Feedback, dass Du die vielleicht irgendwie beeinflusst hast?
Schamoni: Ich glaub nicht, dass die das sagen würden. Ich weiß auch nicht, ob ich das getan habe. Ich weiß nur, dass mir einige großen Respekt dafür zollen. Dafür, dass ich seit vielen jahren anwesend bin und mich bis dato nicht komplett ausverkauft habe. Weil ich immer noch „andere“ Musik mache oder andere Standpunkte vertrete, die vor allem vom Humor-Aspekt für viele überzeugend sind. Ich kenn nicht alle aus der Rap-Szene, aber von den Beginnern über 5 Sterne Deluxe bis Fischmob kenn ich viele und glaub, dass sie Typen wie mich und Schorsch sehr mögen, mit unserer Geschichte.
Hinter-Net!: Worüber redet ihr, wenn ihr euch trefft?
Schamoni: Über phatte Styles.
Hinter-Net!: Echt?
Schamoni: Ja, wir hängen rum. Es geht nie um irgendwelche Konzept-Besprechungen, sondern man labert rum und trinkt oder geht in Clubs. Es gibt musikalisch immer wieder Punkte, wo man sich trifft, eben der Eißfeld-Remix oder der Koze-Remix für meine Platte. Aber speziell im Fall von Fischmob ist das eine sehr private Angelegenheit. Wir treffen uns einfach, um abzuhängen.
Hinter-Net!: Fragen die Dich auch mal um Rat oder schwätzt ihr über Gott und die Welt?
Schamoni: Nö, die fragen mich nicht. Und ich sie auch nicht. Wenn man sich so nahegekommen ist, dass man es Freundschaft nennen kann, gibt’s da sowieso immer was zum reden. Wir reden über Platten, über Sampler und über Alkohol.
Hinter-Net!: Wie sieht momentan ein Konzert von Dir aus? Wer kommt da mit?
Schamoni: „Meine Eltern“, das ist meine Band aus fünf ganz tollen Musikern. Der Ex-Bassist von den Goldenen Zitronen, der Ex-Schlagzeuger von Andreas Dorau und die beiden Bläser vom letzten Fettes Brot-Rap und auch auf den Beginner-Sachen. Der Keyboarder ist ein alter Bekannter, der früher in meiner und Schorschs Band „Motion“ gespielt hat. Das sind alles so Jazz-Typen, und wir treten zusammen auf. Das heißt, dass die Arrangements relativ fulminant werden können. Vorher mach ich in der Regel noch eine Lesung aus dem neuen Buch, das bei Rowohlt erschienen ist: „Risiko des Ruhms“.
Hinter-Net!: Worum geht’s da
Schamoni: Das ist eigentlich nichts anderes als Freestyle. Ich hab mich hingesetzt, nachdem Rowohlt gesagt hat, wir mögen deine Kurzgeschichten, die du für uns mal geschrieben hast, schreib doch mal´n Buch. Es gab da so ´ne Pop-Poetry-Compilation mit vielen Schreibern, und ich hatte da was geschrieben. Sie haben mir 12.000 Mark für das Buch angeboten, da hab ich gesagt – mir ging´s nämlich sehr schlecht – das mach ich sofort, und hab´s probiert. Hab 280 Seiten geschrieben und 140 wieder gestrichen, und am Ende bleibt ziemlich wildes Zeug. Ich fahr quer durch alle Klischees der Gesellschaft, vom Zirkus bis zur Hamburger Schule, und fuhrwerk da ziemlich aggressiv drin rum, zerbreche Zusammenhänge und bau sie neu zusammen. Es ist eigentlich ein pures Entertainment-Buch mit Kurzgeschichten, die zu einem Roman zusammengereiht und oftmals sehr komisch sind.
Hinter-Net!: Kommt da noch mehr?
Schamoni: Die Reaktionen bei Rowohlt sind sehr gut. Wir haben vor kurzem geredet, und da klang durch, ob ich nicht mal über ein weiteres Buch nachdenken wollte. Ich find das auch interessant, aber jetzt hab ich erstmal eine Platte vor, auf die ich mich sehr freu. Ich glaub das wird die beste Platte, die ich je gemacht habe, weil ich ganz fulminante Ideen habe, die ich zusammen mit meiner Band und Erobique aufnehme. Erobique ist für mich ein großer Hoffnungsträger von Disco und ein Genie an den Tasten. Wir produzieren gerade an seinen Songs, und er wird auch auf meiner Platte spielen.
Hinter-Net!: Mal was anderes – woher kommt eigentlich der Name „Rocko Schamoni“?
Schamoni: Das ist mein Name, so bin ich geboren worden.
Hinter-Net!: Das glaub ich ja nicht!
Schamoni: Ja, mit diesem Problem werd ich dich aber lieber alleine lassen…
Hinter-Net!: Das ist schade, weil ja schon diverse Theorien existieren. Ich hab da was von wegen Donald Duck gelesen…
Schamoni: Das ist eine ganz gemeine Fehlinformation. Vor sechs Jahren hielt mir ein Freund das neueste Donald-Duck-Heft vor die Nase und sagte: Guck mal auf Seite 43″. Da war Donald Duck bei einer Eingeborenen-Entenfamilie gelandet und fragte, was er ihnen beibringen solle. Sie sagten, sie wollen Bongo-Trommeln lernen und singen wie Rocko Schamoni. Das war einer der Höhepunkte meiner Karriere!
Hinter-Net!: Und wo ist der Beiname „King“ geblieben, den Du mal trugst? Wo kam der überhaupt her?
Schamoni: Den hab ich mir einfach selber genommen, weil ich dachte, dass mit einer breitbeinigen Angeber-Geste am besten ein Tablett zu betreten ist. Es hat sich auch bewährt, das wurde sofort übernommen: Ach so, der Typ ist der King. Na, dann stimmt das wohl. Ich hab es weggelasen, weil es so umständlich ist, immer wieder zu betonen, dass man der King ist. Das weiß mittlerweile ja eh jeder.
Hinter-Net!: Du hattest Ende der 80er-Jahre eine kurze Zusammenarbeit mit Michael Holm. Was hat dieses Treffen bei Dir hinterlassen?
Schamoni: Ich fand das sehr spannend, weil das ist ein ganz Großer aus einer komplett anderen Generation ist, der bei den Schlagerleuten alles erreicht hat, was es zu erreichen gab. Er hat sich extrem locker und offen verhalten, hat viel erzählt hat aus dem sogenannten Showbusiness, was sehr sehr erheiternd war für Felsenheimer, Beckman und mich. Wir haben uns ja nur zu den Aufnahmen und zum Videodreh getroffen, sind noch einmal im Fernsehen aufgetreten, aber da fand ich ihn sehr nett.
Hinter-Net!: Du weißt aber schon, dass Michael Holm ein absoluter CSU-Mensch ist?
Schamoni: Das habe ich erst am zweiten oder dritten Tag erfahren. Da sagte er das selber, und wir haben alle geschluckt und dachten, Oh Scheiße, was machen wir jetzt denn? Das darf bloß nicht rauskommen! Aber dann wurde das quasi thematisch nach hinten gestellt…
Hinter-Net!: Wo durfte das nicht rauskommen?
Schamoni: Bei uns in der Szene wär das nicht gut gewesen. Aber irgendwann haben die Leute das auch gewußt, und es war ihnen dann doch egal. Ich hab damals seine menschlichen Qualitäten zur obersten Priorität erklärt. Er hat sich fair verhalten und war gut zu uns, da kann der meinetwegen auch CDU-Typ sein. Ich hab gundsätzlich nichts gegen CDU-Typen. Zum Beispiel bin ich ja einer, der in der Schule extrem gescheitert ist, hatte extremen Ärger mit allen Lehrern und nur ein einziges Mal in meiner Gymnasialkarriere, die ich irgendwann abgebrochen hab, eine Eins im Zeugnis. Und zwar gab es bei uns für eine kurze Zeit ein Fach, das nannte sich – fast hätt ich gesagt – Nationalsozialismus. Da gab´s nen Lehrer, ein unglaublich phatter Typ, der mochte mich und meine zwei Punk-Greunde sehr gern und hat uns unglaublich protegiert. Er hat uns auch an so komische Nazi-Akten der Stadt rangeführt, die wir mal durchforsten sollten, dann würden wir sehen, wer hier in der Stadt noch in der Bürgerschaft sitzt und zu den alten Seilschaften gehört. Der Typ war ein eingefleischter CDU-Geselle, aber auch der Lehrer, der mir die einzige Eins auf einem Zeugnis im Gymnasium beschafft hat und uns so´n bißchen die Decke hat hochheben lassen. Ich finds sehr schwierig, da zu sagen: Grundsätzlich sind das alles Schweine. Es gibt auch genug Idioten bei der SDD, bei der FDP und bei den Grünen.
Hinter-Net!: Mal Bezug nehmend auf einen winzigen Vermerk im Booklet Deiner CD: Wieso wird Rockabilly das nächste große Ding?
Schamoni: Wird es leider doch nicht werden… Rockabilly ist ja zur Zeit so das Toteste, was es gibt. Man sieht so gut wie keine Teds mehr. Ich fand Rockabilly früher immer gut, und durch die Goldenen Zitronen lag mir das auch nahe und ich finde einfach die Idee gut, dass dieser totgeglaubte Zweig zu neuem Leben erwacht. Was natürlich totale Utopie ist und absolut durchgedreht. Stell dir mal vor, dass auf einmal Typen aus der sogenannten Hamburger Schule wieder Teds werden. Alles ist drin, aber nicht das! Deswegen: Rockabilly wird das nächste große Ding.
Hinter-Net!: Naja, warum sollte das nicht klappen? Der Neo-Swing ist auch schon da.
Schamoni: Ja, aber Neo-Swing ist wieder so´n bißchen großväterlich. Rockabilly ist ja wild und wahnsinnig. Neoswing kann man schon mit gutem Geschmack und Daddykultur vergleichen. Das liegt mir nicht so, auch wenn ich Brian Setzer und sein Orchester fulminant finde.
Hinter-Net!: Letzte Frage. Hast Du eigentlich ein Feedback auf das Angebot bekommen, Deinen Körper als lebende Werbefläche zu vermieten?
Schamoni: Ja, es gab Verhandlungen mit NIL, der Zigarettenmarke. Da ging´s um eine ganz ansehnliche Summe Geld. Dafür hätte ich mir mit Edding „NIL“ auf den Oberkörper malen lassen und wäre im ganzen Land plakatiert worden. Das war auch schon alles abgemacht und beschlossen, aber in letzter Sekunde haben die den Schwanz eingezogen, weil der „Kunde“ das eventuell nicht verstehen könnte. Das war traurig. Ich dachte, auf diese Art könnte man jetzt Kunst durchsetzen. Aber es ist immer noch nicht soweit.