Kinderfest V

 

Herzlich willkommen, liebe Mayonnaise. So sieht´s also in unserer Wohnung aus. Das Bad ist die erste Tür links. Jetzt such dir mal ein schönes Plätzchen im Kühlschrank, nimm dir was zu Knabbern und mach´s dir bequem. – Ja, durch die Retro-Kocherei findet man auch neue Freunde. Wie eben die Mayonnaise. Ich dachte, sowas gibt´s gar nicht mehr. Dass sie sozusagen von der Remoulade-Evolution in eine leichte Salatcreme rübergedarwint wurde. Aber nix da. Ich hab tatsächlich noch welche im Laden gefunden, und ich brauch sie im Moment ja für fast jedes Gericht. Neulich dachte ich, ich hätte vergessen, welche zu kaufen. Da fing der Chefredakteur schon an von wegen „Mayonnaise kann man auch selber machen“ – aber so retro bin ich dann doch nicht drauf.

Auf dem Programm diesmal: garnierte Fliegenpilze und eine Rhabarber-Kaltschale. Die Fliegenpilze sind der absolute Hit – allerdings auch ganz schön rohkostig. Die Tomate ist ja nicht gekocht. Und in der Füllung ist neben Kochschicken, Ei (und Mayonaise…) ein kleingehexelter Apfel. Ich finde, sie sehen aus, als würden schon ein paar Schlümpfe drin wohnen. Was ein echtes Kompliment ist. Ich darf einmal mehr auf die Deko-Holzscheiben im Bildhintergrund der Rezeptkarte aufmerksam machen. Aber diesmal hat Dr. Ö. das Essen auf einem bunten Pappteller angerichtet. Das ist nicht nur sehr down-to-earth, sondern hat auch gleich sowas von Schützenfest oder Jahresversammlung der Playmobil-Männchen. Irgendwas, wo man sein Essen umständlich mit Bons bezahlen muss – damit man noch einen Gang extra zu erledigen hat, bevor man sich den Teller vollmacht. Das war schon in den 70ern guter Feier-Standard.

Der Chefredakteur meint, die Eier auf der Karte sähen schon sehr alt aus. Ich hingegen lasse ja auf´s Dr. Ö.-Dekoteam nichts kommen und behaupte, die sind aus Fimo gemacht. Die müssen so aussehen. Die Idee, Tomaten mittels Mayonaise-Frisur in ein Fliegenpilzchen zu verwandeln, ist genial. Die Füllung ist ratzefatze gemacht und schmeckt echt lecker. Man muss allerdings rohe Tomate mögen. Oder isst man die nicht mit? Wie war das in den 70ern eigentlich mit diesen Blätterteig-Pasteten? Also diese Art Schüsselchen aus Blätterteig, obendrauf ein kleiner Blätterteig-Deckel – und innenrein kam irgendeine leckere Füllung. Ich hab diese Blätterteig-Pasteten seit den frühen 80ern nicht mehr gesehen. Hat man das Blätterteigzeug mitgegessen?? Hm. Ich denke, ich werde mich in Bälde mal auf die Suche im Laden machen und es ausprobieren…

Aber erstmal beleg ich noch einen Kurs „Wie man eine Kaltschale zu sich nimmt“. Wie ihr seht, hab ich sie sowohl in Gläsern als auch in Schüsseln angerichtet. Weil ich nämlich Null Ahnung von Kaltschalen habe. Aber ich finde „Kaltschalte“ ein wunderbares Wort. Sobald ich weiß, wie man Kaltschalen inhaliert, werde ich den Kurs belegen „Wie man Kaltschalen zubereitet“. Jesses. Ich hab also Rhabarber in Zuckerwasser gekocht – aber dann sollte ich Dr. Ö.-Fruttina-Puddingpulver dazutun. Puddingpulver in Wasser? Macht man das nicht mit Milch? Außerdem gab´s im Geschäft nichtmal einen Hauch von Kirsch- oder Zitronenpudding, wie laut Rezeptkarte vorgeschrieben. Ich war also vor ein paar Tagen völlig verzweifelt und unfähig, mich zu entscheiden, dabei zu beobachten, wie ich einen Einkaufswagen mit Do it yourself-Erdbeerpudding, Himbeer-Kaltschalenpulver UND Rote Grütze-Einrührzeug zur Kasse schob. Argh. Heute hab ich mich aber entschieden – und zwar fürs Kaltschalenpulver. So richtig lecker wird´s, wenn man ein paar Erdbeeren reinschneidet. Dann beantwortet sich auch die Frage „Trinken oder Löffeln?“ von selbst.

Dem minderjährigen Mitbewohner hats geschmeckt – sauersüß halt. Ähm, auf die paar Esslöffel Apfelmost hab ich aber verzichtet. Jaaa, die wollte das Rezept drin haben. Hallooo??????????? Apfelmost auf einem Kinderfest? Hatte man das in den 70ern so? Ich kann mich nur an Kindergeburtstage erinnern, die ich völlig aufrecht und nüchtern – höchstens vollgestopft mit Schokoküssen und Puffreis – verlassen hab. Ich geb zu, ich hab im Riesensupermarkt mal nach Apfelmost gesucht. Und zwar in der Getränkeabteilung an der Schnittstelle von Saft zu Spirituose. Eine faszinierende Erfahrung: Saft mäandert Richtung Alkohol über die Stationen „Honigmet“, „Apfelwein“ und „Kinderpusch“. Und, ja, man kriegt auch an Frühsommertagen im Supermarkt Glühwein. Ist das nicht beruhigend? Das heißt: der Klimawandel kann gar nicht so schlimm werden. Die Hawaiianer kriegen das ja auch irgendwie hin: Weihnachten mit Blumenkette… So long.

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