Jedem seine Zeitschrift

„Für Leute mit langen Haaren, die gerne rülpsen, gibt es Rock Hard, für Briefmarkensammler den Oldie-Markt, für komplett Bekloppte die Monatsschrift spex, die Vorruheständler lesen den Rolling Stone, und Leute, die sich überhaupt nicht für Musik interessieren, kaufen den musikexpress.“

aus: Michael Rudolf: „Strictly verkehrt herum. Münchner Journalismus a la musikexpress/SOUNDS“ in Jürgen Roth/Klaus Bittermann [Hg]: „Journalismus als Eiertanz“ (Edition Tiamat, 1999)

Verona – probeweise

Das Fernsehen ist schon eine tolle Sache, weil man da miterleben kann, wie sich auf dem Kultursender 3sat Roger Willemsen irgendwie gierig auf seinem Sessel vorbeugt und einen blondgefärbten Burkhard Driest mit irgendwie aufgeregt kehliger Stimme fragt, ob er schon mal versucht habe, sich selber eine Masturbationsvorlage zu schreiben.

Das war doch wahrscheinlich ein großer Moment dieses Mediums: Roger Willemsen, sich mit einem nur ganz leicht pennälerhaft verschwitzten Satyrgrinsen mal eben in Verona Feldbusch verwandelnd, vielleicht nur so zur Probe. Und vielleicht war sein Gesprächspartner, falls das ein Gespräch gewesen sein sollte, auch gar nicht Burkhard Driest, es ist mir ehrlich gesagt vollkommen schnurz.

Robin Detje: Der Erste der niederen Sachsen in Berliner Zeitung 12.6.98

Krücken nach Babylon

Wenn Jagger zum Mikro greift, Richards und Wood ihre Gitarren schrubben und Watts stoisch den Takt angibt, dann erst ist alles ganz vertraut, dann können rüstige Senioren sich zurücklehnen und erleichtert sein, daß es in einer Welt voller Laptops, Tamagotchis und Maggi Fix Produkten noch etwas gibt, woran man sich festhalten kann

Marlon Wilhelm auf SR2 Kulturradio über die neue Rolling Stones-CD „Bridges to Babylon“

Nicht schleimen

Ganz unberührt davon bleibt die Tatsache, daß das Urteil gegen Egon Krenz juristisch unhaltbar ist: So wie Konstantin Wecker eben nicht für seine schrecklichen Lieder, sondern wegen etwas Kokain verurteilt wurde, beharkte man Egon Krenz auch nicht für sein päderastisches In-kurzen-Hosen-Herumlaufen mit der FDJ – er wurde für die Dummheit verurteilt, Honecker abzulösen und dann auf dufte zu machen. (Woraus man lernen kann: Schleime nie bei deinem Feind/ Du bist sowieso geleimt)

Wiglaf Droste in der taz: „155 Monate für Krenz“

Heya Safari

„Bei einem Wasserloch fuhren wir – so dicht wie an einer Parkhauskasse – an einem Paar männlicher Löwen vorbei. (…) Sie schienen sich nicht um uns zu scheren. Einer erhob sich gelangweilt, ging ein paar Schritte, pinkelte und legte sich – ohne Rücksicht auf die Eleganz, die westlich erzogene Menschen so an der afrikanischen Wildnis bewundern – mitten in der Pisse wieder auf den Boden. Am Ende dösten die Löwen ein, ihre Köpfe unrhythmisch nickend, als würden sie bekifft alte Nirvana-Platten hören. Grunge-Löwen eben.“

aus P.J.O’Rourke: Tete á tete in Tansania, in: Rollings Stone 7/97

Kalkutta liegt am Ganges…

„In keiner Millionenstadt der Welt sind die Mieten so billig wie in Berlin. Nach drei Wochen Wohnungssuche habe ich letztes Jahr über Inserat meine 100 Quadratmeter Wohung in gutbürgerlicher Umgebung gefunden, mit Balkon, Parkett und Zentralheizung für 1.000 Mark. Für sowas kann man in Kalkutta lange suchen. Ja, es gibt sie immer noch, die 164-Mark-Wohnungen mit Ofenheizung und Toilette indisch (jenseits des Ganges).

Billige Mieten haben aber auch schlimme Folgen für die Stadt: Die schrecklichen Berliner Künstler, die seit Jahrzehnten rostige Eisenplatten zusammmenschweißen und es irre lustig finden, als schräge Dilletanten-Combo ihre Gitarren nicht spielen zu können, oder einen experimentellen Super-8-Film nach dem andern zu verwackeln oder Recycling-Mode aus Müllsäcken zu basteln. Zu Recht landen diese Künstler dann bei Arabella Kiesbauer als „Schrilli der Woche“. Und das ist wohl die niedrigste Lebensform, in der man auf dieser Erde existieren kann. Diese Berliner Künstler können nur dank des billigen Wohnraums immer weitermachen. Denn von dem Schmarrn kann man natürlich keine teure Wohnung bezahlen …

Ja, billige Mieten sind gefährlich.“

Lorenz Schröter in JETZT – das Jugendmagazin der Süddeutschen Zeitung, vom 21.07.97.