„High Fidelity“-Leseprobe

Der Song, bei dem ich weinen muß, hat mich nie zuvor zum Weinen gebracht. Ehrlich gesagt, mußte ich bei dem Song, bei dem ich jetzt weinen muß, normalerweise kotzen. (…) Der Song, bei dem ich weinen muß, ist Marie LaSalles Version von Peter Framptons <Baby, I Love Your Way>. Man stelle sich vor, mit Barry und Dick in seinem Lemonheads-T-shirt zusammenzustehen, eine Coverversion eines Peter-Frampton-Stücks zu hören und loszuflennen! Peter Frampton! <Show Me The Way>! Diese Miniplifrisur! Dieses dämliche Tütendings, in das er immer geblasen hat, um diesen Donald-Duck-Sound mit der Gitarre hinzukriegen! (…) Ich akzeptiere durchaus, daß ich dringenden Bedarf an Symptomen habe, die mir begreifen helfen, wie traumatisch die jüngsten Ereignisse für mich waren, aber müssen es derart extreme Symptome sein? Hätte Gott sich nicht mit einer kleinen Abscheulichkeit begnügen können, einem Diana-Ross-Hit oder einer Elton-John-Komposition etwa?

Anmerkung des Rezensenten:
Das „dämliche Tütendings“ heißt „Talkbox“. Man steckt eine dünne Metallröhre in den Mund und singt die Melodie, die man gleichzeitig auf der Gitarre spielt. War eine Zeitlang wirklich Mode, ist aber nicht gut für die Zähne, abgesehen von dem metallischen Geschmack, den man anschließend so schnell nicht mehr los wird. Den m.E. gelungensten Talkbox-Einsatz hört man in „Haitian Divorce“ von Steely Dan (LP „The Royal Scam“).

Im übrigen ist es so, daß Rob eine wesentliche Tatsache verschweigt: Es geschah nämlich bei uns Besitzern des einzig guten Geschmacks tatsächlich auch, daß wir uns bisweilen schwer vergriffen. Also z.B. Genesis- oder Yes-Fans waren. Und man konnte Peter Frampton durchaus ein paar Wochen mögen.

zur „High Fidelity“-Rezension

Nick Hornby: High Fidelity

Das ist meine Top 5 der „Romane, um die ich einen großen Bogen mache“:

  • Romane, in denen Frauen Männer verlassen;
  • Romane, in denen verlassene Männer ihren Frauen nachweinen;
  • Romane, in denen es verlassenen Männern nicht gelingt, neue Frauen zu finden;
  • Romane, in denen sich verlassene Männer an all die Frauen erinnern, die sie einmal verlassen haben, oder von denen sie verlassen worden sind;
  • Romane, die damit enden, daß Frauen zu den Männern zurückkehren, die sie am Romananfang verlassen haben.
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Nick Hornby: Ballfieber. Die Geschichte eines Fans

Fußball ist ein Spiel für Rotzlöffel und bertivogts’sche Wohlstandsjünglinge. Und wenn die beschreiben müßten, was sie da machen, dann wäre – ja, gut, ich saach ma‘ – der nächste Satz halt immer der schwerste, und du, Leser, bräuchtest keine 90 Minuten, um zu erkennen, daß auch ein leerer Fußballerkopf rund ist. Ergo schreiben die Intellektuellen, die einen Konjunktiv von einem Tifosi unterscheiden können, ansonsten aber sogleich jeden Netzerpaß nicht bloß in die Tiefe des Raums, sondern auch in den Kontext der Ästhetikgeschichte stellen. Das Ganze ist also ein Dilemma: Entweder du kannst fußballspielen – dann kannst du nicht schreiben; oder du kannst schreiben – aber keinen Ball stoppen. Es gibt Ausnahmen: die Gedichte von Ror Wolf, beispielsweise. Und es gibt Bestätigungen: das jüngst erschienene Fußballbuch („Gott ist rund“) des FAZ-Feuilletonisten Dirk Schümer etwa, eine Sammlung höchst geistlos-intelligenter Reflektionen über Fußball, und wer sich das Spiel der vierundvierzig Beine und zweiundzwanzig Bankkonten endgültig verleiden möchte, sollte das lesen.

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Musikbücher I

Liebe Freunde des guten Buches, erlaubt einem gefrusteten Rezensenten ein offenes Wort: Der deutsche Literaturmarkt ist degeneriert. Seine Autoren sind’s schon lange, seine Verleger noch länger, und von den Lektoren, diesen armen Würstchen, reden wir gar nicht. Wir, die wir ein gelungenes Buch wie einen zusätzlichen Feiertag begrüßen, werden uns dieser Umstände immer dann schmerzlich bewußt, wenn wir über die Grenzen schauen: nach Frankreich, nach England, in die USA, dorthin vor allem, wo über’s Jahr so manch hübsches Werk, die populäre Musik betreffend, erscheint – und in Deutschland niemals erscheinen wird, weil unsere Herren Verleger sogleich die Hände über’m Kopf zusammenschlagen und „Unverkäuflich! Zu anspruchsvoll!“ ausrufen, um dann in sich zusammenzusacken und resigniert zu murmeln: „Denn weißt du, der deutsche Leser ist dermaßen was von bescheuert und degeneriert, dem mußt du hundertmal seinen Neil Young geben und fünfhundert Biografien der Kelly Familie, dann ist er’s zufrieden.“

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