Gereizte, humorlose Spießigkeit

Der Kanzler verschränkte die Hände hoch über dem Kopf, diese Geste, für die er wohl eher das Copyright verdient hätte als für irgendeine vaterländische Tat, grinste sein Kohl-Grinsen, und die Medien jubelten, endlich: Glückwunsch, Kanzler! Wir aber wollen uns merken: Helmut Kohl war nicht der Vater der deutschen Einheit. Er war die Rache an ihr.

Joachim Lottmann in der taz: ↑Heute gibts Kohl

In Zeiten in denen Helmut Kohl ein „Milleniums-Bambi“ verliehen wird, weil er uns die Einheit brachte kann ein bisschen Geschichtsunterricht nicht schaden. Danke, Herr Lottmann.

Presseschau 1. Dezember 2009

FAZ-Konzertkritik: Max Herre – ↑Der Teufel trägt Jute

Herre aber will zu sehr der sympathische Stufensprecher sein, als dass er seinen Songs auch nur den Hauch des Rätselhaften oder Herausfordernden verliehe, die sie doch so dringend benötigten. Gerade „Geschenkter Tag“, seine an „Sympathy for the Devil“ entlang arrangierte Hymne auf Freigeistigkeit und Alltagsremmidemmi, wirkt brüllend bieder. Herres sympathischer Teufel, so scheint es, ist Attac-Mitglied und kauft nur Bio-Produkte.

R.I.P. SL-1200. Michael Pilz ruft in der Welt dem Technics-Plattenspieler nach, dessen Produktion jetzt eingestellt wird: ↑Als die Welt noch eine Scheibe war

PopMatters-Interview mit den Wild Beasts: ↑“We’re Trying to Make Our Own Kind of Mythology”

Die taz über die Rückkehr von Kiss: ↑Donnergötter im Schweinebusiness

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Eine Geschäftsidee

Eine pfiffige Idee, auch in Zeiten der Finanzkrise auf ihre Kosten zu kommen, hat die Arbeitsgemeinschaft der Freunde des literarischen Landhauskrimis (Internetauftritt wird vorbereitet). Die vehementen Verfechter einer nachzuholenden deutschen Krimitradition (Motto: „Ingrid Noll die deutsche Agatha Christie? Nur über unsere Leichen!“) kämpfen nicht nur für eine Wiederbelebung alter und bewährter Strickmuster der Kriminalliteratur. Sie wissen auch, wie man damit Geld verdienen kann…

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Presseschau 30. November 2009

Beth Ditto und ihre Band Gossip geißeln den Durchschnitt und spielen für alle. Michael Pilz in der Welt über ↑Die neue Lust auf Fleisch.

Und die New York Times interviewt Beth Ditto: ↑Talent Beloved and Hairdos Admired

FAZ-Interview mit Grandmaster Flash: ↑Dürfen Ihre Kinder Hiphop hören, Mister Saddler?

Der Guardian interviewt Julian Casablancas: ↑‚What would you like me to say?‘

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Geht alles

„Das heißt, jede Entscheidung verschüttet Möglichkeiten, und dem kann man nach Feyerabend nur mit einem bedingungslos demokratischen Kulturverständnis antworten. “ … ich sagte, Die Kunst DES Volkes sei Dallas oder Jerry Cotton und daß man erst diese studieren müsse, wenn es einem daran gelegen sei, Kunst und Volk ein wenig näher zu bringen“(…)“

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Christine Lehmann: Mit Teufelsg’walt

Lisa Nerz, das ist schon eine. Gelegenheitsjournalistin (nach einer Erbschaft kommt sie auch ohne regelmäßige Arbeit über die Runden), Detektivin aus Überzeugung, Trägerin von Männerklamotten, ein bisschen bi, momentan mit einem Oberstaatsanwalt namens Richard Weber verbandelt („Lebensabschnittsirrtum“). Für den diplomatischen Dienst absolut nicht zu gebrauchen. War schon mal auf dem Mond und mischt sich bevorzugt in Dinge ein, die sie nichts angehen oder nichts angehen sollen. Zum Beispiel eines frühen Morgens, als es in der Wohnung über der ihren rumort und schreit. Einige Damen vom Jugendamt wollen den kleinen Tobias Habergeis abholen und in ihre „Obhut“ nehmen. Gestapomethoden sind das, befindet Lisa Nerz und geht dazwischen. Prompt steckt sie in ihrem nächsten Kriminalfall, einem besonders heiklen.

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Zwischen Roboterhaftigkeit und Peinlichkeit

Das Gute an dieser Bambi-Verleihung war, dass man als Zuschauer vor dem Fernseher das Gefühl hatte, mit seinem Grausen nicht allein zu sein. Auch das Publikum im Saal schien von einer lähmenden Fassungslosigkeit ergriffen zu sein und reagierte auf das, was es sich da ansehen und anhören musste, indem es sich über weite Strecken totstellte. Zwischenzeitlich hatte ich das Gefühl, dass sich auch Regisseur und Aufnahmeleiter entweder erhängt oder ins Ausland abgesetzt hatten – vielleicht waren sie aber auch nur damit beschäftigt, hinter der Bühne Autoren und Verantwortliche zu würgen.

Stefan Niggemeier im FAZ-Fernsehblog über die Bambi-Verleihung (ARD): ↑Das Grauen im Zeichen des goldenen Rehs

Verbrechersuppe

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Saarländer? Morgen noch nix vor? Mal dpr auf die Pelle rücken? Was Gutes essen? Für lau? – Kein Problem. Morgen ist die 2. Conte-Kriminacht in der Erlebnisgärtnerei Storb in Brebach-Fechingen. Es gibt „Verbrechersuppe“ zur Stärkung. Ursprünglich hieß das „Rotwein und Brezeln“, jetzt halt Rotwein mit reingebröselten Brezeln.

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Presseschau 26. November 2009

Vier Konzerte an einem Abend. 4 Kritiker des Tagsspiegels sehen Franz Ferdinand, die Wild Beasts, The Sonics und Patrick Watson: ↑Um die Häuser, durch die Hallen

Drowned in Soundinterviewt Los Campesinos!

Der Tagesspiegel gratuliert Tina Turner zum 70.:↑ Das Fauchen einer Kämpferin. Und die FAZ sieht ↑Das schönste Gesicht des Rhythm & Blues

Die Berlin Music Week will sich Gornys Popkomm einverleiben: ↑Pop – ach komm

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Presseschau 25. November 2009

Die kalifornische Metal-Instanz Slayer vertont den Weltuntergang. Ergreifender denn je, findet Michael Pilz in der Welt: ↑Schlimmer wird’s nimmer

Ich bin auch cool, glaube ich. Devendra Banhart im Süddeutsche-Blog-Interview: ↑“Michael Jackson hatte das Zukunftsgen”

PopMatters zum 70. von Tina Turner: ↑The Story of a Soul Survivor: ‘Private Dancer’ at 25

Und noch ein Jubiläum in Sichtweite. The Quietus über die aktuelle Bedeutung eines Klassikers: ↑A Clash In The Pan? London Calling Reappraised

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Hirnüberzuckerung

„Es gibt keinen großen Roman, der nicht auf einem gesunden Fundament aus Trivialität stünde.“

Ah, denkt man, hier wird’s interessant. Und dann auch noch in der „Welt“. Mit obigen Worten macht uns →der Alligator Lust auf →Hannes Steins Artikel zu dem, was der Amerikaner „Brain Candy“ nennt, der Deutsche aber „Trivialliteratur“ oder, wenn er gerade seinen nichtakademischen Tag hat, „Flughafenliteratur“.

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Presseschau 24. November 2009

Limitierte Erstauflage mit Einschusslöchern. Der Tagesspiegel über die Berliner Band Elyjah: ↑Aus vollem Schrot und Korn

Und der Tagesspiegel über einen Auftritt von Yo La Tengo: ↑Stromgitarre im Klangstrom

Die FAZ über ein Rammstein-Konzert in München: ↑„Fürchtet euch nicht!“

Denn, zweites Subphänomen, was Rammstein speziell im deutschen Hörer weckt, ist eine überwältigende Fürsorgeanmaßung wider seinen Nächsten: Man selbst durchschaut das Ganze ja noch, aber schon mit Blick auf den unmittelbaren Stehplatznachbarn überwiegt die Sorge, der könnte nach dem Konzert in Polen einmarschieren.

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Der allgegenwärtige Krimiautor

Hallo. Ich bin ein Krimiautor in den Zeiten des Internets, der großen Vernetzung. Ich bin der Souverän meinerselbst und bedauere meine Vorgänger, die, wenn sie bekannt werden wollten, immer auf DIE ANDEREN angewiesen waren: die Presse, die Fernsehfritzen, die Germanisten, die aus dem Werbevollen schöpfenden Verleger. Heute ist das ganz anders. Ich stromere durchs Netz und stelle mich meinen zukünftigen LeserInnen vor. Der Weltruhm ist nur eine Homepage weit entfernt.

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Presseschau 23. November 2009

Eric Pfeil, der für die FAZ das Pop-Tagebuch führt wurde 40 (Glückwunsch) und sah zwei Konzerte: ↑Der elektrische Camembert des Diskurs-Pop: Distelmeyer, Gong und die goldene 40

Nach dem großartigen Konzert darf mancher dann die Erfahrung machen, dass viele Frauen, für die er gerne ein Sex-Symbol wäre, Jochen Distelmeyer als Sex-Symbol sehen.

Im Tagesspiegel ein Interview mit Nick Cave: ↑„Ein Konzert ist Folter für mich“

Quietus-Interview mit Bill Drummond: ↑No Music Day Has Been And Gone

SPEX-Fragebogen: ↑Essenzielle Fragen an Geoff Barrow (Portishead/Beak>)

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Jochen Schmidt: Gangster, Opfer, Detektive (Schluss und darüber hinaus)

Noch immer streite ich mit Jochen Schmidts „Gangster, Opfer, Detektive“, und inzwischen hängt der Haussegen beträchtlich schief, der Gang zum Scheidungsanwalt scheint unvermeidlich. Dass dieses Werk solche Emotionen auszulösen vermag, ist seine große Stärke, die aber vor allem aus seinen großen Schwächen resultiert. Auch als reine Informationsquelle wird das Buch mehr und mehr verzichtbar. Fazit: ziemliche Ernüchterung…

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Presseschau 19. November 2009

„Wir sind Jochen Distelmeyer“. Der Tagesspiegel über ein Konzert in Berlin: ↑Wir und meine Welt

Wo ist der Punk geblieben. Die taz spricht mit Bela B. (46): ↑I hope I die before I get old? Das hat sich bei mir natürlich längst relativiert

Und die FAZ – naja, genauer gesagt Eric Pfeil (der, der die neue Sting nicht toll findet) – hat Bela B. im Konzert erlebt und war äußerst angetan: ↑Im Hobbykeller an der Gitarre frickeln

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