Interview: Goatsnake

Ärger mit der Riffpolizei

Gute Doom-Scheiben sind eine Seltenheit geworden. Um so erfreulicher, daß gerade „I“, das Debüt von Goatsnake, auf Lee Dorrians Label ‚Rise Above‘ erschienen ist. Ein lange überfälliges Trostpflaster für Fans von tiefer gestimmten Gitarren und Zeitlupenriffs.

Goatsnake ist einem Sammelbecken altgedienter Doomer und Rocker gleich. Mein Gesprächspartner Greg Anderson verdiente früher sein Geld mit Engine Kid. Das Rhythmus-Duo Guy Pinhas und Greg Rogers wurde mit Obsessed groß und Sänger Pete Stahl (heute noch Earthlings? und Desert Sessions) spielte bei Wool und Scream. Ein wahrlich bunt gemischter Haufen, der sich da in Los Angeles zusammentat.

„Für mich stand gleich nach dem Ende von Engine Kid fest, daß ich eine neue Band finden mußte. Über den Freund eines Freund es kam der Kontakt mit Guy und Greg zustande. Ich zog schließlich von Seattle nach L.A. Gott sei Dank dauerte es nicht lange, bis Pete zu uns stieß. Schon bei den ersten Proben sprang der Funke über. Die Songs waren ultra heavy, rockig und hatten viel Soul – ganz anders also als viele dieser Sabbath-Rip Offs.“

Statt sich an den Meistern zu orientieren, nahm sich Gitarrist Greg lieber an Melvins, Saint Vitus, Pentagramm oder Slint ein Beispiel. Von Berufswegen muß er aber auch ganz andere Musik hören. Er arbeitet nämlich für den US-Vertrieb Caroline und verkauft CDs nach Japan und Rußland. Außerdem kümmert sich Greg um sein eigenes Label ‚Southern Lord‘. Bisher hat er drei Doom-Platten unters Volk gebracht: die Debüts von Thor’s Hammer und Burning Witch, sowie eine Raritäten-CD von Obsessed.

„Ich kann den Veröffentlichungstermin kaum erwarten“, freut sich Greg. „Die Songs sind unglaublich. Seit Jahren bin ich ein großer Obsessed-Fan. Insofern geht für mich ein alter Traum in Erfüllung. Die Fans werden diese Platten lieben, da bin ich mir sicher.“

In den letzten zwei, drei Jahren hat sich auf dem Doom-Sektor nicht gerade viel getan. Zwar haben die Bands nicht den Kopf in den Sand gesteckt, doch kaum ein Label traute sich, eine Band unter Vertrag zu nehmen, geschweige denn ein Album zu veröffentlichen.

„Kyuss wurden ironischerweise erst nach ihrem Split kult. Ähnlich verhält es sich mit Fu Manchu und Monster Magnet. Sie tourten jahrelang durch die Staaten und kaum einer nahm Notiz von ihnen. Aber von heute auf morgen war ein Interesse an dieser Musik da, und sie alle wurden erfolgreich. Allerdings bezweifle ich, daß viele von ihnen von Doom-Ikonen wie Saint Vitus, Cathedral oder Trouble beeinflußt wurden. Statt dessen sind es oftmals Black Sabbath und eben Kyuss, die ihre Spuren hinterlassen haben. Wie auch immer: Ich bin froh, daß sich die Szene so entwickelt hat.“

Greg zählt nicht einmal Goatsnake zu den Doom-Bands, obwohl aufgrund der verwendeten Stilmittel die Beweislage dafür spricht.

„Ich finde es lustig, daß du uns in diese Ecke stecken willst. Wenn du mich fragst, ist es Hardrock oder Rock’n’Roll. Ich sehe uns eher in der Tradition von Humble Pie, Mountain, Grand Funk Railroad und Thin Lizzy. Das sind eigentlich unsere tiefsten Wurzeln“, rechtfertigt Greg seine Kategorisierung.

Doom hin oder her. Letzten Endes war es der größte Förderer von zäh fließenden Riffs und wummernden Bässen, der Goatsnake einen Vertrag anbot: Lee Dorrian. Für jeden musizierenden Doom-Fan ist es eine Ehre bei ‚Rise Above‘ unterschreiben zu dürfen.

„Lee ist der coolste Typ, den ich je kennengelernt habe. Er kennt uns seit unserem ersten Demo. Auch Obsessed und Wool hatten ihm schon immer gefallen. So war es ganz natürlich, daß wir mit ihm in Kontakt traten. Lee ist eine Inspirationsquelle. Er singt in einer ausgezeichneten Band, er hat ein tolles Label aufgebaut und er veröffentlicht nur die Sachen, die er wirklich gut findet. Besser kann man es nicht machen“, schwärmt Greg.

Während in den Staaten Doom und Stoner Rock weiterhin um ihre Existenz kämpfen müssen, zeigen wir Europäer stetig wachsendes Interesse an dieser Musik. Neue Bands sprießen wie Pilze aus dem Boden und zahlreiche Labels werden gegründet, um die steigende Nachfrage decken zu können.

„Ich finde das seltsam. In Los Angeles gibt es viele solcher Bands und kein Hahn kräht nach ihnen. Hier spielen wir vor allerhöchstens 150 Leuten. Aber in Europa lecken sich alle die Finger nach uns. Bei euch muß irgendwas im Wasser sein. Anders kann ich mir das nicht erklären“, lacht Greg und ergänzt:

„Der allgemeine Trend geht eindeutig zum Indielabel. Das war bislang nur im Hardcore- und Punkbereich üblich. Doch als die Popularität von Doom bzw. Stoner Rock abnahm, gründeten viele ihr eigenes Label. Qualität wird sich auf lange Sicht hin durchsetzen. Ganz egal ob bei mit einem Indie oder einem Major.“

Eine Prophezeiung, die hoffentlich auch auf „I“ zutrifft. Immerhin erhielt das Album viermal neun Punkte in der ‚Basic Division‘ des Monats Juni. Das läßt hoffen. Meinem Kollegen Igor Bacic muß ich allerdings widersprechen. Nicht „Mover“ ist die Hymne des Albums, sondern „IV“, der Song mit diesem unglaublich fetten Riff.

„Das Riff habe ich von Joe Walshs ‚Rocky Mountain Way‘ gestohlen. Die Riff-Polizei ist bei mir seit Jahren Stammgast. Musik soll Spaß machen. Ich schäme mich nicht dafür, mir ein Riff zu borgen. Lynyrd Skynyrd, Robin Trow er und Thin Lizzy – sie alle standen schon Pate. Das hört aber kaum einer, da wir unsere Gitarren tiefer stimmen und das Tempo verändern. Wir übernehmen die Riffs meist nicht Note für Note, sondern adaptieren einzelne Ideen. Bei den neueren Songs ließ ich mich zum Beispiel von John Coltrane inspirieren, was sicherlich keiner hören wird.“

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