Mai: Die letzte Tochter des Mihiro Clans

Telekinese und Pubertät

Die Welt wird ein Dorf und Inseln sind auch nicht mehr das, was sie einmal waren: Eine Garantie für intellektuelle Inzucht. Das haben nicht nur die Briten am eigenen Leib gespürt. Selbst im Land der aufgehenden Sonne, das sich mit fremden Kulturen sichtlich schwer tut, sind die Einflüsse der westlichen Welt nicht mehr zu leugnen. Doch bis heute gelingt es selten genug, beide Traditionen unter einen Hut zu bringen. Der üblichere Ausdruck ist ein unvermitteltes und abruptes Nebeneinanderher von japanischer und westlicher Kultur: moderne Glaspaläste neben Schreinen in traditioneller Holzbauweise. Ebensowenig wie Kleidung und Wohnungseinrichtung sind die japanischen Comics davon ausgenommen. Die zelebrieren in einem kulturellen Spreizschritt eine Art japanische Postmoderne.

Ryochi Ikegamis jüngster Wurf „Mai, the psychic girl“ (dt. Mai, die letzte Tochter des Mihiro Clans) ist ein typisches Beispiel für diese kulturelle Schizophrenie. Im Vordergrund dieser Reihe steht die 14jährige Mai Kuju, an sich ein stinknormaler Teenager, der die Schulbank drückt, Steaks brät und sich, wie wohl alle Mädels in diesem Alter, Sorgen um die Form ihres Busens macht. Wären da nicht die psychokinetischen Fähigkeiten, die sie von ihrer Mutter geerbt hat. Hinter Menschen mit diesen Fähigkeiten ist eine mysteriöse Organisation her, die von einem Hauptquartier in den Schweizer Bergen aus operiert und ihre Handlanger überall zu haben scheint. Kein Wunder also, daß sie von Mais Fähigkeiten Wind bekommt und versucht, sie in ihre Gewalt zu bringen.

Das klingt wie ein Potpurri aus den George Lukas‘ Yedi-Rittern, Stephen Kings Feuerkind und anderen hierzulande mehr oder weniger bekannten Motiven. Trotz dieses Hangs zum Plagiat ist Ryochi Ikegami sichtlich bemüht, diesen Motiven einen eigenen Kontext zu geben, indem er die Handlung vor japanischem Dekor ablaufen läßt und mit einigen mangatypischen Actionszenen anreichert. Ein entscheidendes Problem bleibt dabei allerdings bestehen: da die zugrundeliegenden Motive den Lesern bekannt sind, kann er sich den Verlauf der Handlung aus den Fingern saugen – und liegt damit nicht einmal falsch. Bis zum Ende des ersten Bandes zumindest. Ob Ryoshi Ikegami und sein Zeichner Kazuya Kudo noch ein paar ungeahnte Wendungen parat haben bis es zum psychokinetischen Showdown kommt, werden die nächsten Folgen zeigen. Unterm Strich ist ein ost-westlicher Manga entstanden, der durch seine konzeptionelle Unschlüssigkeit schon wieder originell ist.

Ryochi Ikegami/Kazuya Kudo
MAI - DIE LETZTE TOCHTER DES MIHIRO CLANS
Feest Comics 16,80 DM
ISBN 3-89343-756-8

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