Musikalisch paaren
1992 fand sich auf der deutschen Compilation „Kill The Nation With A Groove“ der Song „K.E.I.N.E.“, die erste Veröffentlichung aus dem Hause Absolute Beginner. Ein Jahr später stand die EP „Gotting“ in den Läden, der Monate darauf die Single „III Stylez“ folgte. Zwei Jahre gingen (wegen einiger Nebenaktivitäten) ins gelobte Land bis „Flashnizm (Stylopath)“, das Debüt, im Kasten war. Das Warten hatte sich gelohnt; das Album wurde mit Lob überschüttet. Mit dem Erfolg kam der Major auf den Plan.
Schnitt! Die Zeitrechnung zählt 1998. Es hat sich was getan. Der neueste Stand der Dinge: „Bambule“ heißt auf hochdeutsch „Krach“. Mit Krach hat das zweite Album der Hamburger HipHop-Crew Beginner jedoch absolut nichts gemein. Und absolut sind die Beginner auch nicht mehr, da Martin, der dritte MC im Bunde, zuletzt das Handtuch warf. Das Adjektiv wurde in Folge gedroppt.
„Die Namensänderung hat insgesamt zwei Gründe. Zum einen verließ Martin die Band; er wollte im September eine dreimonatige Pause einlegen, da ihn die Geschichte mit dem Major-Deal (‚Universal‘ – der Verf.) zu sehr unter Druck gesetzt hatte“, gibt Denyo, einer der beiden übriggebliebenen MCs zu Protokoll. „Nach drei Monaten wollten wir wissen, woran wir sind und stellten ihn zur Rede. Er meinte, er könne nicht mehr, hätte den Rap verloren und wolle andere Musik machen. Das hieß, daß wir als Band nicht mehr absolut waren. Der zweite Grund war, daß wir hunderttausend Mal falsch geschrieben wurden. Darauf hatten wir keinen Bock mehr. Außerdem rutscht Beginner viel besser.“
Früher wollte niemand etwas vom deutschen HipHop wissen und jetzt flimmern dank MTVs „Fett“ in ganz Europa deutsche HipHop-Acts auf der Mattscheibe. Der Boom scheint langsam loszugehen. Warum aber sprießen besonders in den letzten Wochen deutsche HipHop-Acts wie Pilze aus dem Boden? Haben die Plattenfirmen vielleicht erst jetzt das Vermarktungspotential dieser Szene erkannt und deshalb ihre Talentscouts in alle entlegenen Ecken unserer Republik entsandt, um zu signen was noch nirgends unterschrieben hat? Eins ist auf jeden Fall klar, deutscher HipHop erlebt den Aufschwung.
„Das hat viel mit den Majors zu tun. Die Fantastischen Vier – man kann sie mögen oder nicht – haben seinerzeit deutschen HipHop salonfähig gemacht. Mit der Zeit kamen immer mehr Gruppen ans Tageslicht, auf die die Majors aufmerksam wurden. Sie wollten schließlich HipHop auf die breite Masse projizieren. Das Gute am HipHop ist, daß ganz gleich wieviel Ausverkauf es gibt (ich denke da an Toni Cottura, Basis, Cappuccino und andere), HipHop hat seine eigene Szene. Je mehr Kommerz es gibt, desto größer wird der Underground und der Bedarf nach einem solchen. Das heißt, im Endeffekt bleibt alles im Gleichgewicht. Letztendlich steigt damit auch die Qualität.“
Sind Sendungen wie „Word Cup“ (Viva) und „Fett“ (MTV) noch dem Underground zuzuschreiben? Und welchen Stellenwert haben sie deiner Meinung nach?
„Klar ist das noch Underground. ‚Fett‘ gefällt mir trotz all der Kritik seitens der Szene, und ich finde es ungemein wichtig, daß es diese Sendung gibt. Den Moderator, Dida, finde ich gut, obwohl einige da anderer Meinung sind. Das Problem von MTV ist allerdings, daß sie um 15 Uhr auf Sendung gehen und somit eine junge Zielgruppe ansprechen. Deshalb dürfen sie zum Beispiel keine Videos zeigen, in denen ein Joint oder etwas ähnliches zu sehen ist. ‚Word Cup‘ hat ein breiteres Spektrum und kann sich differenzierter und tiefer mit der Materie befassen und auseinandersetzen. Beide Sendungen versuchen auf alle Fälle, den Underground zu unterstützen. Letzt waren zum Beispiel Main Concept zu Gast bei ‚Fett‘. Das war vor einem Jahr noch völlig utopisch. Wen aus der Reihe der Verantwortlichen bei Viva oder MTV interessiert schon dieses geile Album („Genesis, Exodus, Main Concept“, erschienen bei ‚Deck 8‘ – der Verf.). Ich würde mir wünschen, es gäbe mehr solcher Sendungen – auch im Radio. Natürlich kann man auch nicht nur den Underground pushen. Beide Sendungen kriegen den Spagat zwischen Underground und Pop gut hin.“
Warum bringt gerade die Hansestadt Hamburg so viele HipHop-Blüten zutage?
„Dieses Phänomen kann ich dir nicht erklären. Für mich ist Hamburg meine Heimat. Diese Stadt hat in meinen Augen einen bestimmten Charakter. Ich finde es eher zufällig, daß hier fünf, sechs Gruppen eine ähnliche Musik machen und sich auch untereinander gut verstehen. HipHop bleibt trotz Freundschaft ein Konkurrenz-Geschäft. Jeder versucht, die Platten der anderen zu toppen. So pushen wir uns gegenseitig hoch und erreichen immer wieder ein neues Qualitätslevel. Das merken dann die Fans, werden inspiriert und fangen sogar an, eigene Musik zu machen.“
So oder ähnlich könnte eine Szene entstehen bzw. ist die Szene in Hamburg vielleicht entstanden. Weiter südlich, vor den Toren Münchens (Main Concept, Blumentopf), liegt die Schwabenmetropole Stuttgart. Dort lebt unter anderem der Freundeskreis. Sehen die Beginner und die restlichen Hansa-Crews in denen ebensowenig eine Konkurrenz?
„Wir verstehen uns gut mit den Jungs vom Freundeskreis. Max ist für mich sowieso schon seit ein paar Jahren der beste deutsche MC. Auf jeden Fall ist diese Konkurrenz (wenn man sie so nennen will) nicht negativer Natur, sondern absolut produktiv. Sie ist mit großer Freundschaft verbunden.“
Wie siehst du die Rolle der Beginner im Hamburger HipHop-Kontext?
„Momentan spielen wir, jetzt wo unsere Platte auf den Markt kommt, natürlich die größte Rolle“, scherzt der Mittzwanziger. „Nein, im Ernst, wir gehören alle zusammen, sind Kollegen. Das ist mit einer großen Posse zu vergleichen, die sich untereinander pusht und die die neuesten Styles austauscht. Wenn 5 Sterne gerade groß sind, erzählen sie beispielsweise überall rum, daß die Beginner, Dynamite Deluxe oder Eins, Zwo cool sind. Das würden wir genauso tun. Musikalisch paaren wir uns auch zwischendurch; jeder macht mal was mit jedem. Wir gehören zu dieser Posse, haben aber unseren eigenen Charakter und repräsentieren eine Art von Hamburg.“
Wie zu lesen war, hast du einen Song für den Soundtrack zu „Kurz Und Schmerzlos“ geschrieben.
„Mir ist es wichtig, daß ich mit diesem Projekt ein zweites Standbein habe. Es soll auf alle Fälle im Underground verwurzelt bleiben. Ich bin froh, daß ich gleich mit der ersten Veröffentlichung auf diesem Soundtrack gelandet bin. Das Projekt spiegelt sehr viel von meiner Persönlichkeit wider. Ich kann dabei viel zwangloser mein Ding durchziehen. Sowieso, ich mache Rap des Vergnügens, der Lust und des Spaßes wegen. Alles andere geht mir am Arsch vorbei. Wenn du (wie ich jetzt) bei einem Major unter Vertrag bist, dann ist die Verwandlung zu einem Menschen, den du in der Öffentlichkeit repräsentieren mußt, dir aber gar nicht entspricht, fließend. Das geht mir auf den Sack. Insofern bin ich froh, noch immer einen Fuß im Underground zu haben.“
Die Eimsbush Tapes. Eine Erfindung von Jan Eißfeldt, dem zweiten MC der Beginner. Angefangen hatte er 1997 mit einem Demo von Dynamite Deluxe. Es folgte La Boom, das „Ultimate Freestyle Tape“ mit Samy (Dynamite Deluxe), Bo u.a.. Der bisher letzte Streich war ein Dancefloor-Tape mit DJ Dynamite.
„Da wird in nächster Zeit einiges gehen. Es wird mehr und mehr ein richtiges Label. Jan ist derweil dabei, einen Vertriebsdeal an Land zu ziehen. Wahrscheinlich werden es PP Sales sein, die die Sachen vertreiben werden.“
Der Begriff „Bambule“ war mir bisher unbekannt, doch der Beginner-MC konnte meine semantische Lücke schnellstens füllen.
„Was du kennst das auch nicht. Oh je, keiner kennt das, das wundert mich ein bißchen. Bambule ist ein Berliner Ausdruck für Radau, Ärger machen und Barrikadenkampf. Mit Barrikadenkämpfen haben wir zwar nichts zu tun, aber wir verstehen uns als Aufmischer bzw. Rebellen.“
Ist es dem Zufall zuzuschreiben, daß es da einen stilistischen Unterschied zwischen Absolute Beginner und den nicht absoluten Beginnern gibt (also zwischen dem ’96er Album „Flashnizm (Stylopath)“ und „Bambule“)?
„Das wird uns ständig nachgesagt. Nach ‚Flashnizm (Stylopath)‘ war uns klar, daß wir die verschiedenen Einflüsse in unsere Nebenprojekte packen und uns ansonsten auf straighten Rap konzentrieren wollten. Nach einem Präsentationsgig im Hamburger Club ‚Mojo‘ sagte uns der ‚Tagesspiegel‘ nach, die stilistische Wandlung wäre auf den Majordeal und den Weggang des abgedrehten-mit-Dreadlooks-und-Weed-chillenden Martin zurückzuführen. Aber damit hat es wirklich nichts zu tun. Wir wollten straight mit Sampler, zwei Mikrophonen und Turntables arbeiten. ‚Bambule‘ ist das Ergebnis dieser Kurskorrektur.“
Über „Flashnizm (Stylopath)“ schrieb einst Lars Brinkmann (‚Spex‘), es sei das „beste HipHop-Album mit deutschen Raps ever“. Ein Klasse Kompliment. Da kann man verstehen, daß mit einem solchen Kompliment im Rücken und einem Majordeal in der Tasche, der Druck auf den Schulter zeitweise einige Atü stärker geworden ist.
„Früher ging man ins Studio, nahm auf und dann ab auf Tour. Das war alles sehr angenehm und cool. Mittlerweile müssen wir eine Woche lang dauernd Interviews geben. Mit ‚Universal‘ kamen wir eigentlich erst in Kontakt, nachdem das Album fertig war. Folglich hatten wir keinen Druck beim Schreiben der Platte verspürt. Natürlich haben wir mit ‚Liebes Lied‘ als Single den Song ausgesucht, der die breiteste Masse anspricht. Klar ist das ein Kompromiß, den wir geschlossen haben. Den Vertag unterschrieben wir am 01. Mai. Zu dem Zeitpunkt hatten wir fünf Songs fertig. Dann erst schrieben wir den Rest. Wir wunderten uns aber dauernd, daß nach der Unterzeichnung niemand mit uns in Kontakt trat. All die Zeit ließen uns ‚Universal‘ in Ruhe und gaben keinen Laut von sich.“
Gedanken darüber, daß sich jetzt aufgrund der Vermarktungsstrategie automatisch mehr Menschen (Fans, Journalisten etc.) für einen Musiker interessieren bzw. auch vielleicht weil deutscher HipHop hip ist, schwirren schon mal durch die Köpfe.
„Natürlich sind wir uns dessen bewußt. Es kommt immer auf die Situation an. Manchmal ist es schön, mehr Feedback zu haben. Ein anderes mal frage ich mich, warum ich jetzt in einer völlig bescheuerten Sendung mit einem völlig planlosen Moderator sitzen muß. Mit den Beginnern haben wir das Ziel, größer rauszukommen. Daher müssen wir Kompromisse eingehen. Ich finde es flashig, wenn ‚MTV‘ plötzlich deine Single spielt und du dadurch ungeheures Feedback bekommst.“