Schon seit ihrem Debüt auf Skam 1996 verbreitet das schottische Duo Boards Of Canada diese unheimlichen Untertöne, wie Schleifen, Rauschen, Kinderstimmen, um ihren gläsernen Eispalästen von Tönen den Geist eines zugefrorenen Sees in der Tundra einzuhauchen. Auch optisch wird auf den Covern diese schön-schaurige Stille einer Landschaft oder einer verwackelten Momentaufnahme von seltsamen Eindrücken oder Traumsequenzen verbreitet; so zum Beispiel auf meinem Lieblingscover einer Warp – Platte ever, der Doppel – LP „Music has the Right To Children“. Darauf ist eine Familie – der Mode nach aus den Siebzigern – wie unter Seewasser im Schleier von schwimmenden Partikeln abgebildet, deren Mitglieder ohne Gesichter an einer Mauer stehen oder lehnen.
Zwei Jahre später wird der Ansatz des Versuchs eine Momentaufnahmen wie unter Narkose akustisch umzusetzen weiter verfolgt. Das Tempo, wie gewohnt verschleppt langsam, die Flächen der Sounds wie durch einen Eissturm verhüllt und durch ein Plinkern auf ihren Glockenspiel hauchen Gnome dem Opus das nötige Quentchen Wärme ein – so wird „Kid For Today“ zu einer elektronischen Kurzgeschichte von Hans Christian Andersen. Seltsame Geräusche, wie Funksprüche, versuchen sich einzumischen und werden durch das Rauschen eines abgenudelten Ferrochrombandes unterdrückt.
„Amo Bishop Raden“ klingt wie eine Fortsetzung von Aphex Twins „Icot Hedrall“. Der Knüppel bleibt im Sack, die sakrale Stimmung von Streichern im Wagnerweirdotouch hervorgezaubert.
Seite Zwei beginnt mit Kinderstimmen und einer elegischen Fläche, der Rhythmus kriecht langsam ins Bild und schon befinden wir uns an einem schönen Ort, draußen auf dem Lande. Eine Vocoder-Stimme erzählt uns, was dort so vor sich geht. So konkret (richtiger Gesang!) waren BOC noch nie.
Dies ist – und das muß ich wahrscheinlich beim nächsten Output auch feststellen – eindeutig ihr bisher schönstes Werk. Schließlich endet dieses Appetithäppchen mit einem spinettartigen Solostück und entläßt mich mit dem schaurig schönen Verlangen nach einem kompletten Album. Was bleibt, ist die Option nochmal umzudrehen und erneut den Versuch zu starten, eine Antwort auf die Frage zu erhalten, warum BOC es schaffen, trotz nur minimaler Progression, den immer gleichen Zauber von Weite und Einsamkeit zu kreieren. Ich muß mal in die schottische Prärie hinausreiten und den beiden einen Besuch abstatten.
Boards Of Canada: In A Beautiful Place Out In The Country
12" (Warp/Zomba)