Steve Wynn zählt zu den Rettern der amerikanischen Alternative-Tradition. Nicht, dass sie die nötig hätte. Aber einen charismatischen Über-Vater wie ihn kann jede Szene gebrauchen. Steve Wynn, die Indie-Ikone. Der Beckenbauer des Americana? Bewahre.
Schließlich geht es hier nicht um den Glanz vergangener Tage, sondern um die Erneuerung einer uralten musikalischen Sprache. Der frühere Westküsten-Musikant (mit Dream Syndicate) hat dem Alternative-Rock schon so manche Blutzufuhr beschert, und auch „Here come the miracles“ denkt die Zukunft der Roots-Klänge weiter. Mit von der Partie sind übrigens Produzent Craig Schumacher (arbeitete unter anderem auch für Calexico und Giant Sand), als Band Chris Brokaw, Dave DeCastro und Lebensgefährtin Linda Pitmon an den Drums (gelegentlich auch mit am Mikro). Als Gäste sind vertreten: die Howe Gelb und John Convertino (Giant Sand), Ex-Concrete Blonde Johnette Napolitano und Chris Cacavas.
Weder Wunder noch Geheimnis: die Herangehensweise des Steve Wynn. Der Amerikaner ist kein großer Songwriter. Seine Leistung liegt nicht im „was“, sondern im „wie“. Wynn ist ein Klangmagier. Ein Schöpfer rauher, zerklüfteter Landschaften, durch die seine einfachen, hymnischen Melodien fließen. Und an deren steinigen Canyon-Vorsprüngen manch pittoreskes Alpenveilchen blüht. Ohne viel Hintergrundwissen würde man in Wynn einen alten Garagen-Rock-Fan vermuten, der immer schon viel Neil Young gehört hat. Ähnlich wie der Kanadier geht auch der US-Amerikaner nicht allzu zimperlich mit seinen Schützlingen, den Harmonien, um. Aber was dabei herauskommt, ist aufregend neu und infizierend.
Wynn ist kein Kammermusiker, sein Melodien brauchen jeden Zentimeter Raum, den sie kriegen können. Und der krachende Sound tut ein übriges dazu, den Hörer die Macht des Americana spüren zu lassen… Die Poesie kommt dabei allerdings nicht zu kurz, immer wieder schwelgt Wynn in archaisch-romantischen Klang-Epen, mischt auch mal Brian Wilson´sche Leichtigkeit und psychedelisches Flair unter seine Songs, die ohnehin schon beharrlich zwischen grantiger Biker-Rock-Attitüde und Highschool-Melodiösität pendeln – für Roots-Klänge exotisch genug.
Manch zäher Song ist dazwischen geraten, unter die Masse des Wynn´schen Opus Magnum. Weniger wäre mehr gewesen, aber natürlich auch weniger facettenreich. Unwahrscheinlich, dass jemand auch nur annähernd jeden der 19 Takes gelungen findet. Aber von Wynns Seite steht das Angebot: möge jeder auf seine Facon glücklich werden mit dem monumentalen, in seiner Kraftvölle einschüchternden „Here come the miracles“.
Steve Wynn: Here come the miracles (Blue Rose BLU DPO237/inakustik)