Trügt der Eindruck oder ist Tori Amos tatsächlich positiver Stimmung? Während ich ihrem letzten Album „Strange Little Girls“ eine „bedrückte, fast gruselige Stimmung“ attestieren musste, hat sich Amos für das neue Album anscheinend einiger negativer Emotionen entledigt. Die mögliche Schlussfolgerung, „Scarlet’s Walk“ sei ein optimistisches und frohlockendes Werk geworden, ist jedoch falsch. Auf dieses Glatteis hat sich Tori Amos nicht begeben. Sie ist stattdessen ihren Wurzeln näher gerückt, hat sich hinters Piano gesetzt und wurde von Musikern wie Jon Evans am Bass und Matt Chamberlain am Schlagzeug begleitet. Und John Philip Shenale war dabei, der mit Hilfe der Sinfonia Of London die Streicherarrangements in Szene gesetzt hat. Aufgenommen wurde in Amos Privatstudio im englischen Cornwall.
„Scarlet’s Walk“ ist eine lyrische, zum Teil auch musikalische Reise durch Nordamerika – von Osten nach Westen, von Süden nach Norden. Jeder Song eine Teilstrecke. Im Vergleich zu den letzten beiden Alben ist dies eine erstärkte, eine persönlichere Tori Amos, die uns in 74 Minuten den Reisebericht von Scarlet näher bringt. Vor allen Dingen hat sie nicht wieder den katastrophalen Fehler begangen, ihre unnachahmliche Stimme unter Elektro- und Industrial-Müll zu begraben, wie sie es auf „To Venus And Back“ getan hatte.
Tori Amos: Scarlet's Walk Epic/Sony Music