Interview: Franz Ferdinand

Vom Weltkrieg zum Pferderennen

„Franz, wer?“ Diese Frage ging vor einigen Monaten noch durch. Wer sie jetzt noch stellt, der muss in letzter Zeit in einem Erdloch gehaust haben. Mittlerweile sollte jeder Hinterwäldler bestens darüber informiert sein, wer Franz Ferdinand war und wer heute hinter diesem Namen steckt.

Er war Erzherzog von Österreich und nach dem Tode des Kronprinzen Rudolf und des Erzherzogs Karl Ludwig potentieller Thronfolger. Am 28.6.1914 wurde er allerdings mitsamt Gemahlin in Sarajewo von einem serbischen Freischärler ermordet. Ein Attentat mit dramatischen Folgen, gilt es doch als Auslöser für den Ersten Weltkrieg.

Andererseits ist Franz Ferdinand – trotz aller schon gehörten oder gelesenen Lobhudeleien – eine fürwahr großartige Band, die einen schnell vergessen lässt, dass einem vor zwei Jahren noch die Songs der Strokes die Ohren frei spülten. Das Pop-Geschäft ist schnelllebig. Heute hui, morgen pfui! Statt New York ist heuer Glasgow ganz hoch im Kurs. Denn – das aber nur am Rande – in Schottlands Musik-Metropole hocken unzählige Bands in den Startlöchern. Zum Beispiel Sluts Of Trust (Debüt im Mai via Chemikal Underground Records) oder Sons And Daughters, deren Mitglieder bereits mit Arab Strap und The Zephyrs Platten aufnahmen und tourten – zum Beispiel die bezaubernde Sängerin Adele Bethel und ihr Kollege David Gow. Fragt man Franz Ferdinand nach der coolsten Newcomer-Band aus Glasgow, bekommt man einstimmig die Antwort: Sons And Daughters. Wer ihre erste Deutschland-Veröffentlichung nicht erwarten kann, auf ihrer Website kann man zumindest zwei Songs hören (www.sonsanddaughtersloveyou.co.uk). Des weiteren wäre da eine Band namens I Love Lucy, in der eine gewisse Cecile mitspielt, in deren Schlafzimmer wiederum die sagenumwobene Rauferei zwischen Alex Kapranos (Gesang, Gitarre) und Nick McCarthy (Gitarre, Gesang) stattfand, die letztendlich mit der Gründung der Band endete.

Ende des Exkurses und zurück zum Eigentlichen. Ob ein Artikel über Franz Ferdinand in Zeiten des Hypes um diese Band noch vonnöten ist, diese Frage haben wir uns gar nicht gestellt. Wie viele Journalisten trafen auch wir die Band zum Interview in einem Kölner Hotel und stellten zwei ihrer Abgesandten – McCarthy (abgeschlossenes Studium von Doppelbass und Piano an der Hochschule in München und viele Jahre Bürger Münchens) und Robert Hardy (Bassist, studierte kurzzeitig an der Glasgow School Of Art Malerei) – einige Fragen, die andere vielleicht nicht gestellt haben. Und: Nur weil über die vier Herrschaften schon überall Unmengen zu lesen war, heißt das keineswegs, dass das letzte Wort über sie gesprochen ist. Wie es anfing, wurde schon angedeutet: Party in Glasgows Kneipenmeile Sauchiehall Street, Kampf um eine Flasche Vodka, Smalltalk, Verabredung zum Jammen, weitere Musiker rekrutiert. Wupp, zack, peng! Aus vier mach eins. Franz Ferdinand war wiedererstanden.

Wie fühlt es sich an, Mitglied der derzeit heißesten Band Großbritanniens zu sein?

Beide: „Ermüdend. Spannend. Aufregend. Es ist eine willkommene Abwechslung. Wir genießen es. Die letzten drei Abende standen wir auf der Bühne – es war atemberaubend. Es machte unendlich viel Spaß. Die Kids flippten total aus. So was hast du noch nicht gesehen. Moshpits, Crowdsurfing – das volle Programm. Unbeschreiblich. Wir sahen uns an, lachten und legten los.“

Eure zweite Single, „Take Me Out“, stieg auf Platz drei der britischen Charts ein. Wie war eure Reaktion?

Hardy: „Wir waren sauer, dass wir es nicht auf Platz eins geschafft hatten. (lacht) Wir hatten vielleicht mit der Top 40 oder der Top 30 gerechnet.“ McCarthy: „Hätte es die Single unter die 30 besten geschafft, wir wären überglücklich gewesen. Ich dachte mir noch, die Top 20 sei zu knacken. Es war verrückt, als wir von der Realität überholt wurden.“ Hardy: „Ich war aus den Socken und gab gleich eine Party.“

Wie haben eure Familien, Verwandte, Freunde und Geliebten reagiert?

McCarthy: „Mein Bruder fand es amüsant. Er spielt selbst in einer Band, und er war es, der mir das Gitarrespielen beigebracht hatte.“

Hardy: „Und was sagt deine Freundin?“

McCarthy: „Ah, ich weiß nicht. Manchmal hasst sie es, weil ich lange fort bin. Aber ich glaube, sie freut sich auch drüber. Meine Mutter ist Leh-rerin und unglaublich stolz. Ihre Schüler fragen sie ständig: ‚Mrs. McCarthy, könnten sie mir ein Autogramm von ihrem Sohn besorgen?‘. Meine Eltern haben jetzt ein neues Hobby: Sie sammeln Zeitungsschnipsel und alles, was sie über uns finden können.“ Solange sich die Schüler nicht mit deiner Mutter fotografieren lassen, ist es nicht so wild.

McCarthy: „Haha, das wäre was.“

Ich weiß, wer Franz Ferdinand ist. Gerade deshalb muss ich wissen, warum ihr diesen Namen gewählt habt.

McCarthy: „Wir sahen im Fernsehen ein Pferderennen. Eines der Tiere hieß Erzherzog Ferdinand. So kamen wir schließlich auf den Namen.“

In eure Texte haben sich deutsche Wörter eingeschlichen. In „Darts Of Pleasure“ heißt es „Superfantastisch! Ich trinke Schampus mit Lachsfisch“. Ein Song heißt „Auf Achse“, was als Reminiszenz an Jack Kerouacs Buch „On The Road“ oder auch an die gleichnamige legendäre deutsche TV-Serie mit Manfred Krug interpretiert werden kann.

McCarthy: „Oh, an die erinnere ich mich. Die würde ich gerne mal wieder sehen. (lacht) Was die deutschen Wörter betrifft: Es ist unglaublich chic und hip in England bzw. Großbritannien, sich für deutsche Musik oder Kunst im Allgemeinen zu begeistern. Darüber wollten wir uns lustig machen.“

Sie verstehen Spaß, die vier Herrschaften aus Glasgow, die sich im Umfeld der Kunsthochschule kennen lernten und nach wie vor einen engen Kontakt zur Kunstszene pflegen. Mit Gleichgesinnten gründeten sie bekanntlich das nunmehr berühmte Chateau, einen Hort für Künstler, Musiker und Freaks. Wer wissen will, was dort los ist, dem sei die Website www.chateaugateau.co.uk ans Herz gelegt. Das Chateau beheimatete früher ein Gefängnis und liegt nicht unweit des Celtic Park, der Spielstätte der einzig wahren coolen Fußballmannschaft Glasgows, dem 1888 gegründeten Celtic Football Club.

Ende des Textes, aber nicht Ende des Hypes.

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