Kürzlich in der →„Märkischen Oderzeitung“: Man parliert über den „deutschen Krimi-Boom“. Keine „Un-Literatur“ mehr, auch deutsche Krimis haben jetzt eine Chance, und eine Buchhändlerin stellt fest, die Leser bevorzugten „Storys mit Happy End, wo am Schluss die Ordnung wieder hergestellt wird.“
Soweit so belanglos. Dann aber kommt Friedrich Ani zu Wort. Ich muss gestehen, dass ich noch nichts von ihm gelesen habe, aber das wird nachgeholt. Denn Ani scheint jemand zu sein, der zumindest denken kann, und dann sollte es auch mit dem Schreiben einigermaßen hinhauen. Ani also sieht das alles skeptischer:
Manche Krimiautoren hätten keinerlei literarischen Anspruch und würden es gerade mal schaffen, „die Hauptsätze einigermaßen hinzukriegen“. Der deutsche Krimi müsse „noch einen großen Schub bekommen, um relevant zu werden“. Er vermisst den „literarischen Übermut“ der Autoren, die kein anderes Ziel hätten, „als einen Mordfall relativ verzwickt aufzubrezeln“, sagt Ani.
Dass er nun die Konsequenzen zieht und in nächster Zukunft wohl keine Krimis mehr schreiben wird, auch aus dem „Syndikat“ ausgetreten ist – das scheint mir einerseits zwar folgerichtig, andererseits ist es jedoch schade. Wieder eine nüchterne Stimme weniger.
Denn er hat Recht. Was uns da meistens stilistisch präsentiert wird, ist unter aller Kanone, und das betrifft nicht nur deutsche Autoren. Wenn ich an Herrn Mankell und andere alte Schweden denke, kommt mir das kalte Grausen. Dafür kann man nicht nur notorisch unterbezahlte und leicht unmotivierte Übersetzer verantwortlich machen. Der Fisch stinkt aus allen Himmelsrichtungen. Den Lesern ist es wurscht, solange Happy End und Ordnung stimmen, ein Urteil, das durch Beobachtungen in einigen sogenannten „Krimi-Foren“ bestätigt wird.
Und die Verlage? Die Lektoren? Müssten die nicht kopfschüttelnd den Rotstift zücken und mit der Ausmerzung wenigstens der gröbsten stilistischen und dramaturgischen Schnitzer beginnen? Ach, vergesst es. Ich hatte ich letzter Zeit – es mag Zufall sein oder nicht – Gelegenheit, mich mit einigen Autoren zu unterhalten, die gerade auf der Suche nach einem Verlag sind. Keine „Debütanten“, sondern ausgewiesene Könner, DEUTSCHE Krimiautoren, die ja angeblich boomen.
Und was da so an Begründungen für Absagen reinkommt, es ist nicht zu fassen. Ein Text sei „zu unterhaltsam“ oder, „große Klasse, aber leider nichts für unsere Kunden“. Hammer: „Der Roman ist wunderbar, nur der Autor ist zu alt“.
Hat man noch Worte? Was für Gestalten sitzen eigentlich momentan in deutschen Verlagen? Ich mag’s mir lieber nicht vorstellen. Wie aber bei solchen Protagonisten so etwas wie ein Markt für anspruchsvolle, unterhaltsame und gut geschriebene Krimis entstehen soll, ist mir schleierhaft. Leser, die sich mit Mist begnügen, solange nur die anspruchslosesten Formalitäten stimmen, Lektoren, die hirnrissigste Maßstäbe anlegen, um Literatur zu beurteilen. Und eine Kritik, der das alles eh am Arsch vorbeigeht. Mein altes Vorurteil, dass der liebe Gott all jene, die zu nichts Vernünftigem taugen, Germanistik studieren lässt, bestätigt sich wieder einmal. Zum Gruseln ist das.