Es ist ja nicht nur so, dass lernwillige junge Menschen aus der Tristesse ihres Studierzimmers in die Sommerseligkeit frischer Luft entführt werden sollen. In unserem summer camp geht es um die existentiellen Dinge des Krimischreibens. Wir wollen das Skelett eines Krimis aus der Erde unserer Gedanken graben (hm; ist das jetzt ein schönes Bild oder einfach nur Quatsch?), all die vielen kleinen Knöchelchen, und dann zusammensetzen.
Fleisch wollen wir aber nicht an dieses Skelett kleben, d.h.: Wir schreiben keinen Krimi, sondern arbeiten den Plan nur soweit aus, dass man sofort mit dem Schreiben beginnen könnte.
Ja, ja, aber: Braucht man das überhaupt? Ich meine… was ist eigentlich mit meiner dichterischen Imagination, was mit der hehren Phantastie, die einfach RAUS muss und RAUS will? Bin ich denn ein Bürokrat der Literatur, der sich zuerst nüchterne Gedanken machen, ein Ordnungs- und Arbeitssystem erstellen muss, bevor er sich auf Pegasus’ Rücken schwingt und eine Runde um das Oval der Wörter dreht?
In Ordnung. Man muss gar nichts. Aber ich halte es für ratsam, vor dem ersten Satz, den man stolz ins leere WORD-Dokument tippt, zu wissen was man will. Wie es sich entwickelt, wo es hingehen soll, wie es endet. Nichts gegen Inspiration, nichts gegen Berge von Notizzetteln, auf die man „spontane Ideen“ (meistens morgens im Zug, nachts nach dem Sex oder mittags vor’m Nachtisch) kritzelt. Aber so ganz ohne Plan?
Ich weiß: Autoren halten sich für den Lieben Gott und glauben sich so wortgewaltig, dass ihre Schöpfungen, die Personen, irgendwann zu atmen beginnen und ein Eigenleben entwickeln. Der Autor, die Autorin wird dann zum bloßen Hampelmann seiner Geschöpfe und zeichnet getreulich auf, was sie ihm flüstern.
Das Resultat betrachtet man sich am Besten nur flüchtig: Knirschen im Handlungsgebälk, Unlogik und Zufall küssen sich innig, wenn man einmal in die Buchstaben pustet, fliegen sie hinweg wie AHOJ-Brausepulver. Wäre ich Arno Schmidt (früher wäre ich gerne Arno Schmidt gewesen, weil ich hoffte, Arno Schmidt wäre auch gerne Dieter Paul Rudolph gewesen, wenn sich das lebenszeitlich ergeben hätte), wäre ich also Arno Schmidt, würde ich sagen: Man sollte diese Faultiere über’s Knie legen und mit’m Stock vertrimmen!
Denn wenn dir jemand mit solch ätherischem Geschwurbel kommt (… meine Inspiration leitet mich … meine Personen entwickeln ein Eigenleben … ich weiß auf Seite 200 immer noch nicht, wie die Geschichte zehn Seiten später ausgeht …), dann sei sicher: Da hat eine(r) putzige Vorstellungen vom Schreiben, von der Arbeit, von der Schönheit des strukturierten Denkens.
Ihr werdet sehen, dass das eigentliche Abenteuer des Schreibens in der Konstruktion abläuft. Es gibt viele Möglichkeiten, viele Wege, nicht DEN Weg. Das werden wir, hoffentlich, sehen. So look out: Bald ziehen wir, frohgemut und mit gefüllter Propangasflasche, in unser summer camp! Schön, wenn du auch dabei wärst.