Andrew Vachss: Down here

Andrew Vachss bezeichnet seine Bücher als „Trojanische Pferde“ und meint damit die Verwendung des Krimigenres als Medium, damit Menschen sich mit seiner Botschaft auseinander setzen. Der sexuelle Missbrauch von Kindern und sexuelle Gewalt im Allgemeinen sind seine ewig wiederkehrenden Themen. Hauptberuflich als Anwalt, arbeitet er nur für kindliche und jugendliche Klienten, die Opfer von sexueller oder häuslicher Gewalt wurden. Lange bevor die Öffentlichkeit durch die Dutroux-Affaire sensibilisiert wurde, hatte er schon zahlreiche seiner Bücher geschrieben, die mit ihrer Schonungslosigkeit auch Leser verstörten.

Krimis als Vehikel des Mitteilungsbedürfnisses des Autoren sind populär; das Ergebnis aber häufig fragwürdig, da der Wille der Autoren nicht immer dem schriftstellerischen Gestaltungsvermögen entspricht. Auch im Werk von Andrew Vachss finden sich in der Vergangenheit Bücher, die vor Botschaft nicht laufen können – „False Allegations“ ist ein Beispiel. Aber Andrew Vachss hat auch gezeigt, dass er sprachlich und vom Aufbau seiner Bücher her, zu den Besten gehören.

Ich-Erzähler in den meisten seiner Bücher ist Burke. Ein „Outlaw“, nie dem Gesetz oder den gesellschaftlichen Regeln verpflichtet, sondern immer nur seinen eigenen moralischen Ansprüchen und seiner „Familie“, einer Clique von Vertrauten, die alle am Rande oder jenseits der Grenzen der konventionellen Gesellschaft stehen. Von Klienten beauftragt, spürt er Perverse, Kinderschänder und Vergewaltiger aus den dunkelsten Löchern New Yorks auf.

Im 2004 erschienenen Buch „Down here“ ist Burke sein eigener Auftraggeber: „My love for Wolfe was a dead star. Lightless, invisible in the night sky. But always, always there.” Wolfe, eine „Weggefährtin“ seit viele Jahren, wie Burke eine Jägerin, aber auf der Seite des Rechts, ist verhaftet worden. Sie soll einen Vergewaltiger, den sie einstmals ins Gefängnis gebracht hatte, niedergeschossen haben. Nicht nur, dass die Tat mit der Arbeitsweise Wolfes nicht zu vereinbaren ist, seltsam ist auch, dass das Opfer danach mit Hilfe der Polizei untertaucht. Burke organisiert alles: Jemanden, der für die Kaution bürgt, einen Anwalt, der Wolfe aus der Untersuchungshaft loseist, und er macht sich auf die Suche nach dem Opfer und den Verbrechen.

„Down to the earth“, detektivische Schnitzeljagd, wenig raisonnieren über das Thema „falsche Verdächtigungen“: Dieses Buch ist viel konventioneller, weniger theorielastig als viele andere Burke-Bücher. Es hält sich mit der Darstellung der Abgründe von Stadt und Menschen zurück. Allein, die Menschen die Burke trifft … Zerstörte, Verlorene, denen gibt Vachss eine Aura … hier hat das Buch eine direkt kristalline Qualität. Hier offenbart der Autor, dass er nichts von seinem Können eingebüsst hat. Gestützt wird das durch eine Sprache von so einer klaren kalten Schönheit, als wäre die glänzende Stahlskelettkonstruktion eines Wolkenkratzers von einem Präzisionslaser zugeschnitten worden.

Andrew Vachss wandelt natürlich auf einem schmalen Grad. Er kann Burke immer wieder durch den perversen Schlamm waten zu lassen – das mag als literarische Katharsis taugen, führt aber in die literarische Sackgasse. Er kann aber auch die wissenschaftliche und metaphysische Dimension des Themas bearbeiten und damit viele Leser überfordern. „Down here“ demonstriert sein außergewöhnliches Vermögen als Schriftsteller. Für Krimileser, die sich erstmals mit einem Buch von Andrew Vachss beschäftigen möchten, ist „Down here“ sicher ein guter, da konventioneller Einstieg. Treue Leser von ihm werden bei diesem Buch die Schonungslosigkeit früherer Werke vermissen. Sie dürfen sich jedoch auf ein Buch mit hoher sprachlicher Qualität freuen. Hält man sich das Ende des Buches vor Augen, zeichnet sich womöglich ab, dass dieser erstklassige Autor seinen monomanischen Weg verlässt und wir ein weitergespanntes Werk erwarten dürfen. Das 2003 erschiene „The Getawayman“ und das kürzlich erschiene „Two trains running“ scheinen so etwas anzudeuten – mehr zum zweiten Buch in „watching the detectives“, wenn die amerikanische Taschenbuchversion erschienen ist.

Andrew Vachss: Down here. 
Vintage Crime 2005 (Taschenbuchausgabe). 12,50 €
(noch nicht auf Deutsch erschienen)

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