Logh: North

Liebe auf den zweiten Blick! Es gibt Bands, die sich beinahe jedem Zugriff entziehen – auch dem des tüchtigen Konsumenten von einschlägigen Musikzeitschriften, Magazinen und Blogs. Keine der britischen Musikpostillen namens „New Musical Express“ (NME) oder „The Wire“ treiben sie als die nächste „Sau“ durchs Dorf und in den deutschen Musikmedien finden sie in der Regel auch nur als Randnotiz statt. So Logh aus dem südschwedischen Lund.


Nach 3 Alben, vom melancholisch-leisen Debüt „Every Time A Bell Rings An Angel Gets His Wings“, über das wütend-düstere „The Raging Sun“, bis zum ruhig entspannten „A Sunset Panorama“, folgte die Musik der 1998 gegründeten Logh einem eigenwilligen musikalischen Grundtenor zwischen Fragilität und Ausbruch, ohne sich jedoch dabei jedes Mal zu wiederholen. Sie schafften es, den geneigten Hörer immer wieder herauszufordern, genau hinzuhören. Es ist ihr reduzierter und aufs wesentliche konzentrierter (Gitarren-)Sound, der unverwechselbar ist – wohl überlegt gesetzte Akkorde, die im Raum stehen und diesen ausfüllen, um dann entweder loszupreschen oder den Hörer zart zu umgarnen und zu begleiten.
Mit ihrem 4. Album „North“ schaffen sie es, uns angesichts ihres bisherigen musikalischen Kosmos wiederum zu überraschen und dazu zu animieren, neugierig und fokussiert ihrer Musik zu lauschen. So lange, bis man es schließlich schafft, die vermeintlich unscheinbare und schlichte musikalische Oberfläche freizulegen – gleich einem Archäologen – bis sie schließlich den Blick auf einen lange verborgenen Mosaikboden freigibt, an dessen Schönheit und Details man sich dann langfristig erfreuen kann.

Dass Musik und Ihre Entstehung auch immer in Ihrem jeweiligen regionalen Kontext gesehen werden muss, ist sicherlich grundsätzlich richtig und gilt natürlich auf für für die Schweden von Logh. Bei ihnen aber die „nordische“ Karte zu spielen, um ihre Musik „einordnen“ zu können – wozu man aufgrund der in ihr innewohnenden Kargheit, Melancholie, Weite und Tiefe geneigt ist – scheint auf den ersten Blick natürlich nahe liegend, jedoch nicht hinreichend, den Gesamtkosmos bzw. die Attitüde dieser Band erfassen zu können. Schließlich ist Schweden sowie das Label Bad Taste Records, auf dem Logh veröffentlichen, ja auch in erster Linie für die härtere musikalische Gangart bekannt – und melancholisch-reduzierte Musik, die zum zuhören einlädt, ist auch in anderen Regionen dieser Welt zu finden, die mehr Sonne, Wärme und Menschenmassen zu bieten haben.

Also, Logh sind einfach poppiger geworden – an den Umständen ihrer schwedischen Heimat liegt es sicherlich nicht. Sie haben ihr gewohnt minimalistisch-pointiertes (Gitarren-)Soundspektrum um flächige Keyboardsounds, Piano, epische Arrangements und Backgroundgesänge erweitert. Auf den ersten Blick scheinen diese Facetten den Klang ihres neuen Albums zu beherrschen und es braucht letztendlich mehrer Anläufe, um sie zu durchdringen und die darunter bzw. dazwischen liegenden musikalischen Details freizulegen und zu erkennen. Diese sind immer noch unverkennbar Logh, so wie man sie kennt!

Warum nun der typische Logh-Sound in einen Mantel aus Pop-Appeal gehüllt ist? Warum nicht! War Pop nicht schon immer ein Zeichen der Weiterentwicklung und Reife von vielen Bands, wenn die jugendliche Sturm- und Drangzeit Ihren Zenit überschritten hat und man sich neuen musikalischen Horizonten und Herausforderungen zuwenden wollte – siehe „The Beatles“, „The Clash“ und „The Jam“ bzw. „The Style Council“. Ist nicht auch momentan wieder die Hinwendung zum Pop gerade bei solchen bei Bands zu konstatieren, die sich bisher durch ruppige Musik auszeichneten – siehe die letzten Alben von „Trail of Dead“, „Bloc Party“ und „Aereogramme“.

Muss man sich nicht als vermeintlicher Indie-Nerd (Was ist eigentlich noch wirklich Indie?) auch von dem Gedanken verabschieden, dass Pop-Appeal nicht immer gleich Mainstream-Attitüde bedeutet – siehe „The Shins“. Und jetzt auch noch Logh? Aber soweit, dass eine Hollywood-Größe die Schweden im nächsten Blockbuster als die neuen Weltverbesserer ausruft, wird es jedoch ganz sicher nicht kommen. Dafür ist nicht nur ihre Musik zu intim, sondern auch der persönliche Eindruck, den man von den Jungs gewinnt, wenn man sie auf der Bühne sieht – ein zu aufrichtiger und authentischer was ihre Sache angeht. Von Hype-Gefahr keine Spur!

Der Albumopener „Saturday Nightmares“, der von der Einsamkeit des Zerstreuung suchenden Wochenend-Partyvolks handelt, zieht einen gleich in seiner epischen Breite und dem fetten Schlagzeug in seinen Bann und ist bereits einer der Höhepunkte eines an solchen reichen Albums, dass textlich um alltägliche Befindlichkeitsthemen und die Facetten der schwedische Heimat kreist. In die gleiche musikalische Kerbe schlagen die Songs „The Invitation“, „All The Trees“ und „Thieves in the Palace“, die als Musterbeispiele für das neu gewonnene Pop-Verständnis Loghs stehen, das über dem gewohnt sparsamen und eigenwilligen Klang der Schweden schwebt. „Thieves In The Palace“ ist in seiner vielseitigen und dynamischen Struktur nahezu eine Indie-Pop-Suite im besten Sinne.

Etwas ruhiger geht es hingegen bei den restlichen Songs des Albums zu. Sanft von Keyboards getragene Stücke wie „Death To My Hometown“ und „Sometimes“ sowie Akustiknummern wie „Weather Islands“, „The Black Box“ und „Forest Eyes“ pendeln zwischen gelegentlichen musikalischen Ausbrüchen, klassischer Logh´scher Gitarrenarbeit, Brian Eno´schen Klangtupfern sowie Procol Harum´schen A Whiter Shade of Pale-Tastensounds („Sometimes“). Das sphärische „New Hope“ mit der Textzeile „…the only danger here is being safe so there´s no time to waste/no time for being bored, no fear and no resort/the party´s over, the lights are out/but hey, we can´t stop now/let´s find some place off the map/a place where it´s not so safe/let´s go party somewhere else.’ subsumiert schließlich eindrucksvoll die musikalische Grundhaltung Loghs: Risiko ja, Wiederholung nein!

Alben:
Every Time A Bell Rings An Angel Gets His Wings (Bad Taste Records/Soulfood – 2002)
The Raging Sun (Bad Taste Records/Soulfood – 2003)
A Sunset Panorama (Bad Taste Records/Soulfood – 2005)
North (Bad Taste Records/Soulfood – 2007)

Links:
Logh Website
Logh auf MySpace
Bad Taste Records

Logh: North
Bad Taste Records/Soulfood
VÖ: 5.4.2007