Laurie R. King: Locked Rooms

An Sherlock Holmes führt kein Weg vorbei. Manchem getreuen Leser mag es zu weit gehen, aber Laurie R. Kings Wiederbelebung des Detektivs im Jahr 1994 war ebenso originell, wie gelungen durchgezogen. „Locked Rooms“ ist das nunmehr achte Buch der Mary Russell Serie.

Russell ist Sherlocks junge Frau, die einst aus Amerika nach England zu Verwandten aufs Land geschickt worden war, weil ihre Eltern mitsamt ihres Bruders bei einem Autounfall zu Tode kamen. So lebte sie auf dem Lande und erregte mit ihrer Klugheit die Aufmerksamkeit Holmes’, der sich ihrer annahm, sie ausbildete und als gleichwertige Partnerin akzeptierte. Später studierte sie in Oxford und heiratete dann den Meister. Mary Russell ist Vorbild einiger gleichartiger literarischer Frauengestalten, die in Krimis des frühen 20. Jahrhunderts spielen und die, modern und emanzipiert, ihrer Zeit weit voraus sind – z.B. Maisie Dobbs .

Im achten Buch kommen Mary und ihr Mann nach San Franzisko, der Stadt ihrer Kindheit, Quelle ihres schlechten Gewissens, denn sie fühlt sich schuldig am Tod ihre Familie, hatte sie doch unmittelbar vor dem Unfall einen Streit unter Kindern mit ihrem Bruder, der ihren Vater ablenkte. Seit Jahren schon hatte sie gekniffen … nun ist sie von Japan aus mit dem Schiff unterwegs und wird von Albträumen geplagt. In San Franzisko angekommen, versucht sie ein wenig die Geschichte ihrer Eltern aufzuarbeiten und gerät in mehr Abenteuer als sie vorhersehen konnte. Gelähmt durch ihre Schuldgefühle, ist sie nicht in ihrer sonstigen Form und stolpert durch die Stadt, während ihr Mann ebenso belustigt wie besorgt seine kleinen grauen Gehirnzellen bemühen muss.

Wir erleben San Franzisko in den frühen 20er Jahren des letzten Jahrhunderts. Eine Stadt im Aufblühen, gerade erst aus den Trümmern des Erdbebens von 1906 und dem anschließenden Stadtbrand wiederauferstanden. Russel und Holmes stoßen auf genügend Geheimnisse und Ungereimtheiten. Sie finden manch frühere Bekannte der Eltern und sie finden aber auch einige, die in der Zwischenzeit ermordet wurden.

Hohe Kunst ist das:„Locked Rooms“ ist ein Buch, das unterhalten möchte. Und dieses macht es in absolut überzeugender Manier. Es hat einen raffinierten Plot mit einer trickreichen Auflösung, es schildert die Atmosphäre San Franziskos, ohne sich von dieser dominieren zu lassen. Es ist stilistisch, wie immer bei King, auf hohem Niveau, liest sich unangestrengt und strotzt doch von Anspielungen. Es ist ein Buch ohne Botschaft und doch hat es eine und zwar überzeugender und gelungener als viele Gesinnungsbücher. Es ist nicht nur ein nettes Buch, welches den schrulligen englischen Detektiv „wiederbelebt“ und nach Amerika verpflanzt, sondern es nippt auch an einer dunklen Episode der US-amerikanischen Geschichte. Mit anderen Worten: Es ist ein Buch, das mehr hermacht als es den Anschein erweckt.

Laurie R. King: Locked Rooms. 
Bantam Books 2006. 528 Seiten. 6,99 € 
(noch keine deutsche Übersetzung)

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