R. Scott Reiss: Black Monday

Ein weiterer schlechter Roman. Ein weiteres Buch, das man eigentlich links liegen lassen könnte, ohne ihm einen Hauch Beachtung zu schenken. Aber es wird angekündigt als „prophezeibarer Erfolg“, als neuer „Powerseller“, bekommt einen „VOX Krimi Tipp“-Aufkleber (den man eher als Warnung betrachten darf) und wird vehement beworben. Mag sein, das Ullstein den richtigen Riecher hat, eher noch, dass dieses schrottige Teil jede Werbung gebrauchen kann, um verkauft werden zu können. Sollte es aber tatsächlich ein Bestseller werden, bekäme der Begriff „Schwarzer Montag“ eine ganz neue Dimension. Was verdunkelt denn nun Reiss’ Wochenbeginn?

Nichts anderes, als der Zusammenbruch der Welt, wie wir sie kennen. Flugzeuge stürzen ab, Maschinen bleiben stehen, die gesamte Energieversorgung der (westlichen) Hemisphäre hört von einem Tag auf den anderen auf zu existieren. Woran liegt’s? Sind Ökoterroristen unterwegs, pinkeln Al-Qaida – Anhänger in die Pipelines? Nichts von alledem, ein böser Geist und seine Handlanger haben Nanobakterien in Umlauf gebracht, die Öl unbrauchbar machen. Das äußerst resistente Bakterium übersteht sogar jeden Raffinierungsprozess heil und vernichtet so auch die Endprodukte Benzin, Kerosin usw.

Was folgt daraus? Chaos, Unordnung, Zusammenbruch. Ein ideales Feld für eine Dystopie, eine Zivilisationssatire oder einen bösen Thriller. Doch was macht Reiss daraus? Eine gefühlsduselige Kolportage mit oberflächlichen Spannungselementen, schlampig arrangiert und verfasst. Irgendwo scheint es einen Bastelkasten zu geben, der die Vorgaben für diese Art von „Thrillern“ liefert. Was benötigen wir:

Einen untadeligen Helden, Familienmensch mit leicht dunkler Vergangenheit, die aber keine Auswirkung auf sein Verhalten in Katastrophenzeiten hat. Nein, der heilige Gil Gerard zieht aus, den Drachen zu töten. Und er tut es. Allen Widrigkeiten zum Trotz.

Einen unfähigen Vorgesetzten. Der natürlich dem Instinkt des Helden nicht traut. So was gibt’s. Aber Reiss traut seinerseits der Figur so wenig, dass er sie zur Hälfte des Buches einfach fallen lässt. Ward nicht mehr gesehen.

Einen schier unbesiegbaren Killer auf der Spur des Helden. Diesmal ein selten debiles Exemplar.

Die Familie des Helden. Toll, einfach toll, Klassefrau, adoptierte Kinder, die rührend besorgt um ihre Umwelt sind. Und so dämlich, dass sie während der Apokalypse noch Zeit und Muße für einen Zoobesuch haben.

Die freundliche Nachbarschaft: Vom Barbecue zur Bürgerwehr.

Die unfreundliche Nachbarschaft: Ein Wohnblock voller White – Trash – Angehöriger, deren stumpfer Darwinismus sich von den Überlebensstrategien unserer Saubermänner und Frauen gewaltig unterscheidet. Dafür müssen sie natürlich bezahlen.

Human Interest: Colonel Novak. Girls in Uniform. Aber der Held bleibt standhaft.

Und so geht’s weiter, stapelt sich übles Klischee über übles Klischee. Doch machen wir’s kurz: Black Monday trägt unverhohlen faschistoide Züge zur Schau. Zwar gibt er sich liberal antirassistisch (immerhin sind Gerards Adoptivkinder dunkelhäutig), aber die Intention ist eindeutig vorhanden: da gibt es den sauberen Mittelstand, der, mit dem richtigen Führer vorangehend, die Flagge der Freiheit wacker vor sich herträgt, während die zerlumpten Feinde an ihrer eigenen Amoralität krepieren. Alles, was schwach ist, wird ausgemerzt (die alkoholabhängige Galeristin, eigentlich zur „sauberen“ Fraktion gehörend, wird in ihrer Sucht zur Verräterin und dafür natürlich herbe bestraft), der missbrauchte und bösartige Killer ist ein schwuler T.E – Lawrence Fan; der dümmliche Abschaum darf bei einer schlecht geführten Attacke über die Klinge springen. Hinter allem ein degenerierter Drahtzieher (der gegen Ende aus dem Hut gezaubert wird), dessen Motivation nie so ganz offensichtlich wird; vermutlich will er die Stärke des „alten“ Westens gegenüber den USA wieder herstellen. Aber dem zeigen’s unsere aufrechten Streiter für den amerikanischen Traum. Am Ende heißt es: „Er hat das Biest vernichtet und ist nach Hause zurückgekehrt.“ DAS ist tatsächlich die Essenz eines unglaublich jämmerlichen Buches.

Dass es nur an wenigen Stellen spannend ist, braucht kaum betont zu werden. Einzelne Szenen im Schneetreiben sind ganz ordentlich gelungen, werden aber durch lächerliche Auflösungen gleich wieder torpediert. Die globale Katastrophe reduziert auf eine uramerikanische Variante des Familienduells.

Und wer mir verraten kann, wo Teddie Dubbs abgeblieben ist, darf sich einen Schokopudding frei Haus liefern lassen.

Ein weiterer schlechter Roman. Ein weiteres Buch, das man getrost links liegen lassen kann. Mal sehen, ob das Power-Marketing diese mentale Durststrecke in die Verkaufsträchtigkeit pushen kann.

R. Scott Reiss: Black Monday. 
Ullstein 2008 (Original: “Black Monday”, 2007).
400 Seiten. 8,95 €

9 Gedanken zu „R. Scott Reiss: Black Monday“

  1. Toller Umschlag.

    * hat immer noch was gegen englische Ausdrücke
    ** vermisst das gemütliche „Moin“ des Ostfriesen
    *** lernt ostfriesisches Platt

  2. Ja, ein toller Buchdeckel. Glänzt schön und man kann wunderbar seine Fingerabdrücke darauf hinterlassen, wenn man das Buch als Mordwaffe benutzt. Ich wünsche dem Autoren nichts Schlechtes, ehrlich nicht.

    Der staunenswerte Begriff „prophezeibarer Erfolg“ (zitiert aus der umfangreichen Werbebeilage) war der Grund, warum ich mir diese Graupe von Roman angetan habe. Muss irgendein Marketingsklave im Latte Macchiato-Rausch erfunden haben.

  3. Heute ist im Magazin des Süddeutschen eine Anzeige für das Buch.

    Schreiben die doch tatsächlich: „ein mysteriöser Virus“. Da machen die Werbung für ein Buch in dem ein Virus vorkommt und beherrschen nicht einmal das Geschlecht des Wortes !

    Tausendmal schreiben: „Das Virus“ – mit der Hand natürlich.

    Vielleicht will man’s auch dem Zielpublikum leichter machen ?

    Jochen schrieb allerdings von Bakterium, Nanobakterien gar (der Mikrobiologe ist beeindruckt). Was denn nun ?

    Erinnert mit an John Case‘ „Ghost Dancer“, Jochen dürfte dafür, dass er die Lektüre des Buches durchgestanden hat, die „Eiserne Lesebrille am Bande“ verdient habe.

  4. @Bernd
    Der Bio-Lehrer meines Sohnes sagt:das Virus(Krankheitserreger),der Computervirus.
    Das Fremdwörterbuch vom/von Duden sagt:Virus,das(auch:der)und listet unter 1. das Krankheitsdingens und unter 2. den Computervirus.
    Schriftsprache nicht gleich gesprochener Sprache,ist schon klar.Aber Sprache wird doch vom Anwender gemacht,da ist jedes Lexikon zu spät dran.

  5. Lieber Johannes,

    ja, ich weiß, dass die „Computerfutzies“ der Computervirus sagen – bitter, nicht zu ändern, nicht meine Welt. Das Laien auch „der Virus“ zum Mikroorganismus sagen, geschenkt.

    Aber, „das Virus“ ist ein terminus technicus, gewissermaßen ein Code. Jeder der entsprechend sozialisiert worden ist, weiß, dass es „das Virus“ lautet. Es unterscheidet die Anfänger von den Erfahrenen und die Kenner von den Schwätzern – immer und überall, einen virologischen Profi der „der Virus“ sagt, gibt es nicht. Man konnte sehr gut in den 90er Jahren (HIV), oder wenn Influenza längere Zeit aktuell ist, beobachten, wie die Verwendung von „das Virus“ durch die Journalisten zunimmt.

    Wenn nun die Werbung „Professionalismus“, technische Versiertheit usw. suggerieren will, dann bricht hier die Glaubwürdigkeit sofort ein.

    Beste Grüße

    bernd

  6. Keine Viren, eindeutig Bakterien. Ist aber bezeichnend, das nicht mal die Marketing-Abteilung das zu bewerbende Buch kennt.

    @Bernd: Danke für die Lesebrille am Bande. Von denen hatte das letzte Jahr einige zu bieten. Sollte man zusammenschmeißen und eine Klobrille draus anfertigen…

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