„Die Hoffnung stirbt zuletzt!“ Dass dieser häufig dahin gesagte Satz sich in der Realität doch glücklicherweise ab und an bestätigt, gilt insbesondere für die in Klagenfurt/Österreich beheimatete Band „Naked Lunch“. Nachdem diese, Anfang bis Mitte der 90er Jahre noch unter dem Einfluss des Grunge-Sounds stehende, hoffnungsvolle Band mit dem Album „Superstardom“ 1997 zum vermeintlichen Höhenflug ansetzte, stürzte sie nach Ausflügen in poppig-tanzbare Gefilde, „Love Junkies“ (1999), jäh – teils durch äußere, teils durch selbst verschuldete Katastrophen – in den Abgrund.
Im Jahre 2004 feierte man dann mit dem musikalisch reduzierten und durch die schmerzhaften Rückschläge geprägten, melancholisch-melodiös-depressiven Gitarren-/Elektronik-Album „Songs for the Exhausted“ eine fast nicht mehr für möglich gehaltene Auferstehung. Dass Mühen und Schmerzen sowie das unglaubliche Durchhaltevermögen dieser Band sich allemal gelohnt haben, zeigt das nun veröffentlichte und zumindest wieder mit zugekniffenen Augen zum Rock-/Pop-„Himmel“ aufblickende Album „This Atom Heart of Ours“.
Wann war es eigentlich noch mal genau, als sich unsere Wege zum ersten Mal kreuzten? Der Song „Spark“ im Dezember 1996 auf dem Sampler „Musik für die Neunziger – Volume One“ eines von mir mittlerweile – aufgrund grundsätzlicher musikalischer Differenzen – nicht mehr goutierten Musikmagazins. Dann das beachtenswerte 97er-Album „Superstardom“, ein Konzert im Juni des gleichen Jahres im damaligen „KOMM“ (heute „K4“) in Nürnberg. Der Vorfreude auf das Nachfolgealbum „Love Junkies“ folgte dann nach den ersten Hördurchgängen eine leichte Enttäuschung, obwohl, mit dem heutigen Abstand und dem mehrmaligen Wiederhören, meine Beachtung für dieses Album mittlerweile zugenommen hat. Mir war es für meinen damaligen Geschmack zu poppig, eingängig und zu sehr dem „Mainstream“ zugewandt.
Auch ich hätte sie – genauso wie viele andere – dann fast vergessen, die Kärntner Jungs, obwohl ich in einem Anfall von Nostalgie doch das eine oder andere Mal zumindest das Album „Superstardom“ mal wieder in meinen CD-Player geschoben habe. Zugegebenermaßen haben sie es einem ja währenddessen auch nicht gerade leicht gemacht, bei der Stange zu bleiben, aber über die berechtigten Gründe wurde in den letzen 2 Jahren wirklich mehr als genug geredet und geschrieben!
Als dann 2004 „Songs for the Exhausted“ erschien, war ich natürlich genauso gespannt wie fast alle, die bei dem Namen „Naked Lunch“ noch an etwas anderes dachten als an William S. Burroughs Roman. Enttäuschung sieht anders aus! Ich hatte das Album auf Dauerrotation und ihr Konzert im Konstanzer „Kulturladen“ im April 2005 war mehr als bemerkenswert.
Und sie haben sich seither nicht auf den wieder gewonnenen Lorbeeren ausgeruht. „This Atom Heart of Ours“ knüpft an das Vorgängeralbum und dessen „Inspiration“ an, zeugt aber gleichzeitig vom wieder gewonnen Selbstbewusstsein sowie der wieder erstarkten Energie dieser Band und ihrer Mitglieder.
Der Sound ist immer noch melodiös-melancholisch-sehnsuchtsvoll, fragil, reduziert und durch elektronische Sounds, sowie Gitarre, Bass und Schlagzeug gekennzeichnet. Flächige Orgel- und Tasteninstrumente und kanonartige, manchmal chorartige Backgroundgesänge erweitern das Klangbild.
Bereits der pathetisch daherkommende Opener und Titelsong des Albums besticht durch sakral-hymnische Schönheit und durch seine – neben dem sehnsuchtsvollen Gesang – nur durch Tasteninstrumente und kanonartigen Backgroundgesang geprägte schwebende Stimmung.
Die erste Single „Military of the Heart“ schließt man mit ihrer hymnisch-romantisch-überwältigenden Stimmung musikalisch und textlich eindeutig ins Herz, und gleichzeitig zeugt sie von der wieder gewonnenen Stärke – auch im Privaten. Jedoch scheint die Band dabei auch nie die herben Enttäuschungen der letzten Jahre aus den Augen zu verlieren:
„…there is a star hat shines for us…this is the story of our romance…there is no end, there’s no beginning…we built this city with our bare hands/where every stone belongs to us/come over now it’s overwhelming/’cause we walk hand in hand now…on the day I found myself/I walk on with my seven inch boots/I cross this planet in a day/I madly climb the highest mountain/I swim the deepest ocean/only to be with you/this is the story of our romance/we simply give our best every day/there is no end, there’s no beginning/ we don’t need entertainment/we entertain ourselves/ I love my son, I love my daughter…I don’t need an illusion/I don’t need anything/on the day I found myself.“
Alles klar?!
Das nachfolgende, eher akustisch-verträumt beginnende „Country Girl“ endet dann doch überraschend „disharmonisch“ krachig und elektronisch.
Das schleppende „Town full of Dogs“ zieht den Hörer mit seinen Orgelklängen, schrägen Elektroniksprengseln und hypnotischem Gesang unweigerlich und sehnsüchtig in seinen Bann.
„In the Dark“ scheint den Hörer mit seinem zarten, spacigen und sphärisch-mäandernden Sound einlullen und auf eine Reise in eine bessere Welt mitnehmen zu wollen.
Das von Akustikgitarre und einem Fundament aus Orgel-/Tastenklängen getragene Stück „The Tower“ könnte auch von Neil Young stammen und das zugleich heiter-melancholische Liebeslied „Into your Arms“ marschiert, getragen durch My Bloody Valentinesche Gitarren, geradewegs in die Herzen.
„Waterfall“ ist ein im „Naked Lunch“- Kontext geradliniger und sich in die Höhe windender Popsong mit Banjo und an die Beach Boys erinnerndem Backgroundgesang, wohingegen „Colours,“ aus ihrem 2005er Musikfilmprojekt „Sperrstunde-Closing Time“ mit Thomas Woschitz – seines Zeichens Regisseur von diversen „Naked Lunch“ Videos – zerbrechlich und traurig klingt.
Schließlich „In the End“, mit seiner von Piano und Elektronik bestimmten Stimmung, das diesem reifen Album zusammenfassend den versöhnlichen Schlusspunkt setzt: „…and if everything falls down/there is one thing you should know/my arms will hold you in the end/you will forgive me in the end/my love will find you in the end…“:.
„Bessere Zeiten klingen gut!“ Diesmal geben wir die berechtigte Hoffnung auf ein baldiges Wiedersehen nicht auf!
Alben:
Naked-Mini LP (Big Store-1991)
Balsam (Big Store-1992)
Superstardom (Community/Mercury-1997)
Love Junkies (Big Store/Virgin-1999)
Songs for the Exhausted (Motor/Universal-2004)
This Atom Heart of Ours (Louisville/Universal-2007)
Links:
www.nakedlunch.de
www.myspace.com/nakedlunchmusic
www.louisville-records.de
Naked Lunch: This Atom Heart of Ours
Louisville Records/Universal
VÖ: 19.1.2007