Die Gitarre von Tom Liwa muß sehr tapfer sein. Nie, einfach nie kann sie mit der Stimme ihres Herrn konkurrieren. In Liwas Gesang liegt einfach mehr Musik als in all den wunderbaren, swingenden Holz-Arrangements auf „Evolution Blues“ zusammen. Diese leise, samtige Stimme singt die ganze Band an die Wand.
Vielleicht liegt es auch daran, dass Liwa in Wahrheit gar nicht singt, sondern spricht. Aber seine Worte intoniert er so zärtlich, streichelt sie mit seinen Stimmbändern, dass niemand merkt, dass die Lyrik eigentlich Prosa ist: schnoddrig und engelhaft zugleich.
Um zu erkennen, ob Liwa mit dieser Stimme gerade feiert oder geißelt, muß man allerdings schon genau hinhören. Denn seine Watschen verbergen sich in den Formulierungen – gesungen werden sie im gleichen Ton wie die Liebeserklärungen. Und manchmal bleibt auch alles in der Schwebe, weil die wenigsten Dinge im Leben nur schwarz oder weiß sind. Liwa widmet sich ihnen mit Nachdenklich- und Leichtigkeit gleichermaßen. Hinter der Resignation des Albumtitels klingt ein tiefer Seufzer durch, aber auch Momente des Glücks. Liwa reflektiert. Vater-Sein, Sohn-Sein, Neu-Erleben durch die Augen des Kindes, Zeit und Vergänglichkeit, den Sinn und Zweck von Liebe, die Ungewißheit, ob man seine Zeit wirklich nutzt, Scheinrealitäten des Radioprogramms, Evolutionstheorien und die Zerbrechlichkeit von Beziehungen. Ob letztere in kausalem Zusammenhang stehen, kann auch Tom Liwa nicht klären.
Dafür aber intonieren. Mit den Arrangements ist es so ähnlich, wie mit dem Gesang: zart in ihrer Feingliedrigkeit – und rustikal, was Line Up und Sound betrifft. Es perlt und fließt unter der Stimme, bleibt aber immer hörbar Holz. Mit sparsamen Mitteln – Bläser und Synthies dürfen sich nur selten unter Gitarren, Bass und Percussions mischen – hüllt die Musik den Text ein: diskret, aber farbig. „Evolution Blues“ macht es anderen Singer-Songwritern schwer, gegen Tom Liwa anzukommen.
Tom Liwa: Evolution Blues
(Normal Records N 226 CD )