Doob Doob O´Rama

Das Beste an diesen ganzen Indien-, Asia- und Türkenshops sind doch immer noch die Ecken mit den Musik-Kassetten bzw. die schreiend-bunten, kitschigen Bildchen darauf: irgendwelche schmachtenden Schönheiten mit riesigen Plastik-Wimpern und Schmalz-Typen mit bonbonfarbenen Gewändern und mindestens drei Kilo Goldschmuck.
Auch „Doob Doob O´Rama“ erfreut schon auf dem Cover mit hemmungloser Koloristik und läßt die Rezensentin zum CD-Player eilen.

Der Hinweis „Filmsongs from Bollywood“ (klingt wie aus Bombay und Hollywood zusammengesetzt, das cineastische Zentrum Indiens liegt allerdings in Mumbai!) macht sie die letzten Meter fast fliegen, denn das bedeutet nichts anderes als hochmelodische, süßlich-schwülstige Songs mit viel Pathos und – ich wiederhole mich – Kitsch und Schmalz pur! Dazu noch ein guter Schuß Exotik und fremdartige Gesänge mit melismatischer Stimmakrobatik für die Körbchen-Schlangen. Natürlich ist man auch in Indien nicht out of space, und so sind auch die Soundtracks dortzulande schon ziemlich verwestlicht, Pop ist halt ein internationales Phänomen, und neben opulenter Orchesterbegleitung, munteren Bläsern und sehnsüchtigen Streichern finden sich auf der Compilation auch Surf-Gitarren, und manche Takes hätten sich genauso in amerikanischen Action-Krimi-Serien der 70er finden können. Auch Zeichentrickfilme scheint es in Indien zu geben (ihr bekanntester Star heißt Apu und betreibt in Springfield ein Deli-Store!), wie Take-Fragmente in überdrehter Toon-Atmo erahnen lassen.

Überhaupt scheint es in indischen Filmen recht rasant zuzugehen, der Musik nach zu urteilen. Die spricht eine ziemlich deutliche Sprache und scheint sich oft 1:1 mit dem Leinwandgeschehen zu decken, ich meine damit nicht nur das ganze Gestöhne und die eindrucksvollen Lamenti erfolgloser Aufreißer, sondern die akustische Dramatik per se, die hier offensichtlich die eigentliche Hauptrolle spielt! Musikalisch schlägt sich das in unzähligen Breaks nieder, Songs im stop-and-go-Rhythmus, zusammengesetzt aus dem Baukasten: „So bastel ich mir einen Soundtrack, # 5: Indisch“ oder so…

Das Label Normal ist übrigens dasselbe, das unlängst auch Russ-Meyer- und Betty-Page-Filmmusiken veröffentlichte, auf der Suche nach kruden Soundtracks also in jedem Fall eine gute Adresse! Daß die Normal-Scouts außer der Qual der Wahl vermutlich keine größere Mühe bei der Zusammenstellung der CD hatten, hängt damit zusammen, daß die indische Filmindustrie die größte der Welt ist! 1912, im selben Jahr wie in den USA, gab´s den ersten abendfüllenden Spielfilm, und da die meisten Schauspieler vom Theater kamen, hatten sie mit der Einführung des Tonfilms 1931 nicht die Probleme, wie ihre amerikanischen Kollegen, die sich ganz auf Stummfilme beschränkt hatten.

Dafür gab´s ein völlig anderes Problem, denn in Indien herrscht eine Art babylonischer Sprachverwirrung mit unzähligen Dialekten und Idiomen, die durch die Festlegung von Hindi als Haupt-Filmsprache vereinheitlicht werden sollte. Da verwundert es nicht, daß Musik in indischen Filmen einen gänzlich anderen Stellenwert hat, als hierzulande oder in Übersee. Das geht soweit, daß die Songs integraler Bestandteil der Filme selbst sind, auch wenn sie zur Schonung des Publikums von den Schauspielern playback gesungen werden. Indisches Kino – eine Art Leinwand-Musical? Scheint so.

Fazit: ein grellbuntes, extrem unterhaltsames Album! Einziger Wermutstropfen: leider sind keine Jahreszahlen zu den Songs angegeben, das wäre sicher noch interessant gewesen, vor allem, da die Takes laut Label-Info „aus den letzten Jahrzehnten“ stammen. Das hätten wir gern etwas genauer gehabt, aber nichtsdestotrotz: tolle „Platte“!

V.A: Doob Doob O´Rama
(Filmsongs from Bollywood)
Q.D.K. Media

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