Fünf Wünsche für 2012

Fast geschafft. Allen Leserinnen und Lesern die obligatorischen guten Wünsche zu Fest und Jahreswechsel – ja, und was wünschen wir uns krimimäßig für 2012? In aller Bescheidenheit:

  1. Weniger Schablonen (Eintreffwahrscheinlichkeit: 2%)
  2. Mehr Risiko (3%)
  3. Weniger kritische Konfektion (4%)
  4. Mehr Toleranz (0%)
  5. und ganz allgemein eine geringere Arschlochdichte (keine Prognose)

In diesem Sinne: Bis 2012! (wo es auch →den wieder geben wird…)

Historisierend und historisch: zwei Krimis

Historische Krimis sind Mogelpackungen. Jeder Krimi ist historisch, hinterlässt er doch den Nachgeborenen etwas über die Verhältnisse, die Denkweisen seiner Entstehungszeit. Was allgemein als historisch etikettiert wird, ist hingegen historisierend, ein Nachbau von Vergangenem, der weder seine Abhängigkeit von der Zeit seiner Entstehung noch seine zwangsläufige didaktische Absicht leugnen kann. Uns Lesern soll etwas vermittelt werden, wir sollen etwas lernen, bestenfalls bietet man uns Infotainment, schlechtestenfalls das Dröge einer faktenvollen und blutleeren Geschichtsstunde im zeitlos morschen Gerüst eines 08/15-Krimis.

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Die Scharmützel der Phantome

Es herrscht Krieg. Kein heißer, kein kalter, eher ein lauwarmer, wie es dem Gegenstand angemessen ist. Es geht um etwas höchst Belangloses, um Kriminalliteratur, die nur für wenige mehr ist als das feierabendliche Quantum Entspannung und Ablenkung, Abzittern und Ablachen. In gewisser Weise also das, was man einen akademischen Krieg nennen könnte, wäre nicht „Krieg“, wenn ich es mir so recht überlege, die unpassende Bezeichnung. Nennen wir es also Scharmützel. Ein ulkiges Wort für eine im Grunde ulkige Geschichte.

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Joe R. Lansdale: Gauklersommer

gauklersommer.jpgNichts Neues von Joe R. Lansdale. Gut halt. Aber wem sag ich das. Wer Lansdale mag, mag auch „Gauklersommer“, die Geschichte des Irak-Veteranen Cason Stadler, eines talentierten Journalisten, der einst am Pulizerpreis vorbeischrammte, in eine Art Daseinskrise gerät und sich in seine Geburtsstadt Camp Rapture im tiefsten Texas zurückzieht (den Lesern schon aus „Kahlschlag“ bekannt, damals 30er Jahre, nun Jetztzeit). Dort leben seine Eltern, der Bruder unterrichtet an der Uni, Stadler findet eine Anstellung als Kolumnist beim Ortsblättchen und alles ist irgendwie gut. Bis es verdammt schlecht wird.

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Manfred Wieninger: Das Dunkle und das Kalte

wieninger_kalt.jpg Auch Kriminalromane, die nicht unter dem Etikett des Regionalen ächzen, spielen irgendwo. An realen oder fiktiven Orten, manchmal sowohl als auch, wie die Marek-Miert-Krimis von Manfred Wieninger. Harland heißt das triste Provinzkaff im Niederösterreichischen (man kann sich kaum vorstellen, dass auch dort die Sonne einmal scheint), eine Kopfgeburt wohl, doch unverkennbar nach dem Vorbild von Wieningers Geburtsstadt St. Pölten geformt. So springt das Faktische ins Fiktive und wieder zurück, ein Vorgang, in dem sich immer schon die Dynamik von Literatur entfaltet hat und immer entfalten wird. Jetzt hat Wieninger die Maske des Literaten für einen Moment abgenommen und führt uns durch sein Harland, wenn es St. Pölten heißt. Dass er dabei weiterhin Literat bleibt – wen wundert’s?

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Martin Compart: Die Lucifer Connection

compart_l.jpg Der Weg zwischen Kunst und Trash ist lang. Jedenfalls wenn man sich das literarische Wertigkeitssystem als ein Gebäude vorstellt, der Krimitrash im von Schimmel und Schwamm heimgesuchten Souterrain und der fein-, tief-, hintersinnig komponierte „literarische Krimi“ ganz Penthouse-Resident mit den Annehmlichkeiten eines intellektuellen Dachgartens. Aber man kann sich das Ganze auch anders vorstellen. Als einen Kreis, der beim Krimi als reiner Kolportagekost beginnt und beim „Krimi als literarisches Kunstwerk“ endet. Dann kommt einem die Strecke zwischen den Extremen immer noch lang vor – doch eigentlich liegen sie ganz dicht beieinander.

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Rob Alef: Kleine Biester

alef.jpg Darf ein Krimi, in dem reihenweise Kinder ermordet werden, lustig sein? Kann ein Krimi, der grässliche Monster durch die Berliner Unterwelt rumoren lässt, die Wirklichkeit widerspiegeln? Er darf, er kann. Hängt, wen wundert’s, vom Können des Autors ab und das ist im Falle von Rob Alef beneidenswert groß. „Kleine Biester“ heißt das Buch, was, hat man es zu Ende gelesen, durchaus doppelsinnig ist und dennoch einen sehr eindeutigen Blick auf die Verhältnisse erlaubt.

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George V. Higgins: Die Freunde von Eddie Coyle

higgins.jpgEine gelesene Geschichte ist immer auch eine gesehene Geschichte. Unser Kopfkino verwandelt Wörter in Bilder, schnappt sich den Handlungsfaden und zieht ihn möglichst logisch-straff, um auf diesem Seil, dieser Sinn-Einheit, über den Abgrund zu tanzen, in den zu schauen man uns abgeraten hat. Vorsicht, Absturzgefahr, Vorsicht, disparate Teilchen unseres Daseins. Um dieses Kunststück bewerkstelligen zu können, hat man u.a. die erzählende Literatur erfunden. Aber Literatur wäre nicht Literatur, wenn sie den Erwartungen nicht gelegentlich davonliefe, indem sie sie erfüllt und gleichermaßen untergräbt. Einen solchen Text hat man bei „Die Freunde von Eddie Coyle“ vor sich.
Beginnen wir mit dem filmischen Teil, was deshalb auch nahe liegt, weil dieser 1971 veröffentlichte (und erst 1989 ins Deutsche übersetzte) Roman von George V. Higgins gleich nach seinem Erscheinen mit Robert Mitchum verfilmt wurde. Wir folgen dem Titelhelden, einem Kleinkriminellen, durch die letzten Tage und Stationen seines Lebens. Doyle besorgt Schusswaffen, er ist Zwischenhändler, ein kleines Rädchen im kriminellen Getriebe wie andere auch, mit denen er sich trifft. Momentan gehen die Geschäfte gut, denn der Gangster Scalisi und seine Gang haben Bedarf an heißer Schussware für clever inszenierte Banküberfälle. Die ganze Geschichte ist eine Abfolge von Kalkül und Verrat, jeder ist sich selbst der nächste, jeder will überleben, und am Ende wird Eddie Coyle eben tot sein. Ein reinrassiges Gangsterdrama wäre das – wenn Higgins nicht etwas anderes im Sinn gehabt hätte.

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