Paul Weller: Heavy Soul

Zu Zeiten von The Jam oder Style Council war Paul Weller für mich die Personifizierung des guten Geschmacks. Rein optisch betrachtet, würde ich das auch heute noch unterstreichen. „Heavy Soul“ erinnert allerdings an einen Musikstil, mit dem ich den alten Hipster freiwillig niemals in Verbindung gebracht hätte: Hippie-Folk-Rock, inklusive Gitarrenduell auf den beiden Stereo-Kanälen. War das nötig?

Paul Weller: Heavy Soul
(Island)

Isar 12 – Unterwegs mit Isar 12

Diese CD ist für mich (bislang) das Highlight dieses Sommers. Ein Bastard von Platte, der Breakbeats, Schweine-Gitarren, Ambient-Geblubber, Siebziger-Sound und deutsche Texte vereint, ohne daß es einen Moment beliebig oder unorganisch klingt. Glaubt Ihr nicht? Kann ich verstehen. Ist aber so. „Unterwegs mit Isar 12“ ist das Debut der beiden Münchner Achim Bogdahn (Gitarre, Gesang) und Andreas Konstantin (Computer). Wie bei vielen Veröffentlichungen aus Bayerns Landeshauptstadt hat diese Musik diesen ganz speziellen Swing … eine intelligente Leichtigkeit, die einer genaueren Untersuchung würdig ist (vielleicht demnächst mehr zur München-Hamburg-Theorie!).

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Mark Eitzel: West

CD-Cover Mark Eitzel – West (1997)

Zur Beruhigung vorneweg: Obwohl Mark Eitzel bei seinem zweiten Soloalbum eng mit R.E.M.-Gitarrist Peter Buck zusammenarbeitete, klingt die Platte nicht nach Michael Stipe und Konsorten. Trotz Eitzels Aussage, er habe mit der Musik auf „West“ praktisch nichts zu tun gehabt und sei qasi nur der Sänger, ist die CD ein unverkennbar typisches Eitzel-Werk geworden. Die Einflüsse der Gastmusiker sind zwar zu erkennen, dennoch bleibt sich der Sänger und Songschreiber des American Music Club treu.

Dies gilt in erster Linie für die von ihm verfaßten Lyrics, trifft aber auch auf die Musik zu, was zeigt, daß Peter Buck sensibel genug war, Mark Eitzel nicht mit Songs zu überschütten, die seinem künstlerischen Charakter entgegenlaufen.

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D-Age – Smalltown Boy

Bronski Beat mochte ich eigentlich nie, und die Kastraten-Stimme von Jimmy Somerville habe ich sogar regelrecht gehaßt. Darum habe ich auch erwartet, daß eine Coverversion von „Small Town Boy“, dem Riesen-Hit von Bronski Beat, zumindest um diesen Faktor besser sein muß.

Ist aber nicht so. D-Age aus Berlin ersetzen die Quietschstimme durch einen dramatischen Heuler und machen auch sonst nichts richtig. Dunkel und pathetisch, so muß er sein, der Hauptstadt-Beat. Für alle, die mal wieder richtig deprimiert werden wollen.

Trans-Am: Surrender to the night

„Surrender to the night“ ist ein Album-Titel, den man meiner Meinung nach nur wählt, wenn man a) das Mainstream-Hard-and-Heavy-Ghetto noch nie verlassen hat oder b) zeigen möchte, daß man Humor hat. Eine ganz bestimmte Sorte Humor, die eigentlich gar nicht so lustig ist. Wenn dann auf dem Cover auch noch ein Sonnenuntergang zu sehen ist, der ein bißchen zu romantisch für unsere postmoderne Zeit daherkommt, dann ist klar: Bei Trans Am sind wir im Land der intellektuellen Spitzfindigkeiten gelandet.
Leider gilt diese Bestandsaufnahme nicht nur für das Layout des Albums, sondern auch für die Musik. Um das mal klarzustellen: Ich habe nichts gegen Intellektualität – allerdings stelle ich mir darunter etwas anderes vor als akademisches Bildungsbürgertum. Aber genau diesen Eindruck vermitteln die Drei von Trans Am über weite Strecken der Platte: Hier basteln und pfriemeln sich 23jährige ein Album zusammen, das experimentell und anders sein soll und das dennoch sehr bemüht und blutleer klingt.

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Built To Spill: Perfect from now on

Soll ich jetzt das erzählen, was alle über Built To Spill schreiben? Soll ich schreiben, daß Doug Martsch, der Komponist, Texter, Sänger und Gitarrist des Projektes Built To Spill, einen Vollbart trägt? Daß er unscheinbar und zurückhaltend ist, in Idaho lebt und festes Mitglied bei Calvin Johnsons Halo Benders ist? Daß er „Perfect from now on“ ausschließlich an Wochenenden aufgenommen hat und deshalb jede Woche 500 Meilen nach Seattle und 500 Meilen zurück gefahren ist, um möglichst oft bei seiner Freundin und seinem Sohn zu sein? Daß der Mann so vollkommen unhip ist, daß er schon wieder als role model auf dem Laufsteg der Szene-Trends herhalten kann? Werden „intelligente Rockmusiker“ im Club bei Dir um die Ecke diese Saison so aussehen wie Doug Martsch? Ich weiß es nicht.

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Jawbox – Cornflake Girl

„Cornflake Girl“ ist der meines Wissens einzige Hit, den die anämische Tori Amos in die Charts gehaucht hat. Bei Jawbox, einer amerikanischen Gitarrenband, wird der Song noch breiter und dramatischer, prätentiöse Gitarren wetteifern mit einem voluminösem Bass (ich glaube, ich hatte noch nie so viele Umlaute in einer Rezension!). Das ist eigentlich ganz nett, aber eben doch nur Fast Food.

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Die Nuts: Selber

Auf Schleichwegen hat sich da etwas entwickelt, was man wohl die „Bayerische Schule“ nennen könnte (Stichwort: FSK, Jeep Beat Orchestra). Nicht nur die Hamburger wissen, wie man eine Gitarre hält und politisch/persönliche Nabelschau betreibt.

Mir sind momentan die Münchener und Altöttinger lieber als die echten respektive aus Ostwestfalen importierten Nordlichter, wobei ich auf gar keinen Fall irgend welche dämlichen Nord-Süd-Lokalpatrioten-Streitereien fördern oder gutheißen möchte (ja, auch ich verachte den FC Bayern, aber eigentlich ist St. Pauli doch auch nur ein Langweilerklub).

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Gallon Drunk – Two Clear Eyes

Alte angelsächsische Schule und trotzdem kein Brit-Pop. Aber dennoch Pop, irgendwie. Eine Art Psycho-Pop, der sich aus Tremolo-Gitarre, flirrender Orgel und rasendem dünnen Mann am Mikrofon speist – bei Gallon Drunk noch erweitert um gelegentliche Bläser- und Maracaseinsätze (das sind diese kleinen handlichen Rasseln).

James Johnston und seine Band sind nun auch schon einige Jahre im Rennen und haben sich eigentlich nicht groß verändert. Das ist in diesem Fall ein Kompliment. In Zeiten, wo du auf „Kuschel-Rock 10“ ein Stück von Nick Cave findest, könnten auch Gallon Drunk kommerziell zu Pott kommen. Zu gönnen wär’s ihnen.

Moby – That’s when I reach for my revolver

Strubbelkopf Und wieder mal eine Coverversion, die als Singleauskopplung aus einem Longplayer herhalten muß. Das Original stammt von Mission of Burma aus dem Jahre ’81 und war später Punkrock. Die 96er-Moby-Variante wächst auf als britisches Wimp-Gedaddel und erlebt im Refrain ihr Coming Out als die monströseste Schweinerock-Nummer seit mindestens 96 Wochen. So stumpf und platt wie eine Wand aus Waschbeton. Wie ein Kollege so treffend bemerkte, groovet das kein bißchen – und das ist das Tolle daran!

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Perfect – When Squirrels play chicken

Perfect ist die neue Band von Tommy Stinson, dem ehemaligen Bassisten und Gitarristen der Replacements. Während sich Paul Westerberg, kreativer Kopf der Replacements, auf seinen letzten Soloalben zumindest zaghaft um musikalische Veränderungen bemüht hat, greifen Perfect den Faden auf, den meine Minneapolis-Lieblingsband etwa 1987 freiwillig verloren hat: zwei Gitarren, Bass und Schlagzeug rocken melodisch-rusikal ab. Spielstand auf dieser Vorab-EP zum neuen Album: 4:1 für die Kracher gegen die Balladen. Musik für T-Shirts, dünne Lederarmbänder und eisgekühltes Bier. Im Grunde habe ich eine Schwäche für sowas, aber mehr als gute Kneipenmusik ist das nun auch nicht.

Spacehog – In The Meantime

„In the meantime“ ist ein Stück, das alles hat, was ein Mega-Hit braucht, oder um genau zu sein: Was ein Glam-Rock-Hit braucht. Stadionrock, wie er scheußlich-schöner gar nicht sein kann. Zur Zeit mein peinlichstes Lieblingsstück.

Spacehog kennen den frühen David Bowie sehr genau, der Gesang erinnert streckenweise an Axl Rose und die Melodien im Refrain gehören eigentlich in ein Lehrbuch … Titel: Der Ohrwurm-Overkill.

Sollten Spacehog keinen kommerziellen Erfolg haben, dann stimmt etwas mit ihrem Management nicht. Oder mit mir.

Ministry – Lay Lady Lay

Ganz genau, exakt dieses „Lay Lady Lay“, an das Ihr jetzt auch denkt: Bob Dylan in den Händen von Ministry. Eine seltsam zurückhaltende Version des Klassikers, nicht schlecht, aber auch nicht aufregend.

Würde ich die Single im Radio hören, würde ich bestimmt nicht ausdrehen, vielleicht sogar ein klein wenig lauter stellen. Aber im Radio läuft das Stück nicht. Hätte ich die Scheibe ständig zuhause, würde ich sie allerdings auch nicht auflegen, d.h. irgendwie ist hier alles verquer.

Die restlichen Stücke auf dieser CD-Single sind übrigens ein Non-LP-Track von 94 bzw. eine Live-Aufnahme vom 92er Lollapalooza Festival.

Fun Lovin‘ Criminals – Scooby Snacks

From the head down to the toe: Superposer.

Sie hätten das Titelstück dieser 2-Track-Single noch nicht mal mit einer Szene aus Pulp Fiction einleiten müssen, die Verbindung wäre auch so offensichtlich gewesen. Leute, die sich für cool halten, entprechend hippe Musik machen (in diesem Fall: entspanntes Rumrocken und Rumgrooven, ein bißchen rappen, Surf-Tremolo-Gitarre) und ganz sicher auch etwas vom Coolsein verstehen. Aber the real stuff ist das natürlich nicht.

An der Cleverness gescheitert oder: Du kannst auch Urge Overkill zu ihnen sagen.

Barkmarket – Visible Cow

Klingt am Anfang ein bißchen nach Beck, eine nölende Stimme begleitet von einer typischen Verlierer-Slidegitarre. Aber dann kommen sie doch, die harten Gitarren: exakt nach 1:07 Minuten kracht es derart aus den Boxen, daß dieses Erlebnis den Preis der CD-Single schon wert sein kann. Für zärtere Gemüter allerdings nicht, denn insgesamt kommen die beiden Songs auf dieser Scheibe schon ziemlich muskelmäßig rüber. Gute, harte Musik. Bin gespannt aufs Album.

Ryker’s – Hunting Season

Mir ist es ja nicht aufgefallen, aber einem guten Freund: „Hunting Season“ ist wie eine Bastelanleitung für den geschmackssicheren Hardcore-Song. Abgestoppte Gitarren, die Double-Bassdrum, der heisere Brüllgesang, immer schön wechseln vom langsamen Mosh-Part zum schnellen Abgeh-Teil. Routiniert und erprobt, aber nicht sehr kreativ.

Der Rest ist – nicht Schweigen, sondern Punkrock. Zwei kurze Non-Album-Bonus-Tracks, die mir besser gefallen als die Single. Allerdings sind die wirklich so kurz, daß sie als Kaufempfehlung für diese CD-Single auch nicht taugen.