Christian Bruhn

Was hat dieser Mann nicht alles komponiert: Schlager wie Marmor, Stein und Eisen bricht, Zwei Kleine Italiener, Liebeskummer lohnt sich nicht, Wärst du doch in Düsseldorf geblieben, oder Ein bisschen Spaß muß sein; TV-Musiken wie Heidi, Timm Thaler, Hey, Hey Wickie oder Captain Future ja selbst Werbemelodien wie die von Milkas zartester Versuchung.

Professor Christian Bruhn wird heute 70 Jahre alt. Ein schöner Anlass für ein kleines Interview. Damm damm:

Wenn die Flöße den Fluß hinunter fahrn…

„Glück und Glas, wie leicht bricht das. Brot und Salz, Gott erhalt´s. Gleich und gleich gesellt sich gern.“

Zum Warmwerden brummt Christian Bruhn Sprichwörter vor sich hin.

„Weil schon so viele Leute gekommen sind und gesagt haben: Wissen Sie, Herr Bruhn, ´Marmor, Stein und Eisen bricht´ ist ja falsch! Ich sag darauf: Dann singen sie doch ´brechen´! (lacht) Und dann geb ich diese Beispiele. Der Volksmund hat sich das so zurechtgeschliffen.“

Christian Bruhn, der Mann, der hier so locker mit der deutschen Grammatik umgeht ist seit über 40 Jahren äußerst erfolgreich als Schlager-, Film- und Werbekomponist. Die Zahl seiner Hits ist Legion und die Zeit dieses Interviews reicht nicht aus, um auch nur einen Bruchteil seines Werkes abzuhandeln. Aber an Drafi Deutschers bekanntestem Hit kommt man einfach nicht vorbei:

Bruhn: Der Drafi kam in den Verlag und spielte das erste Thema an: Klong-Klong-Klong, mit der Gitarre, und singt: „Damm damm.“ Ich sag: „Drafi, das fängt ja fantastisch an, wie geht denn das weiter?“ Sagt Drafi zu mir: „Det machst du!“ Und det hab ick dann auch gemacht, ne?

Hinternet: Die Geburtsstunde von „Marmor, Stein und Eisen bricht“! Der musikalische Anfang war gemacht.

Bruhn: Mit dabei war noch der Texter Günter Loose, von mir der Ideen-Loose genannt. Wir haben lange gesucht nach der Zeile. Peter Meisel, der Verleger, sagte: „Da musst du was mit Stahl und Stein und Beton und Mörtel und was-weiß-ich machen“. Und schließlich sagte ich: „Wenn euch gar nichts einfällt, dann machen wir doch ´Marmor, Stein und Eisen bricht´.“ Das ist ein alter Albumvers, den gab es schon. „…aber treue Liebe nicht“, so endete der damals. Ich war der einzige, der ihn kannte.

Hinternet: Ist das bei all Ihren Liedern so, dass der Text nach der Musik kommt?

Bruhn: Nein, ich mag es lieber, wenn die Zeile zuerst da ist. Dann fällt mir sofort eine zweite Zeile ein. Wie bei „Liebeskummer lohnt sich nicht“, da ist mir gleich „schade um die Tränen in der Nacht“ eingefallen. Wenn die Musik zuerst da ist, muss man mühsam nach der Zeile suchen.

Hinternet: Sind sie immer einverstanden mit den Geschichten, die die Lieder durch den Text erzählen?

Bruhn: Es gibt kein Lied, wo ich nicht voll hinter dem Text stehe. Ich hab sogar mal einen ganz fertigen Text von Hans Bradtke bekommen: „Ein bisschen Goethe, ein bisschen Bonaparte“. Das ging auch. Er hat sich allerdings fürchterlich gewundert, dass das so reibungslos in Musik zu setzen war.

Hinternet: Was macht für Sie ein gutes Lied aus?

Bruhn: Ein gutes Lied? Sie meinen eine gute Produktion. Heutzutage ist ja die Darlegung eines Liedes der Tonträger, bis es sich dann verselbständigt. Zunächst eben die Idee, eine gute Melodie, ein gutes Arrangement. Egal, ob für lebendige, brennbare und schmelzende Instrumente oder für Synthesizer. Kann man teilweise ja auch nicht mehr unterscheiden, wenn man sie richtig behandelt. Dann die gute Produktion, der gute Sänger, die gute Sängerin. Mit Herzblut! Und eine gute Abmischung. Dann entscheidet sich, wie gut das Lied ist: ob es sich ein Jahr, fünf Jahre, zehn Jahre oder sogar 40 Jahre hält, wie einige von mir. (lacht)

Hinternet: Wie kommt es, dass manche Songs zu Evergreens werden?

Bruhn: Das wissen wir selbst nicht. Charles Mingus sagt: Die Melodie kommt vom lieben Gott. Ich bin derselben Meinung. Warum nun gewisse Lieder sich dauerhaft halten, wie „La Paloma“ über 150 Jahre, und andere sind nach sechs Monaten vergessen? Da steckt man nicht drin. Das ist, glaub ich, Glück.

Hinternet: Sie haben das Glück aber auch oft selbst in die Hand genommen. Denn Sie waren schon Anfang der 60er ein sogenannter „Independent Producer“.

Bruhn: Ja, das muss man sich so vorstellen, als wenn der Bühnen-Schriftsteller gleichzeitig auch Regisseur ist. Dann kommt am besten raus, was man haben will. Wenn es jemand anderes macht, kann es sein, dass ein anderer auch ein anderes Arrangement schreibt, mit dem man nicht so glücklich ist. Vielleicht wird auch nicht ganz so viel Herzblut verwendet. Es gab immer wunderbare Sachen, die andere für mich produziert haben. Aber Peter Meisel und ich, die beiden ersten unabhängigen Producer in Deutschland, haben gesagt, wir machen das lieber selber, dann wissen wir´s ganz genau. Und wenn wir´s falsch machen, dann sind wir selber schuld. (lacht)

Hinternet: Wieso kommen die großen Unterhaltungs-Komponisten und Bandleder immer vom Jazz? Auch sie sind bis Ende der 50er als Pianist mit Jazzbands getingelt.

Bruhn: Der Jazz groovt, der Jazz swingt. Und ob Pop oder Schlager, sogar ein volkstümliches Lied sollte swingen. Es sollte eine bestimmte treibende Art haben. Ich hab noch ein klassisches Musikstudium, aber wenn man zusätzlich Jazz gemacht hat, ist das sehr hilfreich.

Hinternet: Sie haben durch ihre Lieder und Produktionen ganze Künstlerkarrieren mitbestimmt. Drafi Deutscher, Manuela, Mireille Mathieu, Katja Ebstein, Gitti und Erika… Sie haben auch am Image der Künstler mitgewirkt.

Bruhn: Man muss als Produzent dem Künstler nicht nur tief in die Augen schauen, was bei mir ja mehrfach geschehen ist, sondern man muss auch seine typischen Fähigkeiten erkennen. Gitti und Erika wollten eigentlich Schlager singen. Dann haben sie mal gejodelt, und ich sagte: „Ach, jodeln könnt ihr auch.“ Als dann der Auftrag für Heidi kam, ist dieses Lied mit dem Jodler entstanden und war der Durchbruch für die Mädchen. Aber man kann einen Künstler nicht in eine Linie zwingen, die ihm nicht liegt. Das muss zusammenkommen. Bei Katja war es immer etwas sehr Bedeutendes, das in den Liedern liegen musste. Bei der Mireille sind es die wunderbaren französischen Lieder, die wir aus der gallischen Kiste ausgepackt haben.

Hinternet: Und Manuela haben Sie mit diesem merkwürdigen Akzent ausgestattet.

Bruhn: Manuela hatte sich vorher schon einen eigenen Akzent zugelegt, der war genau wie bei Connie Francis. Wir haben ihr gesagt: „Nein, das ist zu ähnlich“, und haben ihn behutsam umgeformt. Auch bei Drafi Deutscher haben wir gesagt: „Sing ein bisschen fremdländisch, das kommt in Deutschland besser an.“

Hinternet: Sie haben sich aber auch manchmal über Erwartungen hinweggesetzt. Mit der Titelmelodie von „Heidi“ zum Beispiel saßen sie musikalisch zwischen den Stühlen.

Bruhn: Ja, bei Sendungen wie den „Lustigen Musikanten“ durften keine Streicher spielen. Bei „Heidi“ spielen aber Streicher, weil es zum Film passt. Und in der „Hitparade“ durfte nicht gejodelt werden. Deshalb hatten Gitti und Erika kaum Fernsehsehauftritte mit dem Lied. Es hat aber nicht gehindert. Die Dummheit anderer – was geht’s mich an? (lacht)

Hinternet: Welches Ihrer eigenen Lieder mögen Sie am liebsten?

Bruhn: „Meine Welt ist die Musik“ von Mireille Mathieu. Weil es eben so schön ist, mit den Streichern. Und weil die Mathieu es göttlich singt. Dazu kommen noch an meinen Lieblingsbabys „Winter in Kanada“, von Elisa Gabbai gesungen. Und „Er ist wieder da“, gesungen von Marion Maerz. Aber letztendlich ist es so, dass immer das jüngste Baby das liebste ist.

Hinternet: Was ist denn Ihr jüngstes Baby?

Bruhn: Ich hab gerade ein Musical fertig: „Wickie“, nach der bekannten Titelmusik. Dann mach ich ein Musical für Erwachsene mit einem bedeutenden deutschen Bühnenautor, dessen Namen ich hier noch verschweige, weil er das möchte, bis es fertig ist. Und ich hab grad ein Album mit frechen Kinderliedern gemacht. Ich mach alles, was mich nicht stresst. Bei Fernseh-Illustrationsmusik muss ich warten, ob man mir noch einen Auftrag gibt oder nicht.

Hinternet: Sollte man unbedingt, denn Ihre Fernsehmusiken sind legendär. Von „Heidi“ über „Wickie“, „Silas“ und die „Wicherts von Nebenan“ bis zu „Timm Thaler“. Die hat dieses furchtbar traurige Titelmotiv…

Bruhn: Na, das ist ja auch traurig, wenn jemand sein Lachen verkauft. Das Thema fiel mir ein, als wir am Schneidetisch saßen. Der Regisseur, die Cutterin und ich. Wir schauten die erste Folge an, und als das Flugzeug von Timms Vater hinterm Wald abstürzte, da hab ich mir dieses Thema aufgeschrieben. Auf Papier, am Schneidetisch. Man braucht nicht unbedingt ein Klavier zum Komponieren. Ich schreib mir oft, wenn ich einen Text kriege, so kleine Kritzelnoten daneben. Mit Regisseur Siggi Rothemund hab ich dann noch viele schöne Fernsehserien gemacht. Und die Musiken erscheinen jetzt auf CD. Eigenhändig von mir digitalisiert und nicht so schlampig wie auf den DVDs, wo es so dumpf klingt. Ich hab ja früher immer den Fans, die mir schrieben „Wo krieg ich denn die Musik für ´Jack Holborn´ oder ´Manni, der Libero´ her?“ immer gesagt: „Schickt mir einen frankierten Briefumschlag und einen Rohling, dann brenn ich euch das.“ Und diesen Fanservice muss ich jetzt nicht mehr machen.

Hinternet: Vor der Musik von “Captain Future” liegen die Fans ja regelrecht auf den Knien.

Bruhn: Da freu ich mich sehr drüber. Aber das ist kein Lied, das man im Bierzelt singt oder das von Kapellen gespielt wird. Das ist eine völlig andere Richtung. Viele sagen: „Was, der Bruhn hat das gemacht? Der ist doch viel zu alt, um solche Musik zu machen!“ (lacht) Nee, nee. Als Komponist bleibt man viel jünger als vergleichbare Altersstufen. Ich fühl mich echt nicht so wie 70.

Hinternet: Was ist die schönste Situation, in der sie je eines Ihrer Lieder gehört haben?

Bruhn: Ich wohn in München ganz dicht an der Isar. Und wenn die Flöße mit den Kapellen drauf kommen und „Marmor, Stein und Eisen bricht“ oder „Adelheid, Adelheid, schenk mir einen Gartenzwerg“ spielen, dann ist das schön. Weil es völlig freiwillig ist. Die wissen ja nicht, dass ich oben stehe und zuhöre.

* * *

Nachtrag: Lieblingslied Nr.2 „Winter in Kanada“:
Da war die Zeile zuerst da, und dann hab ich mich ans Klavier gesetzt. Der Texter Georg Buschor war dabei, und dann haben wir diese Geschichte erfunden: dass es zunächst glücklich ist, also eine glückliche Liebe im Winter. Und dann kommt der Tonartwechsel. Der dritte Vers geht in Moll statt in Dur. Tonartwechsel macht man meist, um Lieder spannender zu machen. Gut, „Zwei kleine Italiener“ hat keinen Tonartwechsel, hat auch nicht geschadet. Aber „Winter in Kanada“ wechselt von Dur nach Moll, und dann wird es arg traurig. Es ist halt eine schöne Geschichte.

Lieblingslied Nr 3 „Er ist wieder da“:
Das ist spannend! Das hat das typische laut-leise. Vielmehr erst leise, dann laut. Es fängt leise an, und dann kommt Donk- Donk-Donk-Donk, „dass er noch nicht bei mir war…“ Also eine spannende Ablösung. Marion singt es ganz wunderbar. Und dann diese Bassfigur, diese Marke, die auch ziemlich originell war. Das kommt eben alles zusammen.

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