Faithless: Sunday 8pm

Für Bands wie Faithless hab ich immer Hammer und Meißel neben dem CD-Player liegen, denn ihre Produkte sind dem Gerät nur schwer wieder zu entreißen, nachdem sie mit meinem Ohr eine perfekte Symbiose eingegangen sind. Nun, an die neue Faithless mußte ich mich erst etwas gewöhnen, denn im Gegensatz zum ziemlich heterogenen Debüt-Album mit seinen griffigen, härteren Songs ist „Sunday 8 pm“ mehr was fürs Chill Out oder für schummrigen Stehblues.

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Soundtrack: Lola rennt

Wer den Film gesehen hat, weiß, was Sache ist: Thema mit Variationen. Das ist das Prinzip der Geschichte und infolgedessen auch der Musik. Auch die vielen Remixe sind folgerichtiges Produkt dieser Philosophie. Regisseur Tom Tykwer hat die Sache selbst in die Hand genommen, was nie schaden kann, und sich mit den 80er-Veteranen Reinhold Heil (Ex-Spliff) und Johnny Klimek (Ex-The Other Ones) tatkräftige Unterstützung ans Mischpult geholt. Rausgekommen ist ein originelles Techno-Kraftpaket mit knüppelharten Beats und einem Wust greller Synthie-Sounds. Sphärig wabernd, aber straff geführt wummern sich die Aggresso-Songs bis ins Mark.

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Gonzalo Martinez and his Thinking Congas: s/t

Als ich unlängst über ein Defizit an Latino-Klängen auf dem hiesigen Musikmarkt jammerte, dachte ich dabei weniger an Musik wie diese: Easy Listening aus lateinamerikanischen Billiglohnländern. Auch die Keyboarder-Gewerkschaften, ohnehin durch den Schwund an zahlenden Mitgliedern in die Krise geraten, klagen an. Aber nun gut. Kennt noch jemand die kleinen Spielzeug-Synthie-Computer mit den blinkenden Farbfeldern, wo man entweder vorgeblinkte Melodien nachspielen mußte oder selbst welche eingeben konnte? Do-it-yourself-Casios und -Moogs, die offenbar heute noch Gonzalo Martinez und seinen denkenden Congas gute Dienste leisten.

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Desert Boot: Craving

Die Trüffelschweine des Labels „Blue Rose“ schnüffeln auch down under, und dort haben sie Desert Boot ausfindig gemacht, eine Art australischer Walkabouts. Ich hab nicht gewußt, wie kerzengrade sich Härchen bei ´ner Gänsehaut stellen können – bis ich Desert Boot hörte! Sie praktizieren einen zeitlupenmäßigen bis getragenen, ruhigen Rock mit warmen Gitarren, dezenten Piano- und Hammondorgel-Untermalung und sparsamen Drums. Und dann noch diese Sängerin Rebecca Hancock mit der wunderbar klaren, ausdrucksstarken, einfühlsamen Stimme. Schwärm… Natürlich hat da auch Freund „Hall“ im Studio etwas nachgeholfen, doch das ist gut so! Unendliche Weiten tun sich da auf, rund ums Lagerfeuer…

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Farmer Not So John: Receiver

Es ist, als hätte Biolek gekocht: auf dem Speiseplan steht bewährte Hausmannskost, die aber so gekonnt zubereitet wird, daß sich Haute-Cuisine-Köche nur noch verlegen am Kopf kratzen. Ein Blick aufs Label genügt, um zu wissen, was Sache ist: „Blue Rose“ veröffentlicht stets traditionellen, aber glasklar produzierten Stoff – vom klassischen Singer-Songwriter über Rockiges bis hin zu Country&Western.

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Matthias Opdenhövel: Die Schnellficker-Schuhe

Sie halten Matthias Opdenhövel für eine Knalltüte (ja, Red), hatten aber gehofft, in seinem Buch das ein oder andere Detail über VIVA-Inside zu erfahren? Pech gehabt! Jede halbstündige Führung durch die VIVA-Studios ist aufschlußreicher als Opdenhövels pubertäre Selbstbeweihräucherung. Der Mann erlebt die Geburt des ersten deutschen Musikkanals mit, reist für VIVA mit Atomgegnern zum Mururoa-Atoll, trifft U2, Kylie Minogue, die Toten Hosen und dergleichen mehr, aber hängengeblieben sind nur banale Details: VIVA-Pratikanten kommen nur zum Promo-CDs-Schnorren, auf den Fidschis verknallt sich ein Schwuler in Opdenhövel, und mit Bono versteht er sich so gut, dass ihm nach dem Interview sogar ein Tisch im Restaurant von Bonos Bruder reserviert wird.

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Duffy – I love my friends

So kanns gehn: da ist man Frontman einer der zugkräftigsten Bands der 80er, aber schon wieder draußen, noch bevors richtig losgeht. Stephen Tin Tin Duffy war in der Pop-Geschichtsschreibung bislang kaum mehr als eine Fußnote in der Duran Duran-Story. Einzig 1985 konnte er auch mal selbst smashen mit einem Song namens „Kiss me“. Der traurige Verlauf einer typischen One-Hit-Wonder-Karriere? Mitnichten!

Zwar ward Duffy, der sich selbst als „kreatives Stehaufmännchen“ bezeichnet, seither nicht mehr in den Charts gesehen, aber von der Musik konnte er gottlob nie lassen.

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The Tragically Hip: Phantom Power

In letzter Zeit verleihe ich gerne Auszeichnungen: hierfür gibt´s zumindest ein silbernes Sportabzeichen. Spröder Schrammel-Rock mit klagender Eddie-Ich-trag-das-ganze-Leid-der-Welt-auf-meinen-Schultern-Vedder-Stimme. Ein bißchen versponnen, ein bißchen versunken: eine CD für kontemplative Stunden, wenn die Tanke zu hat, der Fluppenautomat klemmt oder die Nudeln verkocht sind.

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Jack: The Jazz Age

Nur ein Gedankenspiel: man stelle sich mal vor, die Smiths zögen in den Buckingham Palace ein – die wären sicher die längste Zeit in labbrigen Jackets und Flanellhemden rumgelaufen! Fortan trügen sie nur noch Zobel, feinsten Damast und Brüsseler Spitze, ihre goldenen Schnabelschuhe hätten diamantbesetzte Bommel, und statt Zwieback im Stehen gäbs goldbestäubte Ham and Eggs, serviert von livrierten Dienern… So ungefähr, nämlich wie eine Independent-Combo mit königlichem Habitus, klingen Jack auf ihrem Zweitling „The Jazz Age“. Cineasten würden sagen: „Großes Kino“ – wie aber nennt man ein opulentes Gitarren-plus-Streicher-Meisterwerk der Popmusik? Egal, dieses Album ist eines von denen, für die man ruhig mal einen Flieger stehenlassen oder die eigene Hochzeit verpassen kann: really gorgious, simply irresistible!!!

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Calexico: The Black Light

Arriba, arriba, arriba! Jetzt ruf ich ungefähr zum dritten Mal in diesem Jahr DIE Platte des Sommers aus (aber das merkt bis auf meinen Chefredakteur bestimmt sowieso keiner…).

Der Name läßt vermuten, daß wir uns im Dunstkreis der Estados Unidos Mexicanos bewegen. Sollte man meinen, aber schwer gefehlt! Calexico ist ein Kaff in Kalifornien, hinter dem Projekt stecken zwei Typen der US-Indie-Combo Giant Sand (John Convertino und Joey Burns), und die CD wurde in Tuscon/Arizona eingespielt!!! Aber wer Tacos und Sombrero schon griffbereit hat, braucht sich nicht zu grämen: hier gibt´s fast eine Stunde Tex-Mex vom Feinsten!!! Ich bin sowieso total süchtig nach dem Zeug und meistens so ausgehungert nach Latino-Sound, daß ich sogar Gloria Estefan mit Kußhand nehm. Die Ankunft von Calexico ist da wie Weihnachten und Geburtstag zusammen. Allein die Auflistung der Instrumente liest sich wie ein Wunschzettel: schmetternde Mariachi-Trompeten, scheppernde Banjos, Rumbahölzchen, Pedal steel guitars, Marimba- und Vibraphon, Glockenspiel, Rasseln, Akkordeon, Geigen und Thunder drums. Also, wenn einem da nicht schon das Wasser im Munde zusammenläuft oder so ähnlich…

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Die Aeronauten – Honolulu

Wenn die Aeronauten ins Studio geh´n, schütteln alle Bandmitglieder wahrscheinlich nur mal kurz die Ärmel, und das war´s. Richtiger Low-Fi-Sound muß eben klingen wie ein Schuß aus der Hüfte. Jedenfalls wirken Aeronauten-Werke immer, als wären sie grad im Vorbeigehen eingespielt. Aber das ist mit Sicherheit nicht der Fall, denn aus zahlreichen Interviews mit Eiskunstläufern und Zirkusclowns weiß man ja, daß gerade „die einfachen Sachen“ die schwersten sind!

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Elliott Smith: Either/or

Wie wurden wir Anfang der 80er vom britischen Pop-Duo ABC belehrt? Don´t judge a book by its cover! Diese Weisheit half mir jüngst, die Überraschung zu verarbeiten, die mir ein 28jähriger Sänger-Gitarrist aus Portland/Oregon bereitete: Elliott Smith. Eifrige Kinogänger und Oscar-Verleihung-Gucker kennen ihn im Zusammenhang mit dem Film „Good Will Hunting“, und sie hätte es sicher nicht ganz so kalt erwischt wie mich.

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Fredric Dannen: Hit Men

Fast eine Dekade mußte vergehen, bis Fredric Dannens „Hit Men“ (Originalausgabe 1990) in Deutschland erschien. Warum eigentlich? Nicht nur, dass die Beschreibungen der weltgrößten Tonträgerbranche auch in der drittgrößten interessieren dürften – selbst die Hauptdarsteller, also die marktführenden US-Labels, sind naturgemäß Global Players, und zwar schon lange, bevor der Begriff in Mode kam. Namen wie CBS, Warner, Atlantic und Geffen sind hüben wie drüben vertraut. Ebenso Interpreten wie Pink Floyd, Michael Jackson, Whitney Houston… Allerdings, das sei vorausgeschickt: sie tauchen nur gelegentlich auf, spielen höchstens an der Peripherie eine Rolle. Nicht musikalische Innovationen und kreatives Potential, sondern Zufälle, technische Neuerungen und Börseneinbrüche bestimmen, wo´s langgeht in der „Musik“. Der Leser, unter Schock stehend, betrachtet seinen Plattenschrank erstmal mißtrauisch, verwirrt, verunsichert. All die Alben – nicht kultureller Ausdruck ihrer Zeit, sondern willkürlich auf den Markt geworfene Spielzeuge von Männern, die keine Tonhöhen unterscheiden können?

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Hefner: Breaking God’s Heart

Schnell einen Earl Grey und ein Blaubeer-Muffin! Das ist die CD dieses Sommers, dieses verregneten, kalten Sommers! Menschen von der Insel kennen ihn – Menschen von der britischen Insel, nicht von Mallorca oder Capri oder so.
Das Trio „Hefner“ hat in Glasgow ein herrlich schrammeliges – ja man mag das Wort schon gar nicht mehr in den Mund nehmen, und doch: – Brit-Pop-Album eingespielt, das allein schon für den Titel eine Auszeichnung verdient. (Gott selbst lächelt darüber wahrscheinlich nur müde, zu oft wurde sein Herz schon gebrochen, und das auf wesentlich uncharmantere Weise, als Hefner es hier tun.)

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Music For Gracious Living

Lange nicht mehr ein solch amüsantes Stündchen gehabt wie mit dem musikalischen Schaufenster der „Q. D. K. Media“, welch obskure Gemeinschaft sich auch immer dahinter verbergen mag!

Im Kielwasser der Titanic sind Soundtracks zur Zeit ein heißdiskutiertes Thema, und auch dieser Sampler leistet einen nicht zu unterschätzenden Beitrag dazu. Ein Großteil der Songs ist filmischen Meisterwerken von Russ Meyer entnommen (also Streifen mit leicht bekleideten Damen, die das Wenige dafür um so gewissenhafter ausfüllen), aber auch Klassikern mit Betty Page (Pin-Up-Queen der 50er), dem Muppet-Splatter-Movie (!) „Meet the Feebles“ und Produktionen mit solch einladenden Titeln wie „Braindead“ oder „Henry, portrait of a serial killer“…

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IFA Wartburg: Im Dienste des Sozialismus

Mit Musik wie dieser grooven sich linksradikale Kräfte und Jungstalinisten wie ich („IM Kolumne“) auf die – zum Zeitpunkt der Rezension noch bevorstehenden – Bundestagswahlen ein. Von Wladiwostok bis Berlin-Marzahn tanzt man zu Liedern wie „Frau Gorbatschowa tanzt Bossanova“, „Es ist nicht so schlimm auf der Insel Krim“, „Zur Konferenz in Rostock“, „Der alte böse Kapitalismus“ oder „Hallo, guter Kommunist“. Das Grußwort am Anfang spricht Genosse Ulbricht: „Ist es denn wirklich so, daß wir jeden Dreck, der vom Westen kommt, nun kopieren müssen? Ich denke, Genossen, mit der Monotonie des YehYehYeh und wie das alles heißt, sollte man doch Schluß machen!“ Den Rest kennen wir alle…

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Continental Drifters: Vermilion

Wo „Blue Rose“ draufsteht, kann nur brillanter Traditions-Rock drin sein. Diesmal hat das Label eine Art „Zweitliga-Supergroup“ (kommt der „zweitbesten Band der Welt“ bei den Simpsons recht nahe) unter Vertrag genommen: unter den sechs Mitgliedern der Continental Drifters befindet sich u. a. Vickie Peterson (Ex-Bangles), Peter Holsapple (Ex-dBs und stiller fünfter Mann bei REM), Marc Walton (Ex-Dream Syndicate) und Susan Cowsill (Ex-Cowsills)!

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Fischmob: Power

Der Sommer groovt aus allen Poren, und den Soundtrack dazu liefern heuer Fischmob, deren Namen man sich mal in seinen Einzelteilen auf der Zunge zergehen lassen muß: Cosmic DJ, der Schreckliche Sven, Stachy (sprich: Stachi) und Koze (sprich: Kotze). Auswendig lernen und dreimal täglich vor den Mahlzeiten aufsagen!
Engel können fliegen, weil sie sich leicht nehmen, alle anderen (Menschen, Nashörner, Elefanten etc.) müssen leider unten bleiben. So ähnlich ist das auch mit Hip Hop vs. Rap: während letzterer ausgeprägte Bodenhaftung aufweist, kommt ersterer beschwingt auf kleinen Luftkissen daher und steigt auf in schwindelnde Höhen über den Wolken, wo die Freiheit mutmaßlich grenzenlos ist.

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