Monaco, Grand Prix, NRW

„In Monaco ist alles gut organisiert, und sicherlich – wenn gleich die Gedenkminute beginnt – wird man nicht nur hier, sondern auf der ganzen Welt des verstorbenen Fürsten gedenken.“ Ich überlege, ob Kai Ebel die Relevanz der schillernden Grimaldi-Familie nicht ein klein wenig überschätzt. Aber, hey: davon lass ich mir das herrliche TV-Wochenende doch nicht verderben. Erstmal bin ich beeindruckt: die Gedenkminute beginnt, und wer in Monaco (und auf der ganzen Welt) keine hässliche Schirmmütze abnehmen kann, der zieht sich pietätvoll die verspiegelte Sonnenbrille vom Gesicht. Das hat Style.

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Älterwerden, wieder mal…

„Man ist so alt, wie man sich fühlt. Und außerdem lass ich mir nicht vorschreiben, wann ich reif genug für welche Literatur bin“, erkläre ich dem Chefredakteur in der Bahnhofsbuchhandlung und kaufe „BRIGITTE Woman“. Die Zeitschrift für die Frau ab 40.

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Bonn

„Politgroupie“, spottet der Chefredakteur, als ich vor dem Stahlzaun stehe und den Flachbau betrachte. Zwei Flachbauten, genauer gesagt. Ein großer, weiter hinten. Und ein kleiner, weiter vorn. Eher eine Art Pförtnerhaus, in dem immer noch Herren über das Rolltor wachen, das den Weg zu den zwei schwarzen Klötzen freigeben soll. In meinem Kopf schwirrt ein ganz anderes Wort. Das einzige, das einem an diesem Ort, vor diesen Klötzen und dem Zaun stehend, einfallen kann: Krisenstab. Mit vielen I´s: Kriiiiiiiiiiiiiiiisenstab. Hier hat er getagt, im heißen Herbst 1977, zwischen Zigarettenschwaden und Cola-Gebizzel. Denn dies hier ist das alte Kanzleramt. In Bonn am Rhein.

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Olivia

Bisher war´s meine Lisa Simpson-Tasse, die mir an Tagen des Grauens die nötige Frauenpower gab. Seit neuestem ist der Name „Olivia“ dazugekommen. Mein innerer Bund mit einem grimmigen Schweinemädchen, das den Kopf voller Ideen hat und nie verzagt, lässt die schlimmsten Tücken schon nicht mehr ganz so mächtig erscheinen. Ich identifiziere mich mit einem Schwein mit zu großem Kopf und spirreligen, krummen Haxen. Himmel, hilf!

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Ocean´s Twelve

Hoffentlich gibt´s kein Ocean´s Thirteen. Ich hab schon Ocean´s Twelve nicht mehr kapiert. Ständig neue Finten, und alle zwei Minuten ist nichts mehr, wie man noch vorher glaubte. Naja, ich hab mich seit „Wild things“ dran gewöhnt. Und hab trotzdem meinen Spaß. Wie, weiß ich auch nicht. Das einzige, was mich echt an den Film gestört hat, waren die eingeblendeten Schriftzüge. Die sahen aus, wie von Kindern mit magnetischen Plastikbuchstaben gelegt. Da hätte ein bisschen Style echt gut getan.

Brigittehoroskop

Ich glaub, ich bin vertauscht worden. Sternzeichen-vertauscht. Weiß auch nicht, wie das gehen soll. Aber nachdem ich das Jahreshoroskop der Zwillinge 2005 in der Brigitte gelesen hab, weiß ich, dass ich einfach kein Zwilling sein kann. Zwillinge seien total spontan, und ihr Haus stünde jederzeit für Besuch offen. Und Zwillinge seien unfähig, sich selbst zum Thema zu machen. Weshalb sie hervorragende Reporter und Berichterstatter sind. Aha. Ich sollte das am besten mal recherchieren: wie genau ich vertauscht wurde. Oder wann genau mein Haus spontan für Besuch offen steht.

Frl. Katjas Nähkästchen, Folge 29

Folge XXIX: Zum Tod von Chlodwig Poth

Katjas Schreibmaschine?Das war ein schneller, erfolgreicher Beutezug. Anders als die mäandernde Pfarr-Suche. Kurs aufs Bücherregal, dann anpeilen und, zack, zuschlagen. Eine kleine Poth-Bibliothek konnte ich ausheben. Allein bei den Cartoons. Halt, er hat doch auch… ja, hat er: oben, bei der Prosa, sogar noch ein Poth-Roman. Plus im Regal-Parterre: etwas Großes, furchtbar Schweres. Mit den berühmten Wimmelbildern. Was will mir das sagen? Mehrerlei.

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Frl. Katjas Nähkästchen, Folge 28

Folge XXVIII: Zum Tod von Bernd Pfarr

Katjas Schreibmaschine?Klarer Fall von „J´accuse“. Klarer Fall von Einbildung. Ersteres bezieht sich auf die Unverschämtheit, den Tod des besten deutschen Cartoonisten nur kurz zu melden. In der „Kulturzeit“ auf 3sat. Nein, nicht Maronde. (Ich bin doch keine Brigitte-Leserin.) Der Tod von Bernd Pfarr also: letzter Punkt in den „News“. Unverschämtheit. Zweites bezieht sich auf mein Gefühl, die Wohnung müsse voll mit Pfarr-Cartoons sein. Jahrelang hab ich sie aus dem noch früher verblichenen ZEIT-Magazin ausgeschnitten und in Schulhefte geklebt. Aber mit 30 kam plötzlich mein Rappel, das wichtigste Hab und Gut müsse in eine Schuhschachtel passen. Na gut, in eine 60 auf 40 Zentimeter große Schuhschachtel. Und 1,80 m hoch. Weg sind sie.

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Trumpet a gogo

Oh, hier seh ich große Freuden auf mich zukommen: American Patrol, mein geliebtes Delicado, Tico Tico, Wheels, Never on a sunday… Klingt nach einem Melodienregen, der sich gewaschen hat. In Kombination mit dem, was zu den ausgemachten Stärken von James Last gehört: Trompeten in Szene zu setzen!

Und so ist es auch. Das einzige, was hier noch fehlt, ist das „Trompetenecho“. Aber vielleicht gab´s das damals noch nicht. Hier sind jedenfalls jede Menge Lieder drauf, ganz große Melodien, die man so im Unterbewusstsein gespeichert hat, eigentlich aber nie sagen kann, wie sie heißen. Solche Lieder sind oft von Herb Alpert. Oder dem Sir Douglas Quintett. Lieder, wo man erst behauptet: „Kenn ich nicht.“ Und wenn sie dann jemand ansingt: „Ach ja, daaas!“ Manchmal kennt man sie auch, weil man sich vor Jahren mal einen Easy Listening-Sampler gekauft hat namens „Hits in Stereo“, auf dem alle möglichen dieser Sachen im niedlichen 50s-Hammond-Sound drauf sind.

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Humba Humba à gogo


James Last ist wirklich unglaublich. Die Worte „Humba Humba“ dürften so ziemlich zu dem Schrecklichsten, Abstoßendsten gehören, was die deutsche Sprache hervorgebracht hat. Sowas, wo sich alle vorher Handschuhe anziehen. Und niemand mit gesehen werden will. Aber James Last hängt einfach ein „à gogo“ dran – und schon ist das ganze Ding stylish.


Und hätte hier nicht ein Dekor wie auf „Hereinspaziert zur Polka Party“ auf´s Cover gehört? Oder wenigstens eine Flasche Jägermeister? Nein! „Ein Potpourri mit 28 hand- und trinkfesten Stimmungsliedern für die Bottleparty“ ist der Untertitel der Platte. Hand- und trinkfest? Ich will gar nicht weiter drüber nachdenken… Aber so macht das James Last: macht seinen Fans einen Sauf-Soundtrack und spricht von „Bottleparty“. Hier ist kein gewollt modernistischer Aglizismer am Werk, sondern ein Mensch, der echte Lebenshilfe leistet. Er gibt dem Affen Zucker – aber zugleich auch das Gefühl, etwas Besseres zu sein. Eiche rustikal zum letzten Schrei erhoben. Salonfähig gemacht. Hier sind sogar Martinikirschen im Glas! Aufgespießt auf einem kleinen Säbel, damit das Publikum sich trotzdem noch wiedererkennt. Gewusst, wie.

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In Concert 6

James Last Orchestra – In Concert 6, 1976

Ich will ja nichts sagen, aber diese Platte ist eine schlechte Fälschung der „Classics up to date 4“. Wohlmeinendere würden das vielleicht „Wiederveröffentlichung“ nennen. Leicht manipulierte Wiederveröffentlichung.


Das Cover ist bis auf den Schriftzug schon mal identisch. Und hinten muss man dann ein klein bisschen suchen, um die Fehler zu finden. „Rodrigos Concerto“ heisst nun – korrekt – „Concierto d´Aranjuez“. Es ist von der linken auf die rechte Seite gerutscht, hat als einziges Stück eine – Schlamperei – kleinere, fettgedruckte Schrift bekommen und seine Zeitangabe verloren.

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James Last – My way (Doku)

„Ich bin der Bandleader“, sagt der alte Mann zu den jungen, verlegenen Dingern, die sich den Soundtrack anschauen. Der was? „Der Bandleader. Der, der vorne rumhampelt.“ Schrecksekunde bei den Mädels. Jetzt begreifen sie erst, wer da zu ihren Sitzen gekommen ist.

Da dürften sie die einzigen sein, die so lange brauchen. Nicht nur in dem Film von Thomas Schadt. Schließlich ist James Last so bekannt wie ein bunter Hund. Und da sein Konterfei nun nicht gerade selten auf seinen Platten abgebildet war, dürften ihn auf der Straße auch mehr Menschen erkennen als den Bundeskanzler.

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Hammond a gogo 2

Gewöhnungsbedürftig. Ist doch nicht die Hammondorgel, sondern die Trompete das Instrument des James Last-Sounds. Er heißt ja auch nicht Franz Lambert, sondern James Last.

Gebe zu, dass die Platte zugänglicher wird, wenn man sie auf 33 1/3 abspielt. Bin übrigens erst nach zwei Liedern auf die Idee gekommen. Bei Hammond-Orgeln rechnet man ja mit allem… Aber nee. Dieses Waberige, das ist dann doch wirklich nix für James Last. Das klebt wie Kaugummi am Schuh, man kommt einfach nicht hoch. Wo ist der Last-Swing mit den Bläser-Turbinen, der wie ein Jet in die Luft steigt? Hier nicht.

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Polka Party

Oh ja, jetzt, beim zweiten Stück – nach dem eher betulichen Auftakt-„Ständchen“ – groovt sich das Ding schon richtig ein. Heisst ja auch „Trompeten Muckel“. Jaaa! James Last spielt die psychedelischsten Polkas, die ich je gehört habe. Wenn das Bierzelt-Musik ist, dann will man in einem Bierzelt leben! In Wirklichkeit ist das natürlich keine Bierzelt-Musik. Denn Bierzelt-Musiker können in der Regel nicht swingen. Und schon gar nicht so toll blasen, wie die James-Last-Bläser. Das ist einfach super: da wabert der Ton noch, wenn er lange schon geblasen wird. Das geht so wellenförmig. Nicht: Puff = Raus. Nein: der kriegt immer noch mal in den Hintern getreten, der Ton. Auch wenn er denkt, seine Verfolger längst abgeschüttelt zu haben.

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Frl. Katjas Nähkästchen, Folge 27

Urlaubszeit. Lesezeit. Aber nicht, was Ihr denkt: ich mit Buch am Strand. Oh nein. Au contraire: ich hol mir den Strand ins Haus. Auch wieder nicht, wie Ihr denkt, so mit Schippe und Eimer, neenee. Mit Büchern. Unter anderem mit – Merian-Heften! Die müssen für Leute gemacht sein, die nicht verreisen, denn die Karten, die da drin sind, kann man am Urlaubsort gar nicht gebrauchen: viel zu unhandlich. Und ansonsten ist das große Literatur, die ist ja allein schon dadurch definiert, dass sie überzeitlich, mehrdeutig und interpretabel ist. Koordinaten wie Zeit und Raum sind da ganz störend, aber zumindest die Koordinate „Raum“ wär ja für eine gelungene Urlaubsplanung dann doch vonnöten. Und außerdem schreiben da so Leute wie Tom Wolfe oder Susan Sonntag – jedenfalls aus dieser Liga, und da kann man sich schon denken, worauf das hinauslaufen soll.

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Frl. Katjas Nähkästchen, Folge 26

Fragen über Fragen… zum Beispiel: welche Drogen hat James Last genommen, als er seine Polkas einspielte? Meine Güte, war das „das Tier“, das bei ihm in den 70ern getrommelt hat??? Wenn ja, ist es in den Produktionspausen rüber zu Hugo Strasser und hat bei den Samba-Stücken die Triangel geschlagen. Herrjeh, traut man dem alten Tanzrecken gar nicht zu, aber da geht´s wirklich ab. „Indian Reservation“ als Disco-Swing auf einer Schallplatte namens „Die Tanzstunde“. Das dampft nur so vor dreckigem, loderndem Sex. Ehrlich! Andererseits: wollt Ihr mal eine von der Dampfwalze überrollte, absolut synkopenfreie Version von „El condor pasa“ hören? Ist auch drauf.

Ja, ich war einkaufen. Gebrauchte Orchesterplatten aus einer Zeit, als das noch nicht Easy Listening hieß. Und seitdem weiß ich, als was ich gern wiedergeboren würde: als Trompeter bei James Last in seiner Speed-Phase. Oder als der Mann im weißen Anzug, der vorm Orchester steht. Und das ganze Geld kriegt. Lechz.

Ob es Gott war, der James Last erschaffen hat? Derselbe Gott, der auch die Menstruationsbeschwerden geschickt hat? Ich will mal was sagen zum Thema „Gott“ und „Natur“ und all so was: diese Natur, die mit den Menstruationsbeschwerden etc., ist wahrscheinlich an vielen Trennungen und vielleicht sogar Kriegen schuld. Denkt doch mal nach. Und dafür soll ich dankbar sein?

Nö, das überlass ich den Menschen, von denen ich früher schon schrub, dass sie ihr Gehirn am Eingang abgeben: Theologen. Neben den ganzen intellektuellen Flächenbränden, die sie im Religionsunterricht und in ihren Predigten legen, haben sie auch immer noch Oasen der Verdummung im Rundfunk. Nicht nur im „Wort zum Sonntag“, sondern auch in Radio-Beiträgen.

Kleine Dreiminüter, die meistens so anfangen: „Neulich in der U-Bahn…“. Der U-Bahn-fahrende Beobachter ist ein Topos dieses Erbauungs-Geschwurbels!!! Und weil es in kleinen Städten, wie zum Beispiel Saarbrücken, keine U-Bahn gibt, waren diese Landeier immer gerade in Berlin, wo sie mit staunenden Augen U-Bahn gefahren sind.

Und da treffen sie dann zum Beispiel frischgebackene Arbeitslose, welch ein Zufall. Und was machen diese Arbeitslosen? Sie lächeln verzweifelt und zitieren Hiob, der sich ja auch in sein Schicksal gefügt hat. Und was macht der Theologe? Sagt: „Du Idiot, engagier Dich doch mal, geh auf die Straße, guck, ob die Arbeitgeber auch so wenig Geld haben wie Du“? Aber nein. Der Theologe sagt: „Genau. Halt still. Ist alles gottgegeben. Kamma nix machen.“ Super.

Neulich hörte ich einen dieser Radio-Prediger, wie er erklärte, warum Kirchen so prunkvoll ausgestattet sein müssen: „damit der Priester an die Anwesenheit Gottes erinnert wird.“ Ach. Interessant. Ich dachte, das Wissen um die Anwesenheit Gottes wäre sozusagen die Voraussetzung des Priestertums. Offenbar nicht. Außerdem meine ich mich zu erinnern, dass nach der katholischen Lehre Gott überall ist. Also auch in meinem Ikea-Wohnzimmer. Sind es vielleicht doch die Priester, die den Luxus brauchen?? Also, wenn ich Gott wäre, würde ich da mal schnell einen Blitz reinfahren lassen.

In der Logik dieser Rundfunk-Theologen zählt also weder die Logik noch die Lehre. Hier gelten andere Regeln. Die des Unmündighaltens zum Beispiel. Schön, wenn der Sprecher das große Bohei um Pisa, Iglu und Ähnliches rügt. Soviel Aufregung um die Mängel unseres Schulsystems… – ob wir denn gar nicht wüssten, dass man in Lateinamerika Schulgeld zahlen müsste und dass sich viele Eltern das gar nicht leisten können? Neulich, in der U-Bahn in Caracas… Mag ja sein. Ist auch schlimm, das. Darf ich an dieser Stelle noch ein paar Äpfel zum Birnen-Vergleich reichen? Schon mal gehört, dass gerade Pisa wieder deutlich gemacht hat, dass das deutsche Bildungsystem soziale Ungleichheiten reproduziert? Geh doch nach drüben, lieber Theologe, wenn´s dir da besser gefällt und die Leute zuviele Sorgen haben, um sich über dein Gelalle zu ärgern.

So, mal wieder ausgekotzt. Aber der Chefredakteur meint, ich solle hier nicht mit aufklärerischem Gedankengut kommen. Nicht der Kirche.

A propos. Ich war neulich mal auf der Website des Vatikanradios. Da gibt es eine Rubrik namens „Hallo, Herr Pfarrer“. Woanders würde man es FAQ nennen. Denn anklicken konnte man – unter anderem – folgende Fragen: Ist Gott auch da, wo Böses passiert? Hilft Beten gegen den Krieg? Werden Frauen in der katholischen Kirche benachteiligt? Ich hab nicht nachgeschaut, aber ich vermute mal, die Antworten waren: Hmjairgendwieschon. Ja. Nein. Danke.

Frl. Katjas Nähkästchen, Folge 25

Lies doch mal das Bohlen-Buch und schreib was drüber, meint der Chefredakteur. Dir fallen dazu bestimmt noch ein paar nette Sachen aus Deiner Jugend ein. Oh ja. Oooooohhhhh ja!

Schließlich hab ich in jungen Jahren ja nix ausgelassen, wie man so schön sagt. Heisst: natürlich war ich damals Modern Talking-Fan. Und zwar – Hilfe! – bekennender Modern Talking-Fan, was dachtet Ihr denn? Ums kurz zu machen: das Schlimmste aus dieser der Phase war wohl ein fast abgeschicktes Glückwunschpäckchen. Und eine überhöhte Telefonrechnung, die ich der armen Freundin meiner Mutter hinterlassen habe. In deren Wohnung haben wir nämlich damals geurlaubt. Und was heute die 0190er-Nummern sind, das war früher das Bravo-Star-Telefon. Die Anzeige dafür war immer auf Seite 2 unten so in die Ecke geknubbelt abgedruckt. Als hätten sie sich damals schon dafür geschämt, mit so was nebenbei Geld zu machen. Heute finanzieren sich damit frech und offen ganze Fernsehsender…

Am einen Ende der Leitung also damals: ich. Süße dreizehn, fickerig in der Ecke neben dem Telefon zusammengekauert, den Hörer ans Ohr gepresst und mich berauschen lassend von den Stimmen vom Band. Und am anderen Ende: Thomas und Nora Anders. Die sich für die vielen Geschenke und guten Wünsche zur Hochzeit bedankten.

Thomas Anders klang mädchenhaft-sanft, wie man es erwarten musste, wenn man seine Lieder kannte. Und Nora hatte so´ne tiefe, ölige Knödelstimme. War ja auch der Mann in der Beziehung. Und hat mich damals, am Telefon, wohl kirrer gemacht als der Langhaarige, für den ich so schwärmte. Muss man hier mal offen sagen. Aber ist das überhaupt eine Überraschung? Waren Thomas und Nora Anders nicht sowieso eine offen lesbische Beziehung? Nein, natürlich nicht. Aber warum hab ich eigentlich nie die Frauen meiner angebeteten Stars gehasst? Weder bei Thomas Anders noch bei Nino de Angelo? Sollte mir das nicht zu denken geben? Au backe.

Egal. Ich war ein unschuldiger, zart glimmender Teenager. Und ich hatte vorher noch nie beim Bravo-Star-Telefon angerufen. Wahrscheinlich aus Angst, dass vielleicht doch jemand leibhaftig am Telefon sitzt und ich was sagen muss. Das wäre zuviel für mich gewesen. Von meiner Traute, tatsächlich angerufen zu haben, war ich damals wohl so benommen, dass ich den Hörer noch zitternd in der Hand hielt, als das Band längst abgespult war. Deshalb kam ich zwangsläufig dahinter: wenn man ein bisschen wartete, ging alles von vorne los.

Während meine Eltern also in irgend´ner Berliner Oper saßen oder ein neues, skurriles Zimmertheater entdeckt hatten, in das sie mich und meinen Bruder natürlich nicht mitnahmen, ließ ich zur Strafe mein rechtes Ohr glühen. Zur Endlosschleife von Thomas&Nora unplugged. Teenager können so pervers sein. Aus meinem Mund hat man übrigens noch nie ein überhebliches Wort über hysterische Boygroup-Fans oder Oli P.-Anhänger gehört. Ich kenne meine eigenen Sünden sehr genau.

Dass ich mit den „guten Wünschen“ und „Geschenken“ in der Grußbotschaft nicht gemeint war, lag nur daran, dass mir das Geld für´s Porto dann doch zu schade war. Beziehungsweise: dass ich´s nicht hatte. Es war schon riskant genug, mittwochabends das Geld für die Bravo aus dem Portemonnaie meines Vaters zu fingern. Flog natürlich irgendwann auf, mein Vater war ein ziemlicher Pfennigfuchser.

Aber das Päckchen war praktisch schon gepackt. Was packt man eigentlich, wenn man als mittelloser Teenie seinem Star was zur Hochzeit schenken will? Ja, das, was man als Dreizehnjährige so an Kostbarkeiten im Zimmer stehen hat. Als Dreizehnjährige, Mitte der Achtziger… Äh, das war eine rosa Stoffmaus vom letzten Weihnachtsbasar der Mannheimer Waldorfschule. Und – Achtung! – eine Kerze in Form eines Baisers. Mit Glitter drauf. Preziosen, die sich Thomas Anders sicher gleich in die beleuchtete Vitrine seines Schleiflack-Wohnzimmers gestellt hätte. Aua.

Also, wenn ich mir so richtig darüber klar werde, dass Dinge, die ich als Teenie mit heiligem Ernst betrieben habe, heute eine schräge Erinnerungskolumne füllen, könnte ich heulen. Vielleicht mach ich’s.

Aber später. Erst mal muss ich ja noch die Bohlen-Bio besprechen. Sonst gibt´s Mecker vom Chefredakteur.

Und wieder bin ich grundehrlich: das Buch ist einfach geil! Und warum ist es geil? Weil es eben nicht von Dieter Bohlen geschrieben wurde, sondern von Katja Kessler! Die hat die Bohlen-Spreche wahrscheinlich besser drauf, als er selbst. Tolldreist, saftstrotzend, temporeich. Und aus bewundernswert kurzen Sätzen bestehend. Also, da kann man nur neidisch werden. Kempowski? Lindenberg? (Wie die FAZ schrieb.) Ach was, das ist der Grass von „Katz und Maus“. Ha!

Und inhaltlich? Tja, was will man denn noch mehr: doppelter Penisbruch, saufende Frauen, Künstleranekdoten oh-so-voller-Tragik… Das ist der Grass der „Blechtrommel“, hätt ich beinah gesagt. Nein, im Ernst. Wer sich das Buch kauft, will viel Namedropping und einen kräftigen Kulissenblick, und den kriegt er auch. Wie der rasende Drafi Deutscher Telefone aus der Wand reisst. Wie Nino de Angelo mit dem „Flieger“ abhebt. Wie Matthias Reim Bohlen´s Fisur klaut. Und Naddel die Verhandlungen um den Villen-Preis torpediert. Ich glaub, da hab ich am lautesten gelacht.

Es macht´s nicht besser, aber ich denke, Bohlen steht einfach nur in einer Linie mit anderen prominenten Kulissenreißern der letzten Jahre. Wie Dietrich Schwanitz, der das ganze im „Campus“ in Fiktion gekleidet hat. Oder Oskar Lafontaine, der sich seine Schmollrotze am virtuellen Revers von Gerhard Schröder abgewischt hat. Also, dass jemand mit der gleichen Masche mehr Geld macht als Oskar Lafontaine (was ich doch sehr hoffe!), kann so schlecht nicht sein. Oder?

Was ich aber gar nicht nachvollziehen kann, ist dieser durchgängige Feuilleton-Tadel. Von wegen: er kann ja seine Kollegen dissen, aber dass er seine Frauen so durch den Dreck zieht – tss tss! Also, diese Frauen waren vorher schon Freiwild. Auch der seriösen Medien. Ganz Deutschland hat sich kaputtgelacht, als Naddel in den Big Brother-Container ging. Oder als sich la Feldbusch durch ihre Moderationen stammelte. Und ich persönlich hab am heftigsten den Kopf geschüttelt, als Naddel nach der Feldbusch-Kurzehe zu Bohlen zurückging. Tiefer kann man nicht sinken, auch nicht durch Alkoholismus oder Phlegmatismus, wie er ihr jetzt nachgesagt wird. Nachgeschrieben. Und bitte, wer hat die Damen gezwungen, jahrelang ihr Intimleben in Interviews fast sämtlicher Medien auszubreiten? Also, die einzige, von der ich nie eins gelesen hab, war Bohlens erste Frau Erika („Schwere und Ernsthaftigkeit. Nudeln mit Gulasch.“). Die hätte vielleicht was Besseres verdient. Aber das hab ich noch in keiner Besprechung gelesen.

Nein, Bohlen hat (mit Kesslers Hilfe) ein wunderbar spritziges, voraussehbares Buch geschrieben. Nur mit den Jahreszahlen vertut er sich manchmal, deshalb stimmt auch der Buchtitel („Nichts als die Wahrheit“) nicht. Aber der ist ja eh nur als Provokation gemeint (siehe Schwanitz´ „Bildung. Alles was man braucht“. Partners in crime.) Die Achtziger sind kaum angebrochen, da erlebt er sieben Jahre später eine posthume Ehrung von Roy Black – der erst 1991 gestorben ist. Im Frühjahr 1984 geht die Modern Talking-Rakete los? Ein glattes Jahr zu früh. Ein Foto von Thomas Anders und Nora aus der klassischen Phase, auf 1983 datiert? Mag sein, aber ikonographisch gehört auch das ins Jahr 1985. Und wie schnell das ging, mit seinem Vater: vom armen Arbeiter zum erfolgreichen Unternehmer. Über Nacht quasi. Oder sollte man sagen: im nächsten Absatz schon? Und noch was: die Frau von Barney Geröllheimer heisst nicht Selma, sondern Betty. Bisschen besser Korrektur lesen, Frau Kessler. Ob da noch mehr solcher „Wahrheiten“ verborgen sind?…

Anyway. Ich freu mich schon auf Teil 2. Im Nachwort steht ja ´was von weiteren Assen im Ärmel. Und bis dahin empfehle ich jedem, der so was gern liest, die Autobiographie von Dieter Thomas Heck: „Der Ton macht die Musik“. Da stehen noch mehr schöne Sachen über Drafi Deutscher und Nino de Angelo drin. Und über Nena, Truck Branss und Tony Holiday. Genauso larmoyant und besserwisserisch wie bei Bohlen. Nur ein bisschen plüschiger.

Frl. Katjas Nähkästchen, Folge 23

Mein erster Eindruck ist: Auweia. Schon als ich das Titelbild sehe… Was ist das? Ein Wimmelbild von Ali Mitgutsch? „Bei uns im Einrichtungshaus“? Herrjeh. Ging´s nicht ein bisschen übersichtlicher? So will doch keiner leben: ein bisschen Grün, ein bisschen Blau, und noch ein paar Tupfer Pink.

Und das zieht sich weiter durch: Kraut und Rüben allenthalben. Wo sind die Wohnlandschaften mit Atmosphäre? Farb-Oasen mit viel Weite und vorsichtig dosierten Details? Wer will schon zwei Meter Flaschenregal auf dem Küchenschrank haben? Oder Tassen ins Wohnzimmer hängen?

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Frl. Katjas Nähkästchen, Folge 22

Vielleicht ist es nur eine ganz normale Häutung. Vielleicht stimmt es aber auch, was mein Ausweis sagt: ich werde 30.

Indizien gibt es genug. Ich fange zum Beispiel an, merkwürdige Musik zu mögen. Normalerweise, sagt man, fangen Menschen ab 30 an, Country zu hören. In dem Punkt bin ich bekanntlich frühvergreist. Nein, ich fange gerade an, Sinatra zu mögen. Hat man Töne? Ich dachte, Sinatras Ruhm würde mir bis zum Ende des Lebens ein Rätsel bleiben. Stimmlich fand ich ihn ungefähr so potent wie Bob Dylan oder Tom Waits. Mit anderen Worten: ich fand, er kann nicht singen. Und jetzt?

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