Calvin Russell – Sam

Wer wissen will, wie sich schmieriger Rythm´n´Blues mit unterschwelligen Rock´n´Roll-Anklängen anhört, der sollte schleunigst Calvin Russell in den Player schieben. Aber was heißt hier „unterschwellig“ – das Rock´n´Roll-Element ist so subtil eingeschoben – wenn der Texaner sein Album nicht in Memphis eingespielt hätte und sich der Geschichtsträchtigkeit des Ortes vermutlich nur allzu bewußt war, würde ich sagen, „Sam“ ist schon ein Fall für Freud! Aber der Text von „Wild wild West“ belehrt mich eines besseren: Russell weiß sehr genau, wes Geistes Kind er ist:

I got a honky tonk heart and a juke box brain,
I got the rock and roll rythm running in my veins,
I got a boogie woogie Baby with a juke joint walk,
I got the Route 66 tatooed on my chest.

Die Photos im Booklet können das bestätigen… Trotzdem: schöner Spagat, den er da abgeliefert hat, denn bei allen Rock´n´Roll-Bekenntnissen bleibt Russell eindeutig Blueser! Und das mit herrlichen grimmig-düsteren Untertönen, die trotz eingängiger, gefälliger Fassade nicht wegproduziert wurden. Nein, „Sam“ ist genauso knorrig wie sein Interpret, der aussieht wie ein in die Jahre gekommener Desperado mit dem Gesicht einer hundertjährigen Eiche. Mann, der Typ kann bestimmt Geschichten erzählen…!

Wie auch immer. Dieses Album wird auch am Ende des Jahres als eines der besseren herausragen. Schmierig-schwüler Blues, knallige Juke Box-Feger, zarte Ballade zum Wegheulen: alles inklusive! Unter anderem übrigens auch ein Towns Van Zandt-Cover („The Hole“, der Mann weiß, was gut ist!), ja, und das Stück, das der Kleinkünstler aus der Wohnung über mir auch drauf hat (wen er grad mal nicht den „Entertainer“ oder Mozarts „Türkischen Marsch“ spielt): „Somewhere over the rainbow“! Ein Hauch von Broadway Glamour mit zarten Südsee-Klängen in einem waschechten Blues! Wenn Eichen träumen…

Calvin Russell
Sam
SPV

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