Liebe Plattenfirma, da hast Du ins in diesem Sommer endlich mal wieder ein reguläres und mit neuen Kompositionen bestücktes Album der Tindersticks beschert. Das finden wir natürlich ganz toll. „Can We Start Again?“ fragt gleich der Opener. Möchten Tindersticks etwa wieder von vorne anfangen? Sollen wir all ihre bisherigen Veröffentlichungen vergessen und all unsere Wißbegierde auf „Simple Pleasure“ bündeln?
Der Song, aufgenommen am 12. Oktober 1998 (Take 24), versprüht eine erstaunlich freundliche, freudige und beschwingte Atmosphäre, die nun nicht unbedingt im Kontext der Tindersticks üblich ist. Im Hintergrund erklingen die Stimmen von Jenni Evans und Gina Foster. Zwei Tage später spielten sie „If You’re Looking For A Way Out“ (Take 14) ein. Und schon sind wir wieder da, wo uns bereits andere Veröffentlichungen der Band hingebracht haben: im Land des Nachdenkens, des gediegenen Rotweintrinkens und Sinnieren über Sinn und Unsinn unserer Existenz, im Land der entspannten Barmusik mit dem gewissen melancholischen Touch. Bei „Pretty Words“ (Take 8) schießen einem dann fast Tränen in die Augen, wenn Stuart A. Staples in gewohnter Weise die Vertonung von Traurigkeit und Bedrücktheit zelebriert.
Erst Track vier, „From The Inside“ (Take 6) und dem Aufnahmedatum zu urteilen (25. Januar 1999) das neueste Stück, läßt wieder ein wenig mehr Sonne in unsere Herzen fallen. Vielleicht liegt das auch nur daran, daß Staples stumm bleibt und die Musik für sich sprechen läßt. Die groovt, ist rasant und bekommt mittels Tamburin und Hammond Orgel eine ganz eigene Aura. „If She’s Torn“ (Take 12) drückt mächtig auf die Bremse und auch auf die Stimmung. Die Orgel leiert vor sich hin, die Becken werden vorsichtig zum Schwingen gebracht und Staples steht wahrscheinlich mit geschlossenen Augen am Mikrofon und trauert. „Before You Close Your Eyes“ (wußte ich’s doch, er macht gleich die Augen zu!) ist mächtig und hat dank der Streicher und Bläser etwas von einer Big Band-Atmosphäre, was wahrscheinlich die Tatsache erklärt, daß die Band 25 Anläufe darauf benötigte. Der Titel „(You Take) This Heart Of Mine“ (Take 14) erklärt sich und dessen Wirkung auf den Hörer sicher von selbst. Dazu paßt jedenfalls die zitternde Geige besser als alles andere. Am Ende folgen noch „I Know That Loving“ und „CF GF“. Beide zeigen, daß die Tindersticks trotz des bereits erwähnten Openers ihrer Linie treu geblieben sind und weiterhin nichts zur platten Unterhaltung beitragen wollen. Vereinzelt und für ganz kurze Zeit tauchen ihre Köpfe aus dem trüben Meer der Melancholie auf. Ihre Musik sollte daher mit offenem Ohr konsumiert und aufgesogen werden. Alles andere käme purer Verschwendung gleich.
Und zum Schluß ein wichtiger Rat an Dich, liebe Plattenfirma: Das nächste Mal bei der Promo-CD mit dem umweltfreundlichen Pappdeckel bitte den Schuber etwas größer ausfallen lassen als die CD, die er schützen und beheimaten soll. Sonst kriegt man den edlen Silberling nur mittels roher Gewalt aus seinem papierenem Käfig. Danke.
Tindersticks: Simple Pleasure (Quicksilver/Island/Mercury)