Laßt es mich so formulieren: Das neue Album von Mouse on Mars ist nicht so schlecht, wie man vielleicht, nach den ersten Takten der neuen Single “ Distroia“ hätte erwarten können. Der Opener „Download Sofist“ kommt mit Akustik- Gitarrenintro und Bläsern, die schon nach kurzer Zeit völlig entgleisen, um dann in den gewohnten Mouse on Mars- Groove zu rutschen . Ihr wisst schon, den Groove mit dem Off- Beat. In Finnland nennt man das, glaub ich, Humpa.
Es wird natürlich immer noch in Kleinsteinheiten gebastelt, die dann zu einem super frickeligen Gesamtbild zusammen gesetzt werden. Insgesamt geht es aber schon mehr nach vorne. Alles wirkt leichter zugänglich, als das Material ihrer Veröffentlichungen zwischen den beiden „großen „, via Zomba erhältlichen Alben (Autoditacker und jetzt Niun Niggung). Wahrscheinlich ist der Mehrzahl der geneigten Leser entgangen, dass von Mouse on Mars zwischen beiden Alben zwei weitere Vinyl-Veröffentlichungen erschienen sind. Das ist allerdings auch keine Schande, da beide zwar auch schon beim Band-eigenen Label „Sonig“ erschienen sind, aber wohl aus Gründen der Kommerzialität nicht durch Zomba vertrieben worden sind , sondern durch die Kölner Firma A-Musik. Leider führte der Vertrieb durch A-Musik dazu, dass die Promotion eher gegen Null ging. Sehr gutes Material übrigens, dass ihr unbedingt mal antesten solltet. Beide Alben atmen den Geist von Oval und knuspern recht fröhlich vor sich hin, ohne sich offensichtlich dem Beat-Diktat zu beugen.
Aber zurück zur neuen Platte. Die oben erwähnte leichte Zugänglichkeit erreichen MOM zu einem guten Teil durch das Beifügen von Strukturen, die Dem „Standard“- Pophörer durchaus vertraut sind, wie zum Beispiel Bläser, Gitarren oder auch Stimmen. Und genau das verhilft den Stücken zu etwas , mit dem sich die zeitgenössische, elektronische Musik schwer tut. Nämlich Wiedererkennungswert. Und der wiederum ist massiv mit entscheidend über den kommerziellen Erfolg des Produkts Popmusik. So schafft sich die zeitgenössische, elektronische Musik in der Hauptsache durch eine eigene Event- und Clubkultur einen spezifischen Raum, in dem sie stattfinden kann. Das kann natürlich zu Isolation und Ghettoisierung führen, wie man das auch in der englischen „Free Music for Free People“ beobachten kann. Aber das versuchen MOM zu umgehen. Immer wieder werden leicht wiedererkennbare Versatzstücke eingesetzt, um den Hörer zu ködern, die dann im Verlauf der Stücke völlig durch den Wolf gedreht werden und eskalieren.
Nun werden die klugen Köpfe unter euch einwenden, dass MOM schon immer näher am Song waren, als am Track, was auch ohne Frage richtig ist. Aber soweit entfernt vom Song, wie auf dem aktuellen Album waren sie in der Tat noch nie! Die beiden LPs aus der Zwischenzeit mal außen vor gelassen. Und, dass sie es trotzdem schaffen, „Niun Niggung“ super-surfig nach Popsong klingen zu lassen, das ist vielleicht die große Leistung, die Mouse on Mars mit diesem Album gelungen ist. Dennoch, oder gerade deswegen kämpfe ich beim Hören des Albums schon des öfteren mit dem Schlaf.
Wiedererkennungswert und Eingängigkeit führen in 90% aller Fälle zu geringer Halbwertszeit. (die restlichen 10% sind reserviert für Caesium, Radium und Jod S 11-Körnchen). Wer kennt es nicht? Die Alben, die man sich immer wieder gerne aus dem Regal nimmt, sind oft die , mit denen man zu Beginn die meisten Probleme hatte warm zu werden. Vielleicht ist „Niun Niggung“ Popmusik im frühesten Sinne: Here today and gone tomorrow.
Mouse on Mars: Niun Niggung (Sonig/Zomba)