Pentti Kirstilä: Nachtschatten

Schon ein komisches Völkchen, die Finnen. Von Westen schwedenkrimit es inflationär, von Osten her rollt die Neue-Russen-Krimiflut. Das berührt die nicht. Hat noch nie. Backen ihre eigenen Spannungsbrötchen, und schmecken tun sie auch.

Pentti Kirstiläs Roman „Nachtschatten“ beginnt wie ein Schnittmusterbogen für mäßig spannende Katz-und-Maus-Krimis. Ich hab gesehen, wie du deine Frau umgebracht hast, und aus Rache erpresse ich dich jetzt und auf Seite 250 gibt es den großen Psycho-Showdown. Tatsächlich: Ein Mann hat seiner geschiedenen Frau die Kehle durchgeschnitten, eine dritte Person wurde Zeugin der Tat und beginnt ein perfides Spiel mit anonymen Briefen. Aber dann passiert, was laut Schnittmusterbogen nicht hätte passieren dürfen: Der Mörder begeht Selbstmord. Oder doch nicht? Und wieso zweifeln wir schon längst, dass alles so ist, wie es zu sein vorgibt?

Auch der Ermittler Lauri Hanhivaara zweifelt. An der Selbstmordthese wie auch an der davon abgeleiteten Gewissheit, des Mannes Freitod sei das Eingeständnis seiner Schuld. Er beginnt mit seinen Befragungen, die uns mit den Verdächtigen bekannt machen, aber mehr noch mit Hanhivaara selbst, einem sehr merkwürdigen, witzig-resignierten Charakter, der ebensolche Fragen stellt und sich erfreulich fern von all der Depressivität bewegt, die man unter nördlichen Himmeln ansonsten mit dem Beamtenstatus zu erwerben scheint.

Seine, wie es einmal heißt, „nutzlosen Spekulationen“ führen uns durch die bessere Gesellschaft Tamperes, ein klassisches Szenario auch das, Fragen und Antworten, Antworten und Fragen, da kommt – wieder Schnittmusterbogen – ein Whodunit heraus, aber kommt nicht, und jetzt sind wir darauf vorbereitet und erleben die finale Überraschung ohne Überraschung, sind indes doch überrascht, dass sie sogar einer gewissen Logik nicht entbehrt. Na ja, vielleicht etwas zu viel Zufall im Spiel. Stört nicht.

„Nachtschatten“ ist ein souverän geschriebener Krimi für alle, die schon alles kennen und sich gerne an den entlegenen Plätzen der Krimiwelt umschauen, ob da nicht doch noch etwas Neues lauert. In Finnland: ja. Seit 1977 übrigens schon. Und das ist nun die größte Überraschung: Dass dieses Buch 28 Jahre lang unterwegs sein musste, um im Deutschen anzukommen. Unverständlich, aber schön, dass es da ist.

Pentti Kirstilä: Nachtschatten. 
Grafit 2005. 256 Seiten, 8,95 €

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