Nouvelle Vague: Bande à part

Hypnotisiert, mit halb geschlossenen Augen – so muss man sich die Sängerinnen von Nouvelle Vague hinterm Mikro vorstellen. So klingt es jedenfalls, wenn sie singen. Wie ein besonders zerbrechliches Glas. Wie ein Vogel, der aus dem Nest gefallen ist. Wie eine Lolita – aber volljährig.

Mindestens vier Stimmen sind es, die bei der französischen Band Nouvelle Vague zu unterschiedlichen Songs ans Mikro dürfen: die von Mélanie Pain, Marina Celeste, Silja und Phoebe Killdeer. Alles auch eigenständige Künstlerinnen, jede mit Meriten schon auf anderen musikalischen und nicht-musikalischen Gebieten. Zugegeben, sie klingen nicht alle gleich zart. Aber das vokale Mosaik hat seinen Reiz.

Und zu diesen zart-heiseren, intensiven Stimmen kann nur eine ebenso vorsichtige Instrumentierung passen. Aber die darf es in sich haben. Darf düster swingen. Darf alle Klangfarben ausloten zwischen perlen und klappern, muss aber so fein und transparent gewebt sein wie ein Spinnennetz. Wer das Bild übermäßig ausreizen will, kann sagen, dass man darin auch noch kleben bleibt – als wehrlose Beute, genau wie von der Band beabsichtigt.

Aber wenn es doch so ist?! Manche sagen, Nouvelle Vague sei eine Bossa Nova-Band. Das ist sicher nicht falsch. Dort haben sie jedenfalls den Swing und die großartig vielfarbigen Percussions entliehen. Aber sie sind mindestens ebenso viel eine Chanson-Band, die sich mit süß-sperrigen, narkotisch schleppenden Arrangements ihrer Songs annimmt. Und ein riesiges Spotlight auf den Gesang richtet. Einen Super Trooper sozusagen.

Vibraphon ist fast immer dabei. Schrammelige Django-Reinhardt-Gitarren. Akkordeon. Kneipen-Piano. Kontrabass. Ab und zu auch Streicher und ein paar Bläser. Initiiert vor allem durch den männlichen Teil der Band, Marc Collin und Olivier Libaux. Sie haben ein wunderbares Unplugged-Line up aus der Taufe gehoben. Genau das richtige für eine Reihe von New Wave- und Punk-Klassikern also. Oder? Bei früheren Covers durch die Band, zum Beispiel von The Clash, den Dead Kenneydys und Depeche Mode hat übrigens immer nur die Sängerin gesungen, die den geringsten Bezug zum jeweiligen Lied hatte. Um sicherzustellen, dass in jedem Fall eine ganz eigene Interpretation herauskam.

Diesmal finden sich auf dem Album unter anderem Echo and the Bunnymens „Killing moon“, New Orders „Blue Monday“, „Ever fallen in love“ von den Buzzcocks, Billy Idols „Dancing with myself“, Yazoos „Don´t go“, Blondies „Heart of glass“, „Bela Lugosi is dead“ von Bauhaus, Visages „Fade to grey“… und derlei mehr. Alle des Lärms und ihrer stylishen Arrangements entkleidet und stattdessen fast nackt und schonungslos als Songs ausgestellt. Ohne, wie im Original, Reminiszenzen an irgendwelche Musikmoden, keine Kommentare mehr zur Entstehungszeit, keine eingefrorenen Erinnerungen. Sondern aufs innerste Gerüst reduziert, verletzlich gemacht, entrückt und zum Blühen gebracht. Wie ins kalte Wasser geworfen. Und siehe – sie schwimmen.

„Bande à part“ ist also eine ganz bezaubernde Platte. Die wie in Trance durch die frühen Achtziger navigiert. Und daraus fast ein Vierteljahrhundert später eine ziemlich archaische Mondreise macht.

Nouvelle Vague
Bande à part
Pias/Rough Trade
VÖ: 9.6.2006

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