Jens Luckwaldt: Tod in Arkadien

Das Unwesentliche zuerst: Handelt es sich bei „Tod in Arkadien“ tatsächlich, wie der Herausgeber Jens Luckwaldt behauptet, um die Wiederauflage eines Kriminalromans aus dem Jahre 1786? Oder ist, wie es der Umschlagtext nahe legt, Luckwaldt der Autor des Buches? Nette Spielerei, leicht zu durchschauen. Viel wichtiger aber: Ist „Tod in Arkadien“ ein lesenswerter Krimi? Die kurze Antwort: Ja, auf jeden Fall. Die etwas längere Antwort folgt jetzt.

Auf Schloss Thorau, wo Friedrich Franz von Weldenburg mitsamt englischer Gemahlin und Söhnchen residiert, haben sich Gäste eingefunden. Thorau ist berühmt wegen seines im englischen Stil angelegten Gartens, kein Wunder also, dass es Neugierige wie den schottischen Reiseschriftsteller Alexander MacKendrick anzieht. Auch die nicht mehr ganz frische, aber immer noch attraktive Lätizia von Blicken, medial begabt, hat sich eingefunden, ebenso der frühere Hauslehrer des Grafen, Karl Theobald von Rübsam nebst soeben angetrauter jugendlicher Gattin.

Man ergeht sich, unter der Führung des nimmermüde gärtnernden Grafen, in den weitläufigen Anlagen, hält Konversation, beobachtet – und schreibt Briefe. Briefe, in denen aus den Blickwinkeln der jeweiligen Adressanten die zunächst monotonen, später dramatisch sich zuspitzenden Ereignisse auf Schloss Thorau beschrieben werden, nebst nicht immer freundlichen Charakterbildern der Mitgäste.

Denn, siehe Titel, ein Mord geschieht in diesem arkadischen Ambiente. Ein Gerichtspräsident namens Schwan übernimmt die Ermittlungen, und am Ende präsentiert sich uns, ganz Whodunit des ausgehenden 18. Jahrhunderts, eine überraschende Aufklärung des Falles.

Nehmen wir, rein hypothetisch an, „Tod in Arkadien“ sei tatsächlich das Werk Jens Luckwaldts. Was, unter uns, auch besser wäre für die Literaturgeschichte, denn sonst müssten wir annehmen, Herr Goethe habe sein geflügeltes Wort von „der Weisheit letzter Schluss“ aus dem „Faust“ diesem um einige Jahrzehnte älteren Werk „entliehen“. Und ein solcher Skandal könnte der deutschen Literatur nur schaden.

„Tod in Arkadien“ gehörte dann zum Subgenre des „historischen Krimis“, der uns seit geraumer Zeit mit rechercheaufwendigen, nichtsdestotrotz aber ziemlich leblosen Einblicken in vergangene Zeiten ennuyiert. Und damit täte man dem Autor Luckwaldt schweres Unrecht. Ihm nämlich ist hier ein auch atmosphärisch überzeugender Roman gelungen, sprachlich bestes 18. Jahrhundert, ohne den Duktus zu übertreiben, das Tempo und die Denkweisen fein nachgezeichnet, das Personal wohlgeformt, dramaturgisch clever und vielschichtig gebaut. Kurzum: Man hat beim Lesen gehörigen Spaß, erfährt etwas (aber nicht zuviel) über Gartengestaltung, blickt in die immer offeneren und beileibe nicht zur Gänze reinen Seelen der Akteure und goutiert auch die logisch ein ganz klein wenig gewagte Lösung des Mordfalles.

Aber jetzt. „Tod in Arkadien“ ist als book on demand erschienen. Das kann kaum die ursprüngliche Absicht des Autors gewesen sein und so lässt sich vermuten, dass manch deutsches Krimiverlegerlein das Manuskript als „nicht zeitgemäß“, zu wenig actionhaltig zurückexpedierte. Ist auch verständlich. Wer möchte schon einen originellen, souverän geschriebenen Krimi in Briefform lesen, heute, wo man so etwas per Handy erledigen könnte und der neue Stammelthriller von Herrn A oder Frau B just eingetroffen ist.

Und Spaß beiseite. Man sollte jeden, der diesen Roman abgelehnt hat, vor die versammelte Klasse der Krimiinteressierten zitieren und folgenden Satz aufsagen lassen: „Ich füttere meine Leser lieber mit Mist als mit nahrhafter Kost.“ Und das bitte 475 x. Danach geht’s ohne Abendessen ins Bett.

Wir aber zögern nicht, deutsche Verlegerschlafmützigkeit durch sofortigen Ankauf des Buches noch mehr zu geißeln. Und mit einer schönen und entspannten Lektüre belohnt zu werden.

Jens Luckwaldt: Tod in Arkadien. 
BOD Norderstedt 2006. 360 Seiten. 20 €

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