Rialto: s/t

Was Placebo auf rockige Weise bringen, sitzt bei Rialto im abgespreizten kleinen Finger. An der Stelle, an der Placebo Querverbindungen zum Rock bieten, bringen Rialto Seilschaften mit der Popwelt des siebziger Glambiz : Bowie ohne Ende, Roxy Music sowieso. Achtung Pulp: Hier kommt ernsthafte Konkurrenz. Natürlich erfährt man hier nichts neues. Dramatische Gesten und viel Zuckerguß wenn es um getragene Songs geht („Monday Morning), und die Produktion so slick wie es nur geht. Macht mir persönlich gar nichts aus. Die 1000. Drum and Bass Platte ist auch nicht nötiger als das hier!

Rialto sind nicht so technologiefeindlich wie Placebo und verbraten auch mal das eine oder andere Sample, und doch bieten sie kein Role-Modell für die Neunziger. Eher für Nostalgiker, die sich mit einem gepflegten Glas Rotwein vor die heimische Anlage setzen und ganz genau den Texten zuhören wollen. Die drehen sich – wie sollte es anders sein – meistens um dramatische Beziehungen. Ob zwischen Mann und Frau oder innerhalb einer Geschlechtergemeinschaft kann sich der Hörer dichten. Was Techno und Innovationsfetischisten zum Kotzen bringen kann, wird hier zelebriert: Schmalz und Gefühl hoch zehn.

Das Frühjahr hat noch ein paar kalte Tage im Petto.

Rialto: s/t
(EastWest/Warner)

Die Toten 1998

2.10.: Gene Autry
Der US-amerikanische Rodeoreiter, Sänger („Back in the Saddle Again“, „At Mail Call Today“, „Rudolph, the Red-Nosed Reindeer“) und Schauspieler – Spitzname „The Singing Cowboy“ – starb 91jährig in Los Angeles. Im Laufe seines Lebens besaß er mehrere Radiosender und ein Major League Baseball-Team. Außerdem ist er der einzige, der es bislang in allen 5 Kategorien (Film, Fernsehen, Musik, Radio und Liveauftritte) zu einem Stern auf dem Hollywood Walk of Fame brachte.

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Red Snapper: Image of you

„Image of you“ ist eine düster-melancholische Ballade aus der House-Werkstatt des Trios „Red Snapper“. Anfangs noch eher Dancefloor mit Sphären-Gewaber, Blubber-Sound, klassischen Violinen- und Celloarrangements (!) und der dramatischen Schoko-Soul-Stimme von Alison David („Life Addiction“) – aber mittendrin geht der Song plötzlich über in temperamentvoll stampfenden Hip Hop und rockt. Insgesamt ein versponnenes Klang-Gewebe diverser Sound-Schichten, die rhythmisch immer wieder wechseln, wenn man grad denkt, jetzt hat man´s!

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Badly Drawn Boy: EP 3

Der Terminus „EP“ läßt es schon vermuten: dies ist eine musikalische Zwischenmahlzeit, ein Snack von einer guten Viertelstunde Laufzeit und ganzen sechs Takes. Dafür ist das stilistische Spektrum von erschreckender Vielfalt! Ein Sampler, der sich als Album tarnt (ich weiß, Sampler sind auch Alben, aber Ihr wißt, was ich meine…). Warum nicht öfter solch nette CD-Wundertütchen? Diese Scheibe gehört zu den erfrischendsten, die mir dieses Jahr untergekommen sind!!! Los gehts mit einem dumpfen elektronischen Treibhausgewächs mit hölzernen Syntie-Melos irgendwo zwischen spährigem Trance und holprigem Hip Hop, also Trip Hop, aber nicht zart-ätherisch, sondern eher mit der Brechstange und dezent-dilettantischem Charme. Hat was.

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Interview: Aeronauten

Intelligente Soulband?

Als letztlich die Aeronauten, eine erklärte Lieblingsband von Hinter-Net! und Hinternet-Radio, in unserer Hometown aufspielten und sich trotzdem kein Mitarbeiter fand, der die Band interviewen wollte, zwangsverpflichtete die Chefredaktion kurzerhand die Jungs der Vorband Clipper (eine der saarländischen Hoffnungen), das Gespräch mit den Aeronauten (hier vertreten durch Frontmann Olifr M. Guz und Bassist Hipp Mathis) zu suchen. Hier das Ergebnis:

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Peter Thomas: Moonflowers & Mini-Skirts

Hilfe, Hilfe, Hilfe! Meine Jahres-CD-Top-Ten platzt jetzt schon aus allen Nähten, und immer noch erscheinen Alben, die mich zwingen, alles wieder über einen Haufen zu werfen und einen der Kandidaten unter Tränen rauszukicken! Hier hat schon ein Blick aufs Cover genügt, um zu wissen, was Sache ist, denn der Name „Peter Thomas“ ist Programm!!! Ich sag nur „Raumpatrouille“ (Raumschiff Orion), „Der Hexer“, „Der Zinker“, „Die toten Augen von London“, „Die Leiche ist bewaffnet“ und dero Edgar Wallace- und auch Jerry Cotton-Musiken mehr… 1 A-Stoff für uns Easy Listening- und Weltraum-Musik-Süchtige, James Last on Acid sozusagen! Und als sei das noch nicht genug – was muß ich im Waschzettel lesen: unter den Mitmusikern befinden sich auch der Jazzer und Ex-Vampyros-Lesbo Sigi Schwab sowie Lothar Meid von Amon Düül II, na das hört sich ja schräg an!

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hò! #1. Roady Music from Vietnam

Dies ist mit Abstand das schrägste Album, das mir seit langem untergekommen ist! Mir tanzen immer noch bunte Lichtlein vor den Augen, und ich werd wohl gleich mal beim Asiaten an der Ecke vorbeischau´n, um mir ein bißchen Basmati-Reis und diese getrockneten Pilz-Morcheln zu holen, die man erst einweichen muß, damit sie aussehen wie das Haupt-Requisit in der Anfangs-Szene von „Blue Velvet“, nur viel schwärzer.

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Cinerama: Va Va Room

Schön, daß es noch Bands gibt, die sich nicht entscheiden können, ob sie nun Rock oder Pop machen. „Cinerama“ hätte ich genau zwischen Amerika und dem Vereinigten Königreich angesiedelt, zwischen alternativem College-Rock und independent Prä-Brit-Pop, jedenfalls blitzsauber produziert. Ein Blick ins Booklet belehrt mich, daß ich sie den britischen Inseln zuzuschlagen habe, irgendwo in die Nähe von Leeds.
Cinerama sind innerhalb ihres Rock-Pops oder Pop-Rocks erstaunlich wandlungsfähig und lassen bisweilen Erinnerungen an selige Beautiful South- und Cure-Zeiten wachwerden. Wenn da nicht noch dieser knackige Rock wäre, der die nötigen Power-Bleifüße dranhängt. Und da sind sie auch wieder, die guten alten Rock-Hymnen mit euphorisch strahlenden Keyboards (scheint, als könnten sich die alten Tastenkünstler bald wieder aus ihren Löchern wagen…). Cinerama erfreuen darüberhinaus mit hübschen, eingängigen Melodien, die sie harmonisch-dramatisch äußerst intelligent umsetzen, auch mal balladesk und melodisch-bittersüß.

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Lenny Kravitz: 5

Herzlich willkommen in „Lennys Welt“. Bitte anschnallen, denn auf dem Programm steht ein Streifzug durch die schillerndsten Epochen der Popmusik, von Motown und Philly Sound bis hin zur Psychedelic-Ära und der Beatle-Mania. Soul und Funk der 60er sowie der Blaxploitation-Sound der 70er auf der schwarzen Seite, und dazu die Lennon/McCartney-Melodik und Hippie-Harmonik auf der weißen Seite – und beides absolut im „Haben“-Bereich seines musikalischen Kontos: Lenny Kravitz ist in erster Linie ein famoser Synthetiker! Daß dabei alle Einzelteile bis zu ihrem Ursprung zurückzuverfolgen sind, heißt umgekehrt nicht, daß das Ergebnis nicht originär Kravitz´scher Prägung ist. Schon Max Weber wußte: das Ganze ist immer mehr als die Summe seiner Teile!

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Live: Air/Sean Lennon

London, Shepherd´s Bush Empire. 2.11.1998.

Eine meiner Lieblingsplatten in den letzten Jahren war und ist immer noch Air’s Moon Safari. Soft, poppig und vor allem wunderbar französisch, das heißt mit der richtigen Portion Käse, immer nur so viel daß derselbe nicht zu stark im Vordergrund steht. Klasse zum Autofahren oder Abendessen.
So war dieser Gig natürlich ein Muss, waren Air doch ernstzunehmende Konkurrenten von Beck im Kampf an der Spitze meiner Beliebtheitstabelle. Ich sage bewusst waren.

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Live: Jud

Kaiserslautern/Filmore, 24. Oktober 1998

Bevor das kalifornische Trio JUD die Bühne entern durfte, mußten die Zuschauer einen der schlechteren Lauterer Supports über sich ergehen lassen. PANSEN INC. (dämlicher Name übrigens) machten der Meisterstadt nicht viel Ehre. Noise Trash mit Metalverschlägen ohne viel Sinn und Verstand und zudem lieblos dargebracht. Das war nix und wurde dem Headliner in keiner Weise gerecht.

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Main Concept: Genesis, Exodus, Main Concept

Neben Hamburg und Stuttgart, die derzeitigen Hochburgen in Sachen deutscher HipHop, ist seit langem in München eine Band namens Main Concept aktiv, die mit ihrer aktuellen Scheibe „Genesis, Exodus, Main Concept“ abermals Lob einfahren konnte (da auch schon etwas länger auf dem Markt – räusper!). Bereits 1990 gegründet, sorgten sie in regelmäßigen Abständen für Anerkennung innerhalb der stetig wachsenden Szene. Main Concept, das sind David Pe, DJ Explizit und der Produzent Glammerlicious, der unter dem Pseudonym Human D schon zahlreiche Remixe unters Volk streute.

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Straight Outta Compton

Easy E, Dr. Dre, MC Ren (bürgerlich: Lorenzo Patterson), DJ Yella (bürgerlich: Antoine Carraby) und (nicht zu vergessen) Ice Cube waren N.W.A., die Niggaz Wit‘ Attitude. Sie waren wohl das, was man heute gemeinhin als die Begründer des Gangsta Rap angesehen würde. Irgendwie verständlich, schließlich handelten ihre Texte zuhauf von Beschimpfungen der Polizei, anderen MCs sowie Frauen, die stets herablassend als „bitches“ betitelt wurden. Ihr Debüt „Straight Outta Compton“ war der krasse Gegensatz zum New Yorker East Coast, der sich verstärkt politisch korrekteren und politisch motivierteren Themen zuwandte, und zeichnete sich dementsprechend durch plakative Gewalt, Sexismus und simple House-Party-Mucke aus.

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The Cruel Sea: Over Easy

Einer der wohl besten australischen Exportartikel überhaupt, gibt sich wiederum die Ehre, unsere bescheidenen Hütten mit wohltuenden Klängen zu erfüllen. The Cruel Sea haben ihr fünftes Album im Kasten: „Over Easy“. Zusammen mit dem Produzentenpaar Daniel Denholm und Phil McKellar haben sie dieses in insgesamt drei Studios eingespielt. Was als „instrumentale Partyband“ begann hat im Laufe der Jahre feste Bandstruktur erlangt. Anstatt nur ab und an spontane Textzeilen in das Mikro zu hauchen, ist Tex Perkins (Beasts Of Bourbon) mittlerweile so etwas wie das fünfte Bandmitglied. Er verleiht den als Instrumentals gedachten Songs mit seiner charismatischen, von Whiskey-Exzessen gezeichneten Stimme das vokale Gewand.

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The King: Gravelands

The king is dead, pah, von wegen, auferstanden isser und hat sein neues Werk bezeichnenderweise „Gravelands“ getauft und darauf ausschließlich Songs schon lange verstorbener Sänger der Rock’n’Roll-Geschichte intoniert. Jeder einzelne Song – egal welch musikalischer Couleur – klingt verdammt nach Elvis.
Dazu The King: „Die alten Schinken sind zwar klasse, aber irgendwann muß sich jeder Künstler einmal von seinen früheren Werken distanzieren – das ist einfach so. Aus Solidarität zu all den anderen Kollegen, die in den letzten Jahren von der Bildfläche verschwunden sind, singe ich jetzt ein paar von deren besten Songs, und zwar so, wie ich sie interpretieren würde – im unverwechselbaren Kingstyle.“

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Beginner: Bambule

Die Hamburger Beginner dümpelten bislang im deutschen Underground und haben heuer die Chance, mit einem Major-Deal in der Tasche und einem überzeugenden Album in der Hinterhand, das HipHop-Feld von hinten aufzurollen. Wollten sie früher so viel wie möglich experimentieren, heißt das diesjährige Motto „weniger ist mehr“. Insofern wurden die Tracks auf das Grundgerüst Samples-Beats-Rap reduziert und mit sehr flüssigen, groovigen Ergüssen versehen (dank der beiden sahnigen MCs Eißfeldt und Denyo übrigens), die sich schon beim ersten Hören ins Ohr bohren. Ohrwürmer produzieren die Beginner anscheinend am Fließband, denn bereits beim zweiten Hördurchgang überzeugen die Tracks durch hohen Wiedererkennungswert.

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