Musikbücher I

Liebe Freunde des guten Buches, erlaubt einem gefrusteten Rezensenten ein offenes Wort: Der deutsche Literaturmarkt ist degeneriert. Seine Autoren sind’s schon lange, seine Verleger noch länger, und von den Lektoren, diesen armen Würstchen, reden wir gar nicht. Wir, die wir ein gelungenes Buch wie einen zusätzlichen Feiertag begrüßen, werden uns dieser Umstände immer dann schmerzlich bewußt, wenn wir über die Grenzen schauen: nach Frankreich, nach England, in die USA, dorthin vor allem, wo über’s Jahr so manch hübsches Werk, die populäre Musik betreffend, erscheint – und in Deutschland niemals erscheinen wird, weil unsere Herren Verleger sogleich die Hände über’m Kopf zusammenschlagen und „Unverkäuflich! Zu anspruchsvoll!“ ausrufen, um dann in sich zusammenzusacken und resigniert zu murmeln: „Denn weißt du, der deutsche Leser ist dermaßen was von bescheuert und degeneriert, dem mußt du hundertmal seinen Neil Young geben und fünfhundert Biografien der Kelly Familie, dann ist er’s zufrieden.“

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Ruf doch mal an!

„Vorbei“, dachte Andrej, als das Schiff internationales Gewässer erreichte, „aus und vorbei. Und dabei, vielleicht wäre alles ganz anders gekommen, damals im Sommer ’95, wenn ich nur…“

Ja, wenn! Schlagsahne hatte gefehlt und Kiwis. Wie hätte er die Scheißtorte fertig kriegen sollen? Die Torte sollte die Gastgeberin milde stimmen. Immerhin näherte sich die Party dem dritten Tag. Die Wohnung war voller leerer und halbleerer Bierflaschen. Die überwiegende Mehrzahl der Gäste schlief jetzt, schlief sich frisch für die neue Nacht. Wanda und Sven standen engumschlungen auf dem Balkon und schauten rechts am Haus entlang hinüber zur Bucht. Die Türme Danzigs glänzten in der Abendsonne.

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Simone Borowiak – Baroness Bibi

Ein Schundroman für die gebildeten Stände

„Ein herrlicher Morgen dämmerte herauf und überzog die exklusivste Wohnanlage der Stadt mit einem malvenfarbenen Schimmer. In diesem Augenblick meldeten die Frühnachrichten eine Sensation: Schon wieder war ein Kanzler ermordet worden. Das war nun der dritte pfälzische Kanzler in Folge.
Dagegen, daß ein herrlicher Morgen heraufdämmert, ist ja beileibe nichts zu sagen, gegen das Heraufdämmern von ganz und gar unglaublichen Zuständen wie einem dritten Kanzlermord in Folge, hingegen schon. Einmal kann so eine Kanzlergeschichte ja passieren, aber dreimal? Das läßt tief blicken. Ein Land droht in Anarchie zu versinken und niemand scheint dem Einhalt gebieten zu können – außer vielleicht Baroneß Bibi, die sich eben, als diese Meldung ertönt, im seidigen Bettzeugs ihres opulenten Domizils räkelt und entschließt, ihren jugendlichen Luxuskörper und ihre aristokratischen Gehirnwindungen einzusetzen, um diese indiskutablen und einer freiheitlich demokratischen Republik unwürdigen Zustände zu beenden.

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Funny van Dannen – Basics

„Künstler sind nicht überflüssig“ heißt einer der 22 Titel und überflüssig ist Funny van Dannen sicherlich nicht. Weltbewegend aber auch nicht.

Auf seinem zweiten Soloalbum knüpft er da an, wo er mit der ersten CD aufhörte: Ziel ist offenbar die Kombination von deutschem Singer/Songwritertum, Schlager und blödsinnigen bis kabarettistischen Texten. Hört sich ziemlich dämlich an, wenn man diese eigenartige Mischung mit Worten zu beschreiben versucht, aber vielleicht reicht ja auch ein einziges Fremdwort: CHANSON. Nicht gleich erschrecken, ich kann das näher erklären und begründen (und nicht nur damit, daß van Dannen die live eingespielten Stücke des öfteren mit einem „Merci“ ans Publikum beendet).

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Beastie Boys: The in sound from way out!

Erstes time-out nach 11 Jahren nun anscheinend für die Beastie Boys.
Auf die Vorfreude (Ankündigung des Albums) folgt eine viel größere Enttäuschung (Erscheinen des Albums). Anstelle neuer Songs (naja, zwei sind dann doch drauf) gibt´s hier alten Stoff von den letzten beiden Studio-LPs und zwar nur Instrumentales. Und als Zugabe und für den, dem „Lighten Up“ von „Check your head“ nicht instrumental genug war, gibt´s dieses Stück in einer Version, in der die Vokal-Spur einfach weggelassen wurde! Sehr witzig, Jungs.

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Skin: Lucky

Das Beste, was man über diese CD sagen kann, ist, daß sie einen mal wieder daran erinnert, was man an biederem, traditionellem Rock alles hassen kann. Fast hätte ich jetzt auch noch das Adjektiv ´männlich´ benutzt, aber spätestens seit Alanis Morissette und Melissa Etheridge gilt diese Schublade ja nicht mehr: Auch Frauen dürfen jetzt konservative, selbstgefällige, chauvinistische Rockmusik machen.

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Trans-am: Trans-Am

TRANS AM sind ein aus Maryland stammendes Instrumental-Trio mit deutlichen Bezügen zur Rockmusik. „Gesang ist die größte und unnötigste Ablenkung der Welt“, meint Bassist Nathan Means, wie seine beiden Kollegen im Jahr 1973 geboren. Die experimentellen Sachen von KING CRIMSON („Red“) und deutscher Kraut-Rock scheinen die wichtigsten musikalischen Einflüsse für TRANS AM zu sein.

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The Coctails: The Coctails

Schläfrig souligen Gitarren-Pop präsentieren uns die vier Musiker der COCTAILS auf ihrer neuen, gleichnamigen CD. Die Nahaufnahme einer Grapefruit zierte das Cover ihres letzjährigen Europa-Debüts „Peel“, das Frontcover von „The Coctails“ zeigt die Großaufnahme einer Blutorange – der Wiedererkennungswert ist enorm: Citrusfrüchte Teil 1 und 2 oder wie mixe ich mir meinen ganz (band-) eigenen Geschmack von Popmusik.

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Bill Albert – Desert Blues

Desert Blues, der Debütroman von Bill Albert, spielt in den fünfziger Jahren in der amerikanischen Wüste. Die Hauptfigur ist der fünfzehnjährige Harold, der sich als Vollwaise im Bungalow seiner skurrilen Tante Enid in Palm Springs wiederfindet, nachdem sein Vater versucht hatte, auf der Autobahn rückwärts zu fahren. Damit ist Harold zwar seine Eltern los, nicht aber die Probleme, die das Leben in der Wüste für einen Stadtmenschen bereithält, besonders wenn es sich um einen einsachtzig großen jüdischen Teenager mit roten Haaren handelt, den ein 5minütiger Aufenthalt in der Sonne aussehen läßt wie ein rohes Steak.

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Babylon Zoo: The Boy With The X-Ray Eyes

„Spaceman“ hat uns ganz schön die Ohren abgeknabbert. Und nicht zu unrecht. Babylon Zoo, der Vierer aus GB hat Geschick bewiesen. Er hat mit einem gordischen Knoten Brit-Pop-Elemente, die ungezügelte Gitarren-von-der-Leine-Art der Smashing Pumpkins und das ganze Cyber-Gehabe der Post-Generation-X mit ihrem Hang zu Lynch, Science Fiction, Pulp Fiction und Natural Born Killers verknüpft zu einem kräftigen Sound.

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Strawberry Slaughterhouse: Teenage Torturechamber

Irgendwie putzig diese Platte. Nicht wegen der seltsamen Sprache, in der das Booklet verfaßt ist, sondern weil diese Musik wie Bubblegum-Pop klingt und mich an Tanzschulzeiten denken läßt (ich war übrigens nie in einer Tanzschule).
Eigentlich hatte ich Strawberry Slaughterhouse für Fun-Punk gehalten – Covergestaltung und die ulkigen Wörter mit den seltsamen Kringeln brachten mich drauf. Aber die lustige Sprache des Booklets stellte sich als dänisch heraus und die Band entpuppte sich als Gitarren-Power-Pop der Sorte Green Day, allerdings nicht ganz so geschliffen und viel pubertärer.

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Phillip Boa & The Voodooclub: She

Mal ehrlich: Stinkt er uns allen nicht spätestens seit „Hair“, der Phil „Avantgarde“ Boa? Da hat er zwei wirklich innovative und geniale Alben aufgenommen („Aristocracie“ und „Copperfield“; der ersten, „Phillister“, fehlte noch der letzte Schuß Reife), um danach die gerade hippen Stilarten, verbunden mit dem boaschen Getrashe, Album für Album totzureiten. Das ging so bis „God“. Jetzt scheint Boa die Bremse gezogen zu haben.

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Ministry: Filth Pig

Vier Jahre mußte man auf den Nachfolger zum 91er Konsens-Lärm-Album „Psalm 69“ warten. Nun gut, soundtechnisch hat sich nicht viel verändert. Vielleicht handelt es sich bei Al Jourgensen ja auch um einen Perfektionisten a la Lou Reed, der ein Jahr braucht um die Songs zu schreiben und dann weitere zwei Jahre benötigt, um einen Sound zu basteln, der sich dann doch nur in minimalen Nuancen vom Sound der letzten Platte unterscheidet.

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Die Allergie – Psalm in Blei

Die Band heißt „Die Allergie“ und ich krieg die Krätze … „Wir sind die Allergie, wir sind so bös wie nie“. In der Tat: Mir wird auch schon ganz Angst und bange, etwa so wie in der Geisterbahn auf dem Rummelplatz.
Um EMIs Willen, wer hat diesen Jungs erlaubt, ihre Pennäler-Ideologie auf CD rauszubringen? Untermalt von billigem, düsterem Elektro-Metal, den man in dieser Form auch schon hundertmal gehört hat, soll da wohl der Heilige Krieg vom Zaun gebrochen werden: Vom Standpunkt der political correctness sind solche Feindbilder wie scheinheilige Geistliche, spießige Sex-Touristen und Kinderschänder ja in Ordnung, aber die Art, wie die Baden-Württemberger diese Themen in ihren Texten behandeln, ist einfach unerträglich.

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The Flaming Lips – This Here Giraffe

The Flaming Lips ist eine der wenigen Achtziger-Bands, die ihren polternden, unkonventionellen, unorthodoxen Lärm-Rock´n´Roll mit dem Garagen-Charme hinüber retten konnten in das Zeitalter des Trash-/Metal-/Crossover-/Hardcore-Gemansche und das mit zunehmendem Erfolg auch beim jüngeren Publikum. Verändert hat sich in den vergangenen 15 (?) Jahren nichts. Auch diese limitierte CD mit drei Songs, von denen zwei bei einer Peel Session (November 1992) aufgenommen wurden, scheppert und quietscht sich durch alle Tonlagen.

Titelsong „This Here Giraffe“ (äh, das hier Giraffe?) poltert auch auf der „Clouds Taste Metallic“-CD. The Flaming Lips klingen immer noch wie Kinder, die sich einen Joint reingezogen haben und dann die wunderbare Welt von Gitarre, Bass, Schlagzeug und auch Piano („Life On Mars“) entdecken. Man kann förmlich die staunenden Augen raushören (das schiefe Bild ist gewollt, man!) !