Herr Mankell und der Schwedenkrimi

Im 30jährigen Krieg kredenzte man den SCHWEDENTRUNK: eine Labsal, die dem, der sie genoss, nur selten mundete. Das Zwanzigste Jahrhundert amüsierte uns nur mäßig mit SCHWEDENRÄTSELN und SCHWEDENPORNOS und, schon etwas kurzweiliger, SCHWEDENPOP. Als hartnäckigster von all diesen SCHWEDENHAPPEN indes erwies sich der SCHWEDENKRIMI. In den Sechzigern und Siebzigern durch die Romane des Duos Sjöwall/Wallöö erfolgreich nach Deutschland exportiert, ist der Schwedenkrimi Anfang des neuen Jahrtausends in Gestalt der Bücher von Henning Mankell umjubelt zurückgekehrt. Keine Bücherbestenliste, auf der nicht die Geschichten um Kommissar Kurt Wallander penetrant auf Spitzenplätzen liegen, und manche biedere Sekretärin – ein Berufsstand, der ansonsten eher im Hera-Lind-Fieber agonisiert – sah ich schon weltentrückt in Eisenbahnabteilen über „Die fünfte Frau“ gebeugt, Mankells, so viel sei gesagt, bestem Roman.

Kurt Wallander löst seine Fälle im südschwedischen Ystad, wo er ein Team der Mordkommission leitet. Er ist Pessimist und nagt an seinen Depressionen wie weiland Sherlock Holmes an seiner Unterlippe, wenn es galt, komplizierte Sachverhalte zu erhellen. Im Grunde folgen alle Romane dem gleichen Strickmuster: (Mindestens) ein Mord geschieht und stellt Wallander und die Seinen vor Rätsel, die es nach und nach zu lösen gilt. Zwischen den Kapiteln, die sich minutiös mit dem Weg der Aufklärung beschäftigen, gibt es immer wieder andere, die ein Psychogramm des Täters, der Täterin zu zeichnen versuchen. Lustiges Mörderraten wie bei Agatha Christie gibt es bei Mankell nämlich nicht. Das Motiv interessiert ihn und eben der Weg zum Ziel.

Daneben natürlich noch das Seelen- und Familienleben des Helden selbst. Er ist, wie gesagt, reichlich depressiv und leidet vor allem am Zustand der Welt im Allgemeinen und der schwedischen Gesellschaft im Besonderen. Die Mörder werden immer brutaler, die Menschen immer rücksichtsloser, die Polizisten immer inkompetenter und korrupter.

Hm…. spätestens hier aber müssen wir nun doch auf die erste Welle der Schwedenkrimis zurückkommen, auf Sjöwall/Wallöö und ihren Kommissar Martin Beck. Denn eigentlich könnte ich eine alte Rezension dieser Romane hervor kramen und durch bloßen Namenstausch zu einer Rezension der Mankell-Romane machen.

Es war alles schon einmal da: Ein zur Depression neigender Kommissar mit Ess- und Eheproblemen, ein Team aus verschiedensten Charakteren und Temperamenten, vor allem aber: die Sozialkritik. In den Sechzigern und Siebzigern noch galt Schweden als der paradiesische Hort aller Menschenrechte und -gerechtigkeiten. Da tat es gut, eine andere, kritische Stimme zu hören, die das Unmenschliche der Situation heraus arbeitete und darlegte, wie die einstige Vision von der besten aller Welten degenerierte.

Auch die Strickmuster ähneln sich frappant: Ein Mord geschieht (oder auch gleich neun auf einmal wie in Sjöwall/Wallöös „Endstation für neun“), Rätselberge türmen sich auf und werden allmählich abgetragen. Was Mankell von seinem Vorgängerduo indes unterscheidet: Brauchten die gerade einmal 200 Seiten zur Klärung des Falles, können es bei ihm auch schon mal leicht über 500 werden. Das funktioniert dort, wo es die Story hergibt, in der „Fünften Frau“ etwa oder, mit leichten Abstrichen, in „Die falsche Fährte“. Andere Romane, vor allem „Der Mann der lächelte“ oder „Mörder ohne Gesicht“, sind, obgleich nicht ganz so umfangreich, im Grunde nur aufgeblasene Gebilde aus Versatzstücken, wo man bei der Lösung auch Kommissar Zufall oder Kommissar Brechstange bemühen muß.

Wie alle Serienkrimis setzen die Wallander-Romane natürlich auf die Kontinuität der Lebensläufe des Stammpersonals. Das war auch schon bei Martin Beck und seinen Kollegen so. Nachsichtig lächelnd nahm der getreue Leser zur Kenntnis, dass Kollbergs Frau Gun hieß und etwas von Sexualakrobatik verstand. Auch Becks Vorliebe für Schiffsmodelle mußte man Stücker dreißigmal zur Kenntnis nehmen – aber es waren nur kurze Erwähnungen, sie störten nicht weiter.

Anders bei Wallander, der sich etwa fünfmal pro Roman über die hohen Preise für Wurstbrote ärgert, etwa zehnmal seinen Vater erwähnt, der als Maler von Sonnenuntergängen und Auerhähnen sein Geld verdiente, bis ihn der Tod dahin raffte, etwa zwanzig Mal gar begegnen wir dem inzwischen auch schon toten Kollegen Rydberg und überlegen uns mit Wallander, was der wohl in dieser Situation gemacht hätte. Und so weiter. Das nervt.

Schlimmer noch: Es gibt keinen Roman Mankells, in dem der Held nicht etwa Entscheidendes übersieht, nicht weiß, WAS er übersehen hat, aber weiß, DASS er etwas übersehen hat. Und sich wenigstens zehnmal im weiteren Verlauf erinnert, irgendwann etwas Entscheidendes übersehen zu haben, aber nicht zu wissen was. Das nervt ganz arg.

Bei allen déjà vu (oder besser: déjà lu)-Momenten, die der Kenner und Liebhaber der zehn Beck-Romane bei der Lektüre der Mankell-Bücher hat, vermißt er aber eins: den Humor von Sjöwall/Wallöö. Der wird von Roman zu Roman skurriler und erreicht gelegentlich Slapstickniveau. Manchmal basiert sogar die komplette Handlung (vor allem bei „Verschlossen und verriegelt“) auf einem gigantischen Witz, dessen Pointe am Ende offengelegt wird. Nichts von alledem bei Mankell. Die Welt ist trostlos, aber scheinbar noch nicht trostlos genug, um sich darüber lustig machen zu können.

Fassen wir zusammen: Mankells Romane übernehmen viel – nicht selten zu viel – von Sjöwall/Wallöö und fallen häufig hinter den Standard der Originale zurück. Sjöwall/Wallöö sind schneller, präziser, weniger redundant. Sie vermögen es, interessante Charakterstudien zu zeichnen, besonders von den anderen Mitarbeitern des Kriminalteams, während diese bei Mankell seltsam blass bleiben. Letzterer hat seine stärksten Momente immer dann, wenn er nach den Motiven für eine Tat sucht. Dies allein macht aus „Die fünfte Frau“ und „Die falsche Fährte“ lesenswerte Romane. Wo dies indes versagt, bleibt am Ende nur heiße Luft.

Also, Freunde: So ihr die Romane von Sjöwall/Wallöö nicht kennt: Lest sie. Es gibt sie wohlfeil in jeder Buchhandlung. Empfehlenswert sind außer den bereits genannten: „Mord am Götakanal“, „Die Polizistenmörder“ und „Terroristen“, wieder so ein großer Witz mit toller Pointe. Danach werdet ihr in der Lage sein, Mankell vernünftig einzuordnen: Kein Überautor, aber partiell nicht ohne Gewinn zu lesen.

Elizabeth George – Nie sollst du vergessen

Elizabeth George hat sich Zeit gelassen. Zeit, um ihren neuen Roman zu schreiben und Zeit, um die neue Handlung aufzubauen. Mit genüsslicher Akribie baut sie über 900 Seiten die verschiedenen Handlungsstränge auf, um den Leser -fast unbemerkt- immer tiefer in den Strudel der Ereignisse zu ziehen: Eine Frau wird im nächtlichen London überfahren. In ihrer Tasche ein Zettel mit dem Namen des Mannes, der ihre Leiche findet.

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Janet Evanovich – Einmal ist keinmal

Das Leben meint es im Moment nicht gut mit Stephanie Plum. Vor sechs Monaten hat sie ihren Job als Dessousverkäuferin verloren und seitdem nichts Neues gefunden. Der Kühlschrank ist leer, die Möbel verpfändet und das Auto wurde konfisziert. Aber zum Glück hat sie eine große Familie. Vetter Vinnie betreibt ein Kautionsbüro und sucht eine Aushilfe. Als sie dort vorbeischaut, ist der Bürojob zwar schon weg, allerdings liegt gerade einer der hauseigenen Kopfgeldjäger mit Blinddarmdurchbruch im Krankenhaus. Dank Stephanies intimer Kenntnisse über Vinnies Sexleben kann sie als Vertretung einspringen.

Gesucht wird Joe Morelli, Kopfgeld 10000$. Um es komplizierter zu machen, ist dieser zwar ein alter Bekannter von Stephanie, gehört aber eigentlich in die Kategorie ‚Wiedersehen macht keine Freude‘. Von keinem richtig ernstgenommen, begibt sie sich auf die Suche nach Morelli und stolpert, wie es so üblich ist, in einen undurchsichtigen Fall voller Gewalt und Psychopathen. Außerdem nevt ihre spießige Mutter und ihre Oma entwickelt ein untypisches Verhalten für ihr Alter…

‚Einmal ist keinmal‘ von Janet Evanovich ist ein netter Krimi. Vielleicht ein wenig zu nett. Der darauffolgende Band der Stephanie Plum Reihe, ‚Zweimal ist einmal zuviel‘ (Ob sich der Titel auf die Fortsetzung der Reihe bezieht?!) folgt einem ähnlichen Schema wie der erste. Stephanie ist zwar etwas routinierter geworden und die Bösewichter noch kranker im Hirn, aber sonst gibt es keine Überraschungen. Wie schon gesagt: Alles sehr nett, ‚Einmal ist keinmal‘ ist spannender als ‚Zweimal ist einmal zuviel‘ und das Gute triumphiert zum Schluß. Aber Gott sei es gedankt, ein weiblicher Colt Seavers wurde nicht geboren. Das wäre nun wirklich auch zuviel gewesen. So gesehen ist die gute Stephanie ein erfrischender Neuzugang im Reigen der Gangsterjäger.

Janet Evanovich
Einmal ist keinmal
Goldmann 12,90 DM
ISBN 3-442-42877-7
Zweimal ist einmal zuviel
Manhatten by Goldmann 20,00DM
ISBN 3-442-54027-5

Kleine Randnotiz: Dank verlagstechnischer Organisationsfähigkeit ist der zweite Band zuerst in deutscher Übersetzung als Taschenbuch erschienen, aber das kann ja mal passieren.

Urban Blau – Salomes letzter Sommer

Der Krimi reagiert wie kaum ein anderes Genre auf gesellschaftlichen Veränderungen. Klar, als realistisch angelegte Erzählung ist er auch darauf angewiesen eine populäre Rahmenhandlung zu bieten, um neues, ungewöhnliches, kriminelles Potential zu entwickeln. Ein solches Potential hat beispielsweise die Wiedervereinigung und die fünf Minuten danach erfundene Wiedervereinigungskriminalität geboten. Es lassen sich aber auch marginalere Trends festmachen. Auf der Hip-Liste der deutschen Städte in Kriminalromanen ist neben Berlin und Hamburg inzwischen auch die boomende Medienhauptstadt Köln im Kommen, siehe Kakonis, Karr & Wehner. Aber auch die Provinzen sind im Kommen: Berndorfs Eifel, aber auch die Urlaubsinsel der Schönen und Wohlriechenden – Sylt.

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Colin Bateman – Der Engel mit der Rosenschere

Dan Starkey, Kolumnist bei einem Belfaster Tagesblatt und ausgerüstet mit einer Vorliebe für Cola als morgendliches Erfrischungsgetränk und der Fähigkeit, von einem Schlamassel nahtlos in den nächsten zu geraten, trifft fast der Schlag. Bei ihm um die Ecke bahnt sich ein wahres Wunder an. Durch glückliche Umstände wird ein Hinterhofboxer irischer Meister – und Herausforderer für Mike Tyson. Als ob das noch nicht Wunder genug wäre, soll Starkey das Team nach New York begleiten und ein Buch über den Titelkampf schreiben.
Entgegen seiner Befürchtungen ist Fat Boy McMaster, der irische Übergewichtsmeister, ein netter Kerl, der seine Lage realistisch einschätzt und hofft, bis zur vierten Runde durchzuhalten und seine öffentliche Hinrichtung zu überleben.

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Pieke Biermann – Vier, fünf, sechs

Keine Frage, es ist ein hartes Gewerbe, einen Ermittler oder Ermittlerin immer und immer wieder in die triste Welt des Verbrechens zu schicken und das fortwährend mit dem nötigen Maß an Originalität und einer Portion Unterhaltung zu verbinden. Drehbuchautoren können ein Lied davon singen. Pieke Biermann, das Fräuleinwunder des deutschen Kriminalromans, auch.

Das Lied, das sie mit den Taktzahlen vier, fünf, sechs anstimmt, kommt auch nicht richtig in die Gänge. Die Mitspieler können sich anfangs nicht so recht auf ein gemeinsames Tempo und Thema einigen. Nach einer gewissen Zeit hat sich dieses Problem ausgependelt und eingeränkt, aber, was kommt ist nichts, was Kritiker vom Hocker haut.

Der Krimifan kommt mit dieser Situation sichtlich besser zurecht. Er weiß schließlich, warum er zu Pieke Biermann gegriffen hat. Er weiß auch warum er eine weitere Episode aus dem Leben von Kommissarin Karin Lietze verfolgen will. Es ist letztlich eine Frage der Einstellung: Auch beim hundertsten Mal schmeckt Muttis Kuchen, warum also darauf verzichten.

Schreiben kann Pieke Biermann, und das Szenario paßt auch gut in die Zeit des großen Sandkastens Berlin, in dem sich die Bauunternehmer die Förmchen in die Hand geben und von den Großen, die im Sandkasten das Sagen haben gegen kleine Gefälligkeiten das Wasser reichen lassen. Als aber ein Ordnungshüter mit gehörigem Wumms in die Luft fliegt, sieht es so aus, als ob die ganzen schönen Sandburgen davon Risse bekommen und auseinanderzubröckeln drohen…

Pieke Biermann
VIER, FÜNF, SECHS
Goldmann Manhattan 18,- DM
ISBN 3-442-54030-5

Michael Lewin: 2 Romane

Michael Lewin: Der stumme Handlungsreisende
Michael Lewin: Anruf vom Panther

Die Welt ist rund, sie dreht sich, und je nach dem, wo man steht – oben oder unten – kommt man auch ein Stück weit mehr rum als andere. Oder auch nicht, wie im Fall von Albert Samson, dem billigsten aller billigen Privatdetektive. In diesem wie in so vielen anderen Sommern ist es heiß in Indianapolis, heiß im armseligen Wohnbüro und die Geschäfte laufen nicht schlecht; sie laufen überhaupt nicht. Auch das letzte As im Ärmel, eine Anzeige:

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Sven Böttcher – Wal im Netz

Die Zukunft ist einfach nicht mehr das, was sie einmal war, bevor William Gibson den Cyberspace erfunden hat. In naher Zukunft hängt alles am Netz, Stadtwerke, Post, Pornokanal, einfach alles. Und, wer das Netz kontrolliert, sitzt am Drücker.

Das muß auch Inspector Victor Sherman feststellen, als irgendwann im nächsten Jahrhundert in seiner Dienststelle die Meldung eintrudelt, daß ein Irrer namens Moby Dick in totsichere Systeme eingebrochen ist. Der Spaß hört auf, als Moby Dick seine virtuellen Muskeln spielen läßt und die Wasserversorgung der Stadt lahmlegt.

Der dicke Meeressäuger erweist sich als übermächtiger Gegner für Sherman und seine Crew. Jede Spur endet in einer Sackgasse. Es gibt Ärger mit fliegenden Pizzadrohnen, brutalen Kindergangs und religiösen Massenmördern. Als ob das noch nicht genug wäre will Shermans Freundin auch noch Sex. So richtig körperlich wie früher und nicht virtuell. Es sieht zunächst also gar nicht rosig aus. Doch Shermans neuer Mitarbeiter, der computerbegeisterte Scapegood, bringt virtuelles Licht ins Dunkel und die Verfolgung beginnt. . .

Sven Böttcher, vielen bekannt als Übersetzer von Douglas Adams, schickt mit „Wal im Netz“ bereits zum dritten Mal Inspector Sherman auf Verbrecherjagd. Die Stärke des Romans liegt eindeutig darin, daß man jetzt schon nachlesen kann, wie sich das Neunzigerjahre-Revival im nächsten Jahrhundert anlassen wird: mit lustigen Gerichten wie „Serbische Schlachtplatte“ und „Geschnetzeltes Gorazde“.

Sven Böttcher
Wal im Netz
Goldmann
ISBN 3442435218

Jürgen Benvenuti – Harter Stoff

Der Slogan einer Krimireihe lautet: „Jede Stadt hat das Verbrechen, das sie verdient.“ Und was fällt einem in diesem Zusammenhang zu Wien ein? Spontan vielleicht Ladendiebstahl und illegales Urinieren in Parkanlagen. Doch die Situation könnte sich jetzt ändern. JÜRGEN BENVENUTI, hauptberuflicher Zettelverteiler und Fachkraft für Gelegenheitsarbeiten aller Art haucht der K&K Metropole mit seinem Debütroman HARTER STOFF neues kriminelles Flair ein.

Wie so oft beginnt die Angelegenheit mit einem Telefonanruf. Es ist jedoch nicht der klassische beste Freund in Not oder die ebenso klassische mondäne Blonde in höchster Bedrängnis, sondern ein kleinkarierter, spießiger und schleimiger ehemaliger Mitschüler von Jochen, der ihn aus seinen surrealen Träumen reißt. Paul, so heißt der Nichtswürdige, ist die Freundin abhanden gekommen, abgehauen, vermutlich nach Wien in die halbseidene Szene zwischen Junk und Strich. Nach einigem Gejammer rückt er dann rüber, was er will: Jochen soll sie suchen, eine Woche lang, für zehntausend Schilling.

Als Szenegänger und Ex-Junkie ist Jochen vertraut mit dem Milieu und zehntausend sprechen eine eindeutige Sprache. Außerdem gibt es auch noch eine andere Motivation. Pauls Freundin ist Jochens Ex-Freundin.

Die Suche entpuppt sich als Hardcore Tour de Force wozu nicht nur die Drogistenszene sondern auch Skins beitragen. Und Henry Rollins, der von Jochen gern zitiert wird: See me walking with a gun in my hand, see me walking with a gun in my heart, loaded!

HARTER STOFF wurde bereits 1994 in Wien veröffentlicht. Zu diesem Zeitpunkt war Benvenuti immerhin schon satte 22 Jahre alt. Damit gehört er zu den jüngsten Autoren, die nach Arjouni kommen. Sein Stil ist ruppig aber nicht unpersönlich, der Plot gradlinig. Insgesamt ein straffer Krimi, der am Puls der Zeit ist und ein jüngeres Publikum anspricht. Ob das allerdings mit diesem Titelbild funktioniert ist mehr als fraglich. Benvenuti hat wahrscheinlich einen Blutsturz gekriegt als er dieses Cover gesehen hat mit dem sich ein Schmöker in der Sparte „Neue Frau“ verkaufen läßt, aber bestimmt kein Krimi.

Jürgen Benvenuti
HARTER STOFF
dtv 9,90 DM
ISBN 3-423-12205-6

Gisbert Haefs – Kein Freibier für Matzbach

Nachdem Balthasar Matzbach in seinem letzten Fall den Bonner Politklüngel auf groteske Weise aufgemischt hat – unter anderem legte er einer originalgetreuen Kanzlerkopie und einem falschen Oskar Lafontaine das Handwerk – zog sich der Universaldilletant aus diesem Metier zurück. Matzbach tauschte Revolver gegen Remoulade und eröffete ein exquisites Speiselokal auf einem angedockten Kahn am Rheinufer, das seiner Verschrobenheit Rechnung trägt: Der Kellner ist ein gestrandeter Cheyenne, den die US-Army vergessen hat, der Koch ein Ashanti und der Geschäftsführer ein Chinese. Mädchen für alles, im Besonderen auch Damenbeglücker und Bodyguard, ist ein Zwerg mit einschlägiger Halbwelterfahrung.

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Colin Bateman – Eine Nonne war sie nicht

Es fängt ganz harmlos damit an, daß der Kolumnist Dan Starkey seine Frau betrügt und endet damit, daß zwei Autos nebst Insassen in die Luft fliegen. Dazwischen entwickelt sich ein Nordirland-Thriller, der den Preis für das Buch mit dem dümmsten Titel gewinnen kann.

EINE NONNE WAR SIE NICHT heißt im Original „Divorce Jack“. Wie sich rausstellt eine Verballhornung von „Dvorak“. Wegen einer Kassette, auf der sich angeblich eine Aufnahme von Dvorak befinden soll, wird Starkeys Geliebte umgelegt. Dan Starkey gerät unter Mordverdacht und, wie es sich für einen Thriller gehört, muß er die Sache selbst in die Hand nehmen. Dabei kommt er so ziemlich allen politischen Fraktionen und den Paramilitärs in die Quere, die hinter dem Band her sind.

Es geht drunter und drüber: FBI-Beamte fallen von Hochhäusern, Autos explodieren, Sex-Pistols-Platten werden gegrillt und Frauen, die wie Nonnen aussehen sind gar keine. Doch letztenendes siegt zwar nicht unbedingt das Gute, aber zumindest der Status Quo ist wieder hergestellt.

Colin Bateman hat mit EINE NONNE WAR SIE NICHT ein Erstlingswerk hingelegt, das sich wegen des bescheuerten Covers nicht sehen, dafür aber durchaus lesen lassen kann.

Colin Bateman
EINE NONNE WAR SIE NICHT
Bastei Lübbe 9,90 DM
ISBN 3-404-13790-6