Martin Cruz Smith: Gorky Park

„Gorky Park“ von Martin Cruz Smith ist das zweite Buch aus der →Dagger of Dagger (DOD) – Nominierungsliste, welches von „watching the detectives“ besprochen wird. Knapp 25 Jahre alt, gilt „Gorky Park“ als großer genreprägender Klassiker … aber wie wirkt dieses Buch auf den Leser von heute?

Moskau im Frühjahr 1977. Die Breschnew – Bürokratie auf dem scheinbaren Höhepunkt, dem „Goldenen Zeitalter der Stagnation“ (Wiktor Kozlow). Die Stadt erwacht langsam aus dem Winter und drei Leichen werden im Schnee des Gorky-Parks gefunden. Jeweils mit einem Schuss durchs Herz, die Männer zudem mit einem Schuss in den Kopf. Allen wurden die Fingerendglieder entfernt und die Gesichtshaut abgezogen.

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Sommerkrimi -1-

Leicht verdaulich sollen sie sein. Sonnentauglich und so vergänglich wie die Jahreszeit. Eine schöne Erinnerung, wenn es wieder kälter wird, mehr nicht. Sommerkrimis. Wir beginnen unsere kleine Urlaubsfahrt im aktuellen Russland.

Was man über „Blind ist die Nacht“ von Tatjana Ustinowa“ vorab wissen sollte, passt in einen Satz: Vor der Haustür der Moskauer Journalistin Kira Jatt wird ihr Chef erschossen aufgefunden. Alles andere folgt zwangsläufig: Kira gerät unter Verdacht, ihre Lage wird von Seite zu Seite heikler, falsche Spuren werden gelegt, Intrigen gesponnen, Missverständnisse provoziert und aufgeklärt – und das Ende ist so happy wie erwartet.

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Russland zwischen Tag und Nacht

Ein Bilderbogen aus der James Last Russlandtournee.

„Auch Musiker trinken gern“ steht unter einem Foto auf der Plattenrückseite. Auch Musiker? Soll das ein Scherz sein? Womöglich noch „unter anderem Wodka“, man ist schließlich auf Russlandtournee. Aber von vorn: eine Gruppe milchliebhabender Anti-Alkoholiker, nämlich das James Last-Orchester, tourt durch Russland. Und bringt von dort einen „Bilderbogen“ mit. Der ist natürlich musikalischer Natur und nur mit den Ohren wahrnehmbar. Es sei denn man nimmt die Fotos auf der Plattenrückseite. Wenn aber nicht – was mag dann auf einem solchen russischen Bilderbogen drauf sein? Kalinka? Der Säbeltanz? Die Schiwago-Melodie? Ja. Ja. Ja.

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Live: t.A.T.U.

Saarbrücken, Saarlandhalle. 27.5.2003

Es gab Journalisten, die tatsächlich überrascht waren, dass tATu die angekündigte Pressekonferenz platzen ließen. (Den Weg zum Raum nicht gefunden, weil kein Ortskundiger vorweg lief, so die offizielle Begründung.) Es gab auch welche, die sich über das dünne Programm echauffierten. Und es gab welche, die hinterher verbreiteten, es sei alles Playback gewesen.

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t.A.T.u.: 200 KM/H in the Wrong Lane

Ich schäme mich nicht dafür, dass ich die Bildzeitung lese; ich schäme mich, dass ich ohne Bild manche Ereignisse gar nicht mitbekommen würde. Neulich an einem Donnerstag schlug ich die Zeitung auf und las von zwei russischen Teenie-Lesben, die zur Zeit die europäischen Charts stürmen. Wie Homer Simpson blätterte ich weiter zum täglichen Bericht über die jüngste Leverkusen-Krise, um einige Sekunden später nochmals zurück zu blättern: Zwei russische Teenie-Lesben? Gibt es eine alte Bekannte von mir bei der Plattenfirma, der ich irgendwann meine Fantasien anvertraut habe? Ich spreche gar nicht von sexuellen Fantasien – ich meine den Traum, in dem ich Malcom McLaren bin und die Welt mit skandalöser Popmusik dominiere. Man braucht ja bekanntlich nur eine gute Idee. Und t.A.T.u. ist eine sehr gute Idee.

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Marini/Smolderen: Gipsy – Der Tag des Zaren

Manchmal, da sitzt man bräsig vor dem flimmernden Fernseher, schaut sich irgendein Wissenschaftsmagazin oder einfach die Nachrichten an und stellt fest, daß wieder ein Roman über Nacht von fiction zu faction geworden ist. Vielleicht liegt das daran, daß den Erzählern solcher Zukunftsprognosen die weitreichenden Visionen fehlen, wie sie beispielsweise Karl Marx hatte. Jules Vernes Visionen vom 20. Jahrhundert haben wir heute bereits hinter uns gelassen. Karl Marx‘ Vision von der klassenlosen Gesellschaft ist heute utopischer denn je. Noch ein Beispiel: Marini und Smolderen entwerfen ein Szenario für einen Comic, der im postkommunistischen Rußland angesiedelt ist. Es zeigt ein Weltreich in Entropie: Mongolen, Zaristen, Kapitalisten, Freischärler und Separatisten, sie alle prügeln sich um die Macht.

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