Sommer der Erinnerung – Sommer der Hoffnung

11 Jahre ist es her, dass im Saarland der letzte Brocken Steinkohle das Licht der Welt erblickte. Der Sommer war mäßig, mal Sonne, mal Schauer und bitter war das Abbau-Aus für alle Betroffenen… Was soll man sagen, das Wetter ist heute nicht besser, aber der Strukturwandel ist geschafft. Hier am Beispiel der saarländischen Bergmannsfilharmonie, die in der neuen Spielzeit in der zweiten Liga spielt, gegen Glückauf Hannover und Kloppstock Rostock oder so.

Alles wird gut!

Sommerkrimi -4-

Sommer und Abenteuer. Davon hatten wir bisher reichlich. Zeit, es etwas langsamer angehen zu lassen und einen Kurztrip an einen Ort zu unternehmen, der für die Langsamkeit der dort lebenden Menschen und ihrer Gedanken bekannt ist: die Pfalz. Genauer gesagt: Kaiserslautern.

Schön; dies schreibt ein Saarländer, Vertreter eines Volksstammes mithin, der wegen seiner räumlichen Nähe zu Pfalz und Pfälzern gestraft genug ist. Schon dieser Dialekt – man kann die Pfalz bekanntlich nur mit Ohropax durchqueren, wenn man keinen Schaden an Leib und Seele nehmen will, und da ist es schon sehr rücksichtsvoll von Dr. Bernd Franzinger, seinen Krimi „Dinotod“ in astreinem Hochdeutsch anzubieten. Aber als Akademiker (in der Pfalz erhält man den Doktortitel, wenn man vor dem Schreiben des eigenen Namens sicherheitshalber noch mal in den Duden schaut) weiß Franzinger natürlich, was er der Kultur, die bislang so schmählich an der Pfalz vorbeigegangen ist, schuldig ist.

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Elke Schwab: Kullmanns letzter Fall

Wahlweise morgens oder abends. Du enterst einen Nahverkehrszug, der dich in fünfundzwanzig Minuten zur Arbeit / nach Hause bringen soll (aber nur, wenn der Chauffeur nicht mittendrin mal wieder „dringend aufs Klo“ muss, wo er dann gemütlich die Bildzeitung liest und eine qualmt). Du bist dem Schülergeschrei / dem Omaschnattern hilflos ausgesetzt, der Blick aus dem Fenster bietet weder Ablenkung noch Trost. Also: Buch her. Krimi bevorzugt. Deine Ansprüche sind gering.

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Wolfgang Ludewig: Glücksritter im Labyrinth der Leidenschaften

Saarländer, die Romane schreiben? Das stimmt fast so hoffnungsvoll wie einarmige Zwerge beim Hammerwerfen. Und ein Titel wie „Glücksritter im Labyrinth der Leidenschaften“ animiert geradezu zum Nichtlesen. Wäre aber ein Fehler.

Worum geht es in Wolfgang Ludewigs Roman (den Titel wiederhole ich jetzt nicht mehr)? Birdie und Mollie, zwei Saarbrücker Langzeitstudenten/ABMler brechen im Jahre 1991 nach Kreta auf, um dort zu urlauben, d.h. für ein paar Wochen einer südlicheren Variante ihres saarländischen Lebens zu frönen, dessen Eckpfeiler Suff, Sex und Quatschen sind.

Das Saarland ist rasch verlassen, und das ist gut so; denn leider ist auch Ludewig von der anscheinend typischen saarländischen Autorenkrankheit, bei der Beschreibung ihrer Heimat in den drögen Duktus eines Angestellten des Saarbrücker Fremdenverkehrsvereins zu fallen, heimgesucht worden.

„Über die Saarstraße gelangte er zum St. Johanner Markt. Der ‚Markt‘, wie ihn die Saarbrücker liebevoll nennen, hatte sich vom ehemals verrufenen Rotlichtbezirk zum Aushängeschild saarländischer Lebensart entwickelt. Klein-Paris sozusagen.“
(Nebenbei bemerkt wäre mir, dem bekennenden Fußgängerzonen-Hasser, lieber, die Nutten stünden sich dort noch die Beine in den Bauch. Angenehmer als in Straßencafés breitgesetzte Schickimicki-Ärsche ist dieser Anblick allemal.)

Das ist aber quantité négligeable, wie der Klein-Pariser sagt, ebenso der Reiseweg via Berlin und Prag. Ja, auch der Aufenthalt auf Kreta ist nichts, was Ludewig und seine Helden zu breitangelegten geografisch-soziologischen Reflexionen inspiriert. Was allein zählt, sind die Dialoge von Birdie und Mollie. Ihretwegen lohnt das Lesen dieses Buches.

Sie quatschen wirklich über Gott, die Welt, Pop und Architektur, denn die solide Halbbildung der beiden Geisteswissenschaftler muss raus wie alles andere, das man nicht richtig verdaut hat. Und hier nun gelingen Ludewig geradezu aparte und durch die Bank wahre Psychogramme einer Spezies Mensch, die es Anfang der Neunziger zuhauf und auch heute noch mehr als genug gibt: den leicht asozialen Besserwisser im eigenen Saft, der bevorzugt alkoholisch ist. Hören wir kurz in einen solchen Dialog:

„Mollie, wenn es gesellschaftliche Veränderung durch Literatur gibt, dann nur, wenn sie massenwirksam ist.“
„Quatsch. Literatur ist immer elitär. Es ist geradezu notwendig, dass wahre Kunst sich dem Massengeschmack entzieht.“
„Elitärer Sack!“
„Dummschwätzer!“
„Was ist Hemingway im Vergleich zu T.S. Eliot und Shakespeare und was sind Böll und Grass im Vergleich zu Arno Schmidt und Rainer Maria Rilke?“

Wahre Worte. Und wir ahnen schon, wie diese hochintellektuelle Unterhaltung endet. So nämlich:

„Für mich ist nur der ein echter Künstler, der malen kann.“
„Den deutschen Bauer auf dem Felde, du Fascho!“
„Ich Fascho? Es langt, Mollie!“
„Dein Kunstbegriff ist hochreaktionär bis kryptofaschistisch.“

Man wird zugegeben, dass diese Dialog nur begrenzt „witzig“ sind, und das ist gut so. Denn ihre eigentliche Komik beziehen sie aus ihrer Authentiziät, aus der Selbstverständlichkeit und Ernsthaftigkeit, mit der sie am laufenden Band produziert werden .

Ludewig begeht dabei nicht den Fehler, seine Personen und ihre Ergüsse als Karikaturen anzulegen. Sie schweben nur ganz knapp über der Normalität, was sich auch in ihren kretischen Aktivitäten wiederspiegelt. Mollie, Birdie und all die anderen Urlaubsdeutschen sind alternative Spießer, die in Diskos abhängen, Frauen resp. Männer aufreißen, über den griechischen Schlendrian fluchen und heimlich den Kondomvorrat ihres Reisepartnerns checken, um über dessen sexuelle Ergüsse auf dem Laufenden zu sein.

Erst gegen Ende des Romans zeigt sich diese Normalität in ihrer ganzen Absurdität, als es Mollie mit Hilfe eines Gesprächs über den korrekten Konjunktiv gelingt, eine Frau dort hin zu bringen, wo sie natürlicherweise alle landen: ins Bett.

Das ist, wie gesagt, komisch, weil es wahr ist, und nicht wahr, weil es so komisch ist. Ludewig ist ein unterhaltsamer, gut geschriebener Roman gelungen, in dem sich Alltag und Wahnsinn geben, wie sie nun einmal sind: so unzertrennlich wie Birdie und Mollie, so siamesisch verwachsen wie Bildungskultur und Wissensmüll.

Wolfgang Ludewig:
Glücksritter im Labyrinth der Leidenschaften.
Conte Verlag, 220 Seiten, €12,90.

Martin Conrath: Stahlglatt

„Bitte, bitte, nur ein paar Zeilen!“ Die Stimme des Herausgebers stürzt in ein Jammertal. „Bedenken Sie doch: Es ist ein Saarland Krimi!“

Ich schweige ein paar Sekunden, räuspere mich und antworte brutal: „Ja, ja. Saarland Krimi. Wenn der Autor nur am Bindestrich gespart hätte – geschenkt. Aber so… Ich bespreche grundsätzlich keine Bücher, die mir beim Lesen körperlichen Schmerz bereiten.“

„So schlimm?“ Der Herausgeber heuchelt Mitgefühl. „Schlimmer!“

„Und…“ – er überlegt angestrengt – „… es gibt wirklich gar nichts, was man zu Gunsten von Martin Conrath und seinem Krimi ‚Stahlglatt‘ vorbringen könnte?“

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Electricity 2002

Das kleinste Bundesland ist außerhalb seiner Landesgrenzen nicht bekannt dafür, eine nennenswerte Elektro-Szene sein Eigen nennen zu dürfen. Elektronische Musik ist nicht das Steckenpferd der Saarländer. Um so erstaunlicher war es als die Landesregierung vor einigen Monaten mitteilte, sie wolle in der Landeshauptstadt ein Festival für elektronische Musik organisieren. Mit internationalem Flair und großen Einzugsbereich versteht sich.

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Clipper: Schön gedacht (Demo-MC)

Sechs Titel von der jungen Band aus dem Saarland. Gut produziert und schön verpackt. Songs der etwas anderen Art mit deutschen Texten von bisher unerreichter Qualität, zumindest das Saarland betreffend. Gut , ich hör‘ euch schon „Hamburger Schule“ rufen und seh‘ euch schon gähnen, aber obwohl „Hamburger Schule“ und „Pullunder Rock“ Begriffe sind, auf die sich Clipper in ihrem Info auch direkt beziehen, werden diese abgedroschenen Schlagwörter der Band nicht gerecht.

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