Christiane Geldmacher: Rheingauer Spitzen – Leseprobe –

KAPITEL 2

„LEICHHARDT! SIND SIE SCHON IN WIESBADEN?!“
Mit spitzen Fingern hatte ich die Nummer des Wiesbadener Polizeipräsidiums gewählt und Juskowiak drehte gleich durch, als ich ihn dranhatte. Ich schaute auf die Uhr: Es war erst elf. Völlig unmöglich, dass ich schon zu Hause hätte sein können. Der reine Terror.
„Ganz ruhig, Chef“, versuchte ich, den Kerl zu beruhigen. „Hören Sie … ich hab das ganze Zeug gelesen, das Sie mir durchgemailt haben … Den Tatortbefund, den Obduktionsbericht, die Zeugenaussagen … ein ungewöhnlicher Mord, zugegeben … und ich will gern helfen. Ich hätte einen Kompromiss…“
„Kein Kompromiss! Sie setzen sich sofort ins Auto!“

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Für den Regionalkrimi!

Sehr ordentlich gestern, der Münchner Tatort. Das Drehbuch? Von Friedrich Ani.
Okay, dass die Wies´n-Wirtstochter dem Batic einen Rilke schenkt, war überzogen, und vielleicht sogar, dass wir es auf einmal mit sprachkritischen Kommissaren zu tun hatten (mit hochgezogenen Augenbrauen gefragt: „voll umfänglich?“; „im Epizentrum der Macht?“), aber schön waren die vielen Auslassungen – Szenen, in denen nur Auto gefahren und nicht gesprochen wurde – und die wirklich schlauen und lustigen Dialoge. Fazit: Es bringt viel, wenn ein lokal ansässiger Autor vor Ort die Tatort-Drehbücher schreibt.

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Enough is enough!

Es reicht, Georg ist fällig. Aus diesem Grund gibts jetzt ein Ratespiel: Wer zuerst unter den Beitrag postet, wer der Autor des folgenden Absatzes ist, in dem in so BEFREIENDER Weise mit dem Apostroph umgegangen wird (die nicht das Schriftbild zerreißt und kaputtmacht), der gewinnt ein Hinternet-T-Shirt. So was gibts, schön schwarzweiß, Zeichnung von Raphael Wünsch drauf, die Redaktion schickts.

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Gabriele Wolff: Im Dickicht

Ich bin ja immer zu spät mit allem, also auch mit der 64 Seiten und Schluss!– Reihe des Nautilus-Verlags, aber das Buch von Gabriele Wolff habe ich eben in einem Zug gelesen. Kann sein, dass es daran liegt, dass die Protagonistin mit einer Zaunwinde kämpft, die alle anderen Pflanzen im Garten ersticken will und die ich auch im Garten habe. Kann aber auch sein, das es daran liegt, dass die Geschichte in Neuruppin spielt, und dass das das Fontaneland (und Schinkelland) ist, dass ich so liebe und gar nicht genug drüber lesen kann. Kann schließlich noch sein, weil die Autorin sich mit Würstchen auskennt und die Wiener den Bratwürsten (grob, fett, grauenhaft; Anmerkung von Anobella) vorzieht.

Jedenfalls hat mir das Büchlein gut gefallen und ich habe es in einem Stündchen ausgelesen. Die Perspektiven wechseln zwischen einer Frau (der Zaunwindenbekämpferin) und dem Ermittler (Ich-Erzähler) ab. Viele schöne Beobachtungen werden geteilt, zum Beispiel das Unbehagen einer Mutter an ihrem halbwüchsigen Sohn: „Als sie die Haustür öffnete, stand ihr Sohn bereits davor. Nein, er stand nicht, er kippelte auf seinem Skateboard hin und her, wobei er, den Kopf gesenkt, in einer der vielen Taschen seiner unförmigen Hose kramte. Er trug einen Helm, Knieschützer und das Trikot der deutschen Nationalmannschaft“ oder dies: „Es tat gut, Dinge anzusehen. Zuckerschoten, Paprika, Weintrauben. Eingelegte Weinblätter, Oliven, Schafskäse, Lammkoteletts, Wildschweinleberwurst und Roastbeef.“

Genau. Wenn man in Neuruppin ist – einem grandios verschlafenen, hübsch klassizistischen Provinzstädtchen in Brandenburg – dann schaut man sich nach sowas die Augen aus.

Suspense ist es, Suspense mit einem Ermittler.

Etwas kurzfristig: Tote haben keine Lobby

Ein Elektriker hat seine vier Ehefrauen umgebracht und keiner hat was gemerkt. Dokumentation auf >>>3sat um 20.15 Uhr.

Der zweiteilige Film von Manfred Uhlig geht der Frage nach, ob es den perfekten Mord gibt. 1.200 bis 2.400 Fälle werden jedes Jahr nicht aufgeklärt, jeder zweite Mord in Deutschland bleibe unentdeckt. Die Gründe: Arbeitsüberlastung, Desinteresse und Geldmangel bei Polizei/Staatsanwaltschaften. Außerdem koste eine Obduktion 500 Euro und Hausärzte – Totenschein! – seien in der Regel nicht dafür ausgebildet, Mordspuren wie Würgemale, Strommarken und Vergiftungserscheinungen zu erkennen.

Den zweiten Teil von „Tote haben keine Lobby“ zeigt 3sat am Montag, den 21. Mai um 20.15 Uhr.

Dünne Männer bei 3sat

Detektiv Nick Charles und seine Frau Nora, na, wer hat die erfunden? Richtig. Dashiell Hammett. Und wer hat sie gespielt? Falsch. Auch falsch. Ganz falsch. Es waren William Powell und Myrna Loy, inszeniert von W.S. Van Dyke. Zu Tagesmensch-freundlichen Zeiten werden die dünnen Männer jetzt von 3sat gesendet, immer montags um zwei Uhr (mittags). Am 2. April kommt „Der dünne Mann“; am 16. April „Nach dem dünnen Mann“; am 23. April „Noch ein dünner Mann“, am 30. April „Der Schatten des dünnen Mannes“ und am 7. Mai, „Der dünne Mann kehrt heim“. Alle dünnen Männer entstanden zwischen 1934 und 1944.

Sekundärliteratur: Stefan Harbort, Das Serienmörder-Prinzip

Stefan Harbort, stellvertretender Leiter eines Kriminalkommissariats beim Polizeipräsidium Düsseldorf, hat sich über 15 Jahre lang mit Serienmördern beschäftigt. Er hat sie getroffen, Briefe gewechselt und seine Erfahrungen/Erkenntnisse in einem Buch mit dem Titel Das Serienmörder-Prinzip zusammengefasst. Es beruht auf über 50 Interviews. Unter anderem beschreibt er den Fall eines amerikanischen GI`s, der bis fünf Minuten vor seiner ersten Tat nicht wusste, was auf ihn zukommt. Er sagte: „Die meisten Menschen wissen nicht, wozu sie fähig sind.“

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Wiedergelesen: Patricia Highsmiths Ripley´s Game

Ich habe lange gebraucht, bis ich Patricia Highsmith lesen konnte. Erst schaute ich ein Jahrzehnt lang auf ihre Bücher runter, weil ich sie zu kalt und zu blass fand. Dann schaute ich ein weiteres Jahrzehnt auf ihre Ripleybücher runter, weil ich sie zu kalt und zu blass fand. Jetzt also – noch mal Kommando zurück – gefallen mir auch die Ripleybücher. Ich habe keine Ahnung, was ich gegen sie hatte. Sie sind typisch Highsmith und haben die gleiche Grundthese: Das Böse ist in uns, nicht außer uns. Das macht sie spannend. Ihre Helden sind immer Schwächlinge, mehr oder minder sympathisch. Keiner bei Highsmith hat sich im Griff, keiner produziert coole Sprüche; und alle sind irgendwie gefühlsarm.

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