Leonard Cohen: More Best Of

Nur fünf Jahre nach dem Erscheinen von „The Future“ hat sich der Meister also wieder herabgelassen, eine Studio-Arbeit zu veröffentlichen.
Was jedem anderen Künstler einen wütenden Lynchmob auf den Hals gehetzt hätte, ist für Cohen-Fans schon mehr als sie je zu träumen wagten: „More Best Of“ enthält gerade mal einen einzigen neuen Song, „Never Any Good“. In dem im Stil der beiden letzten Alben gehaltenen Song gesteht Cohen seine Unfähigkeit zu lieben. Vielleicht war ihm, neben kommerziellen Aspekten natürlich, das fast schon autobiographisch zu nennende Thema des Songs so wichtig, daß er ihn in die zweite Sammlung seiner besten Songs aufnehmen mußte, obwohl er sich noch im Frühjahr 1996 nicht scheute, vor laufender Kamera zu verkünden, er fände den Song mit seiner eigenen Stimme nicht gut genug und ließe ihn deshalb lieber von einem anderen Sänger (Billy Valentine) singen. Ob Cohen also wirklich hinter diesem Song steht, ist eher fraglich.

Ebenso geheimnisumwittert ist die Frage, warum es „A Thousand Kisses Deep“, 1996 auf Mt. Baldy entstanden, nicht auf die CD geschafft hat. Dieser Song wäre der Fangemeinde wahrscheinlich tausendmal lieber gewesen als „The Great Event“, ein durchaus respektabler Text, der allerdings für einen Song so ungeeignet ist, daß Cohen ihn als eine Art Spoken Word Performance von Victoria, einer computergenerierten Stimme, vortragen läßt. Daß der Künstler fünf Worte synchron mitflüstert, ist eher geeignet, die Stimmung des Stücks zu stören, als sie zu unterstreichen.

Auch die Auswahl der übrigen Songs ist nicht gerade leicht nachzuvollziehen. In der Sammlung der besten Stücke seiner beiden letzten Studio-CDs fehlen offensichtlich „Waiting For The Miracle“ und vor allem „First We Take Manhattan“. Entbehrlich gewesen wären hingegen „Take This Waltz“, ein Walzer, dessen Text ja „nur“ eine Lorca-Adaption ist, und „Anthem“. Neben den Studioproduktionen finden sich aber ebenfalls drei Stücke von Cohens 1994’er Live-CD „Cohen Live“ auf der CD. Die Live-Version des Cohen-Oldies „Suzanne“, die so klingt, als wollte der Meister trotz einer gehörigen Dosis Valium aus Trauer über seine während der ersten Takte versehentlich an den Saiten seiner Gitarre abgeschnittenen Finger Suizid durch Ertrinken in Selbstmitleid begehen, befindet sich wohl auch nur als Kaufanreiz auf der CD. Insbesondere, da die Studio-Version von „Suzanne“ ja schon auf der „Best Of“-CD enthalten ist.

Alles in allem fragt man sich also, welchen Grund es eigentlich geben sollte, die CD zu kaufen. Die Antwort ist einfach: Weil sie von Leonard Cohen ist. „More Best Of“ gehört einfach in jeden CD-Ständer, der noch keine Cohen-Sammlung enthält und schon wegen „Never Any Good“ auch in die Sammlung aller Cohen-Fans. Die können sich mit „More Best Of“ ja die Zeit vertreiben, bis vielleicht irgendwann noch eine neue CD mit unrecyceltem Material erscheint.

Leonard Cohen: More Best Of
(Columbia)

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