Power to the people

In der Süddeutschen Zeitung (→ Miss Molly) sieht Andrian Kreye die Ehre der Cover-Version durch Cat Power und ihr neues Album „Jukebox“ gerettet. So weit, so gut, aber Kreyes Artikel (immerhin der Feuilleton-Aufmacher der Wochenendausgabe) hat mich wirklich aufgeregt. Nicht weil er die hier gerne gehörten Nouvelle Vague doof findet, sondern weil der Artikel voll ist von kleinen Unterstellungen und Ungenauigkeiten.


Ein paar Beispiele:

Man spielte längst vergessene Stücke von längst vergessenen Stilpionieren wie Big Star, The Babys, oder den Replacements.

Big Star und The Replacements längst vergessen? Nicht solange wir noch ein Wörtchen mitzureden haben, Herr Kreye. Und was haben, bitte, The Babys mit Stilpionieren zu tun?

Wenn Travis „Oops!… I Did It Again“ von Britney Spears als Zugabe spielen, oder die Donnas ein Stück von Kiss, war der Witz eindeutig.

Ich habe Travis nie live gesehen und kann deswegen nichts zu ihrer Version von „Oops!…“ sagen, aber bei den Donnas – die sich eben längst von der Punkband in eine Hardrockcombo gewandelt haben – bin ich sicher, dass ein Kiss-Cover nicht als Wiz gemeint ist.

Was es bedeutet, wenn Sufjan Stevens ein Stück von R.E.M. singt, wissen nur noch Eingeweihte.

Vielleicht findet er einfach, dass „The One I Love“ eines der schönsten REM-Stücke ist.

Vor drei Jahren adelte kein geringerer als Johnny Cash die Covermanie mit seinem Album „American IV“, auf dem er unter anderen Nine Inch Nails, Depeche Mode und Sting interpretierte. Das allerdings war keine Ironie, sondern eine Anerkennung des jeweiligen Songschreiberhandwerks.

Das Adeln und Anerkennen begann bei Cash nicht vor drei sondern schon vor 14 Jahren mit dem ersten „American Recordings“-Album.

Egal ob das zornige „Too Drunk To Fuck“ von den Dead Kennedys oder das tragische „Love Will Tear Us Apart“ von Joy Division, alles war plötzlich so schmerzfrei hip wie eine Fotostrecke der Möbelzeitschrift Wallpaper.

Jello Biafra, der alte Politrocker hat ja wirklich viele zornige Songs gegen die Unterdrückung und Ungerechtigkeit in der Welt geschrieben, aber ausgerechnet „Too Drunk To Fuck“ fand ich immer eine schlichtweg spaßig gemeinte Nummer. Sollte ich damit wirklich so falsch liegen?

Das Problem mit dem ironischen Zitat ist die Geste. Letztlich stehen im Hintergrund immer noch Jimi Hendrix mit seiner Fassung der amerikanischen Nationalhymne in Woodstock und Johnny Rottens respektlose Punkversion von Frank Sinatras „My Way“.

Au weia. Man kann ja zu Johnny Rotten stehen wie man will, aber ihn mit dem talentlosen Sid Vicious zu verwechseln ist schon peinlich. Und dessen Version von „My Way“ hat nun wirklich nichts Hintergründiges.

Das alles hat die Sängerin aus Georgia mit Studiomusikern eingespielt, die sie zu einem Teil aus Veteranen rekrutiert hat, die schon mit Neil Young, Janis Joplin und Al Green gespielt haben, teils mit Nachwuchs aus Bands wie Dirty Three, Delta 72 und der Jon Spencer Blues Explosion, die ihr schon bei den Konzerten zu ihrem letzten Album „The Greatest“ eine gültige Form der Zeitlosigkeit geschaffen hatten.

Dirty Three und die Jon Spencer Blues Explosion gibt´s seit Anfang der 90er Jahre. Und trotzdem gehören die Musiker immer noch zum Nachwuchs?
P.S.: Ja, „Jukebox“ ist ein tolles Album.

Ein Gedanke zu „Power to the people“

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