Kreidler: Kreidler

Die Band, die mich bei Erscheinen ihres Debuts „Weekend“ an eine rockigere, deutsche Version von Chicagoer Postrockern wie Tortoise erinnerte, wirkt auf ihrem dritten Album melodienselig und verspielter denn je, fast so als ob Sensorama ihr Album „Love“ nocheinmal mit Band eingespielt hätten.
Was Kreidler als Band ausmacht ist der Einsatz eines Schlagzeugs und eines Basses, die beide sehr stoisch und patternorientiert das rhythmische Grundgerüst für allerlei flächige, zärtliche und intim-anheimelnde Sounds bereitstellen. Hier wird nicht mit Muskeln geprotzt, sondern stets versucht, den Zuhörer mit Detailsuche zu konfrontieren. Schon gar nicht kann von einer gewissen Improvisierfreude gesprochen werden, wie es zum Beispiel bei Tortoise der Fall ist.

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Boards Of Canada: In A Beautiful Place Out In The Country

Schon seit ihrem Debüt auf Skam 1996 verbreitet das schottische Duo Boards Of Canada diese unheimlichen Untertöne, wie Schleifen, Rauschen, Kinderstimmen, um ihren gläsernen Eispalästen von Tönen den Geist eines zugefrorenen Sees in der Tundra einzuhauchen. Auch optisch wird auf den Covern diese schön-schaurige Stille einer Landschaft oder einer verwackelten Momentaufnahme von seltsamen Eindrücken oder Traumsequenzen verbreitet; so zum Beispiel auf meinem Lieblingscover einer Warp – Platte ever, der Doppel – LP „Music has the Right To Children“. Darauf ist eine Familie – der Mode nach aus den Siebzigern – wie unter Seewasser im Schleier von schwimmenden Partikeln abgebildet, deren Mitglieder ohne Gesichter an einer Mauer stehen oder lehnen.

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Gus Gus: This is normal

Darauf habe ich nicht erst seit dem umwerfenden 4AD-Event auf der Popkomm gewartet, sicherlich eines DER Konzerte, das ich im Leben nie und nimmer missen möchte. Was dieses audiovisuelle Klangkollektiv an Performance darbietet, ist wohl mit einem normalen Bandformat nicht zu vergleichen. Der Sänger, von grünem Licht diabolisch angestrahlt, wirkte mit einer ungewöhnlichen, dafür umso markanteren Stimme wie aus einer anderen Dimension. Die tanzende Sängerin, oder besser gesagt, singende Tänzerin nahm mit ihrer björkhaften Manier nicht nur die Männerwelt in ihren Bann.

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Rootdown 99

Rainer Trüby ist einer der großen Namen, wenn man auf das zur Zeit aufkeimende Dancefloor-Jazz Revival zu sprechen kommt. Nicht nur Gilles Peterson, einer der Masterminds und Mitbegründer des Acid-Jazz Labels schätzt den Schwarzwälder Jazz-Nerd als Besitzer einer der größten Kollektionen von aus dieser Sparte unerläßlichen Schallplatten. Sein Output auf Compost mit dem Rainer Trüby Trio dürfte der Anhängerschaft von solchen Acts wie Kruder und Dormeister hinlänglich bekannt sein, seine Root Down Sessions in Freiburg vielleicht nur ansässigen Szenegestalten. Nun gibt es die Highlights seiner DJ – Tätigkeit auf dieser Zusammenstellung von absoluten Essentials der neuen Gesichter des Jazzy Dancefloor Sounds.

Vertreten sind die Helden des DJ/Producer Collectives aus Berlin, Jazzanova, um die medial niemand mehr herumkommen wird. Gleich zweimal zu hören mit einem Remix von Ian Pooleys „What´s Your Number“ und dem eigenen Stück „Atabaque“, zeigen sie, daß sie sich auch im House-Kontext wohlfühlen und die Kurve zum Jazz nicht nur harmonisch ankratzen, sondern – vor allem bei der Eigenkomposition – die Rhythmik dieses Genres beherrschen.

Hervorragend auch die Verneigung von Masters at Work vor der Afrobeat-Kultfigur Fela Kuti, die gleich mit bis zu zwölf Minuten einen wilden Trommeltanz entfachen. Internationale Prominenz sind Blaze, die mit ihrem jazzy Mix von „My Beat“ am housigsten rüberkommen. Ich könnte weiter versuchen die Perlen dieser Meisterzusammenstellung rauszupicken, es wäre sinnlos, da kein Track dem anderen nachsteht. Klassiker.

Diverse
Rootdown 99
(Nuphonic/Pias)

Interview: Plaid

Konkret vs. Abstrakt – 1:0 für Plaid

Bei einem Bandinfo, das die Eigenschaften des zu beschreibenden „Produkts“ so diffus hält, wie jenes von Plaid, denkt man entweder an Nichtigkeit oder eigene Liga. Bei einem Label wie es Warp vormacht, kann man sich blind darauf verlassen, daß der gefeaturte Act letzter Kategorie angehört. Kennt man sich ein wenig mit experimenteller, elektronischer Musik aus, weiß man schon längst welche bedeutende Künstler hinter diesem Sheffielder Pionierlabel stehen. Die populärsten Auswüchse lesen sich wie das „Who is who“ der elektronischen Intelligenzia: Autechre, LFO, Aphex Twin oder auch der durchgeknallte Finne Jimi Tenor haben den Initiatoren Rob Mitchell und Steve Beckett längst zu etwas Kleingeld verholfen. (Wer einen vollen Überblick über das Warp – Programm haben möchte, sollte sich die Collection „wap 100“ anhören.) Auch Plaid gehören – vielleicht sogar mehr als die hier aufgezählten Knöpfedreher – zu der Gattung Underground mit starker Verbindung zum Pop-Biz. Das Vorgängerprojekt Black Dog genoß schon in den frühen neunziger Jahren Kultstatus. Man umgab sich mit allerlei Mystik, gab Interviews ausschließlich via Internet, Photos der einzelnen Mitglieder suchte man vergeblich, und die Musik selbst war alles andere als leicht verdauliche Kost.

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De-Phazz: Godsdog

Man braucht nicht unbedingt auf die üble Chartnummer „Mambo No. 5“ zurückzugreifen, um diesen Sommer seine Tanzstundenerinnerungen aufleben zu lassen. Es geht auch weniger flach – mit De-Phazz! Die erste Nummer auf dieser Nu-Bossa-Scheibe „The Mambo Craze“ ist ein Hit und läutet den folgenden Reigen von Easy Jazzy Listening Masterpieces gekonnt ein. Rhythmisch findet man von leichtem Drum and Bass-Einlagen über Downbeat immer wieder zum gemeinsamen Nenner Jazz.

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The Chemical Brothers: Surrender

Gone are the days of block rockin beats!

Ganz schön abgespeckt und im Vergleich zum Vorgänger „Dig Your Own Hole“ leichtfüssig, schaffen die Chemicals das Monster „Big Beat“, zu zähmen. Jaja….die Geister, die man rief. Eine ruhige Ambient – Platte ist „Surrender“ trotz zurückgeschraubter Rockkompatibilität nicht geworden. Der Gewinn des Awards Best Rocking Act bei den MTV Music Awards scheinen Tom Rowlands und Ed Simons nicht ganz verkraftet zu haben. Die geeignete Waffe gegen allzuviel Prolligkeit ist der verschärfte Einsatz von Vocal-Tracks, die den Breakbeat-Tüftlern auf den ersten Alben immer am besten zu Gesicht standen. So viele verschiedene Gastauftritte am Mikrophon hatten die Chemical Brothers allerdings noch nie.

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Hurricane #1: Only The Strongest Will Survive

Bekannter geworden als Ihnen letztendlich recht sein dürfte, sind Hurricane#1 mit dem Titelsong als Hintergrundmusik zur Werbung für das Schmierblättchen „The Sun“, das vom Niveau dem der Bildzeitung gleichkommt. Welch ein Zynismus hinter einem Knebelvertrag mit der Industrie steckt, wird durch eine solche Anekdote klar. Das Unterschreiben der Klausel, daß die Rechte eine Stückes von Dritten (wie zum Beispiel Produzent, Management oder Verlag) zu solchen Zwecken gebraucht – in diesem Fall ist „mißbraucht“ – wird, macht klar wie beschissen die Lage für den Künstler ist, der ein bißchen über den Tellerrand seines Underground – Daseins schauen möchte.

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Plaid: Rest Proof Clockwork

Plaid, oder ‚Blaad‘ wie man es auf walisisch ausspricht, was einem Techno-Experten aus meiner Stadt sehr wichtig erscheint, veröffentlichen im Juni ihr zweites Album auf Warp. Nachdem die erste Platte „Mbuki Mvuki“ schon 1991 rauskam, aber kaum Beachtung fand., erlangten die Herren Ed Handley und Andy Turner mit ihrem Partner Ed Downie als Black Dog mehr Aufmerksamkeit, ja geradezu Kultstatus. Diese brachten mit einigen Alben der Öffentlichkeit das Sheffielder Experimental Label Warp näher und wuchsen förmlich mit ihm. Die von Black Dog ausgehende Anziehungskraft muß so groß gewesen sein, daß die Herren einige Stücke diverser Popgrößen, u.a. von Björk, remixen durften. Nachdem sich ein Jahr zuvor Black Dog, sprich Ed Downie, von seinen Mitstreitern getrennt hatte, sang die genannte isländische Diva auf der 1997 erschienen Platte von Plaid „Not For Threes“.

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Mouse On Mars: Di st roia

Nomen est Omen. Bei der Veröffentlichungswut von Andy Toma und Jan St. Werner kommt man fast nicht mehr mit. Nach ihrem letzten „regulären“ Album „Autoditacker“ und zahllosen Releases auf anderen Labeln kommt die neue E.P. in der gleichen frikkeligen und verzerrten Art daher, als hätte es kein Gestern gegeben. Mir liegt die neuere Variante der Mäuse nicht so sehr, eher die entspannteren Momente der beiden Frühwerke „Vulvaland“ und „Iahora Tahiti“. Der Erfolg gibt ihnen allerdings recht. Zuckersüsse Melodiechen kämpfen gegen Geplukker und Gefiepse tapfer an und bahnen sich ihren Weg durch das Sounddickicht.

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The Herbalizer: Very Mercenary

Eine Downbeat-Platte, die Spaß machen kann…wenn man die vorhergehenden Platten nicht hat. Dieses Urteil müssen sich The Herbalizer leider gefallen lassen. Der mit „Blow Your Headphones“ erreichte Standard wird gehalten, aber nicht übertroffen. Das Material hört sich wie aus der gleichen Session an. Vielleicht die hip-hoppigste Trip-Hop-Variante, mit coolen low down and dirty Raps von diversen Gastrappern, wie What What, die auf dem Vorgänger auch schon mit von der Partie war. Eine Menge Gescratche und mysteriös angehauchte Samples machen „Very Mercenary“ zu einem leicht verdaulichen Album, das man haben kann, aber nicht haben muß.

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London Elektricity: Pull The Plug

Hoppala- wer hätte das gedacht?! Eine Drum’n’Bass Platte, die völlig unvorbereitet meine direkte Begeisterung findet, hatte ich dieses Genre schon für nicht mehr ausbaufähig und festgefahren gehalten. Dort wo Ronnie Size mit Reprazent die Meßlatte 1997 mit ihrem grandiosen „New Forms“-Album stehen ließen, ergreifen London Elektricity den Stab und rennen weiter. Der Schwung kommt von der Live-Instrumentierung, die gekonnt mit den für Jungle üblichen Patterns aufs Vorzüglichste kickt.

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Suede: Head Music

Love them or leave them. Es gibt wohl wenige Bands, bei denen sich die Geschmäcker dermaßen von „Bäääähhh“ bis „Hhhhhmmmmm“ unterscheiden als im Fall von Suede. Ein englisches Phänomen, das in Deutschland bisher nicht soviele Anhänger gefunden hat wie auf der Insel. Der ewig zelebrierte Bowie, auch diesmal keine Ausnahme, wird bei manchem Hörer schon das kalte Grausen hervorrufen. Brett Anderson schmalzt und kiekst wie eh und je, die Gitarre nudelt sich Einen zurecht, die Spacigkeit kommt durch den Flanger.

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Plexiq: Bambi Dragon Don´t Spit No Fire

Die englischsten Hamburger der Tanzmusik legen nach ihrer Japan-Export-12″-Collection „Blech“ mit ihrem Debut „Bambi Dragon Don´t Spit No Fire“ noch einen Zahn in Sachen handwerklich saubere Produktion zu. Mit Iain Burgess (zahlreiche Produktionen mit Steve Albini) und Elektro-Tüftler Thomas Fehlmann holte man die Schnittmenge zeitgenössischer Musik zwischen klassischer Bandbesetzung (Gitarre, Bass, Schlagzeug und Keyboard) und Sampledelica ins Studio.

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DJ Krush: Kakusei

Einer der Musiker der ersten Stunde des Genres Trip-Hop meldet sich nach seiner letzten für MoWax produzierten LP „Holonic-The Self Megamix“ vom letzten Jahr in verändertem Soundgewand zurück. Spartanisch und abstrakt heißt die Devise für das erste Major-Projekt. Zurückgezogen auf die Wirkung des Beats mit so viel Harmonieschnipseln wie gerade nötig, wirkt diese weitestgehend programmierte und auf wenige Samples reduzierte Platte wie eine Studie, was man mit verschiedenen Drumsounds und Rhythmusverschiebung im traditonellen Breakbeatbereich an Variation erreichen kann.

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Plexiq: 20000

Die erste Scheibe von Plexiq „Bambi Dragon Spits No Fire“ erinnerte mich an den Versuch einer deutschen Band „international“ zu klingen, was durch Infozitate auch noch belegt wurde. So auch beim zweiten Streich „20000“. Warum haben deutsche Promoter immer wieder das Problem, dass sie scheinbar erklären müssen, dass vorliegendes, englischsprachiges Produkt „Made in Germany“ mit native speakern gleichziehen kann, wenn es um Songwriting, Produktion, Image, etc. geht? Im Fall von z.B. Faithless oder Snap gibt es diese Bergründungsarmut WARUM eine deutsche Band das RECHT hat, eine moderne Tanzscheibe auf den Markt zu bringen nicht, weil die Musik für sich alleine sprechen kann, und zwar im Sinn von Verkaufszahlen, medialer Präsenz und natürlich kommerziellem Potential.

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Idlewild: When I Argue I See Shapes

Das Gitarrenintro hört sich fast identisch nach „Crash“, einstiger Hit der leider verschiedenen Primitives an. Dann prescht man auch mit gleicher Dringlichkeit nach vorne und wenn der Sänger einsetzt, schaue ich aufs Cover: Ist das vielleicht ein Adorable-Nachfolger??? Nee, kann nicht sein, die Jungs sind ja gerade mal der Pubertät entwachsen. Verdammt coole Single für den Start.

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Stereophonics: Performance And Cocktails

Rawk’n’Rooooollll. Das Trio um Brian-Adams-Sound-Alike Sänger Kelly Jones läßt mit der ersten Nummer keinen Zweifel an ihrer Gitarren-Integrität. Im Vergleich zum kanadischen Chartsabräumer haben Stereophonics kein Kiss meets Smokie-Klau mit Sporty-Spice nötig um einen Siebziger Schmock-Rock Song rauszuhauen. Der Unterschied ist, daß die Engländer keine Top-Ten-Garantie durch ihren Bekanntheitsgrad inne haben. Was den Mangel an Popularität angeht, könnten sich die drei durch eifriges Herzschmerz-Drama mit Sehnsuchtsfaktor-Melodien gepaart, so zum Beispiel „Hurry Up and Wait“, als nächster Anwärter auf einen neuen Robin-Hood-Soundtrack wärmstens empfehlen.

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Jim O´Rourke: Eureka

Hoppala, nicht gerade eine Platte, die ich in einem Magazin wie d!zko 2000, welches hauptsächlich Techno, Disco und Hip-Hop featured, erwartet hätte vorzufinden. Die technischen Elemente dienen dem Ex-Gastr Del Sol-Mitglied lediglich als Untermahlung seiner American-Songwriter Tradition. Daß er damit umgehen kann, hat er schon früher als Produzent von Stereolab bewiesen. Spartanisch und mit viel Akustikgitarren-Gezupfe wirken diese Stücke wie aus einer anderen Zeit. Gute Songs bleiben halt immer aktuell.

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