Musikbücher III

Ihr, die euch die Gnade der späten Geburt vor so manchem bewahrt hat, werdet euch nicht erinnern können. Aber glaubt mir: Es gab eine Zeit, da jeder Rentner, der etwas auf sich hielt, hierzulande beim Anblick eines Langhaarigen schöne Visionen bekam. In ihm dräute dann die 1000jährige Sehnsucht nach einer freundlich im frühen Morgenlicht blitzenden Guillotine im propperen Hof eines wohlorganisierten Konzentrationslagers. Und er dachte (meistens still in sich hinein, manchmal laut aus sich heraus): Hei, wäre das nicht schön, wenn jetzt dieser langhaarige Kopf, der so arg voll ist von verseuchter Beatmusik, unterm Fallbeil=da zu liegen käme und – schwupp – abgeschlagen würde, auf daß er in ein weiches Auffangnest aus druckfrischen BILD-Zeitungen plumpsete? (Unsere ehemaligen Rentner beherrschten noch den altertümlichen Konjunktiv!)

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Scare Crows – Flourish

Da ist sie wieder, die deutsch-amerikanische Band mit dem Sänger der so verdammt nach Bono klingt. Musikalisch hat sich auf dem ersten Longplayer gegenüber der EP nicht sehr viel getan. Ruhige Stücke, Acoustic, unverzerrte Guitar und gelegentlich ein Cello. Dominiert durch die Stimme von Sänger Mäx. Alles sehr gefällig und doch ambitioniert. Aber irgendwie reißt es mich nicht so vom Hocker wie die EP vor einem halben Jahr. Irgendwie hat der „große“ Bono doch Einfluß genommen. Er ist mit seinem neusten Geseier einfach zu oft und überall zu hören. Das hätten die Scare Crows eigentlich nicht verdient.

The Hooblers: Can You Do This

In der Popmusik gibt es nichts Neues mehr, dieser Satz ist so banal, wie meist wahr. Häufig liegt es noch nicht einmal am Wollen und am Können der Musiker, sondern eher an den Marktgesetzen. Will man kommerziellen Erfolg haben, muß das Produkt vergleichbar, in Schubladen sortierbar sein und für den Kunden einen hohen Wiedererkennungsgrad haben. Ist die Platte trotzdem clever gemacht, dann stört dies auch die ehrliche Seele eines kritischen Vielhörers nicht. Nehmen wir beispielsweise die Plagiatmeister von Oasis, die es mit solchen Methoden schafften sich für eine Weile in unseren Herz hineinzuschmeicheln. Einen Hit kann man als Rechtfertigung für Diebstahl gelten lassen.

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Tiefstapelei in einer Welt voller Angeber

Im Gespräch mit Lou Barlow

Ein Interview mit Lou Barlow hatte ich mir schon immer als ein schwieriges Unterfangen vorgestellt, da ihm schon seit Dinosaur-Tagen ein Ruf vorauseilt, der dem Begriff Introvertiertheit eine neue Dimension verleiht. Die Zurückhaltung und schon fast an falsches Understatement grenzende Tiefstapelei drückt sich seit jeher in seiner Musik und in seinen Texten aus. Immer wieder hört man zwischen den Zeilen ein kränkelndes „I`m sorry to speak my mind…“ oder „I don´t trust myself“ und irgendwann taucht unweigerlich die Frage auf, ob diese Angst bei der Entblößung seiner Seele eine von Barlow inszenierte Imagepflege oder ein ehrlicher Charakterzug ist. Wenn letzteres zutrifft, dann drängt sich eine weitere Frage auf, nämlich warum er schon seit Jahren wie ein Besessener Platten auf den Markt wirft, sei es mit Sebadoh, Sentridoh und nun zum bereits dritten Mal mit Folk Implosion (bestehend aus Lou Barlow und John Davis). Als Musiker sollte man das Risiko einplanen, einen Bekanntheitsgrad zu erlangen, der über den Zaun des Nachbarn hinausgeht…

Das Gespräch lief meinen Erwartungen gemäß zäh an, und erst nach zehn Minuten ließ Herr Barlow von seiner Einsilbigkeit ab. Über die neueste Machenschaft von Folk Implosion – namentlich „Dare To Be Surprised“ – hinaus, verriet er einige Dinge, die an den Privatbereich grenzen. Ob sich Lou Barlow während unserem Gespräch gehen ließ, ist mir bis heute schleierhaft.

Ein eigenes Süppchen zu kochen

„Dare To Be Surprised“ ist im Vergleich zu „Take A Look Inside“ ein Album, das weniger durch fragmentarische Songstrukturen und Minimalismus glänzt, als vielmehr die konsequente Fortführung des Sountracks zum Film „Kids“ ist. Dieser hatte gleich zwei Singleauskoppelungen („Daddy Never Understood“ und „Natural One“), die den Sprung in die U.S. amerikanischen Charts schafften. Diese Vorgabe erweckte bei dem ein oder anderen die Erwartung nach einer Folgeerscheinung und auch diesmal gibt es zwei Singleauskopplungen („Pole Position“ und „Insinuation“), die durchaus das gleiche Hitpotential aufweisen. Lou Barlow selbst verspürt keinen Druck, weiterhin Charterfolge zu produzieren; den einzigen Druck den er verspürt macht er sich selbst, und zwar mit dem eigenen künstlerischen Anspruch. Somit wäre seine Einstellung zum Musikmachen geklärt: In erster Linie sieht sich Lou als Künstler der unabhängig von den Erwartungen anderer aufnimmt, was ihm selbst Spaß bereitet.

Die Entstehungszeit von „Dare To Be Surprised“ erstreckte sich über zweieinhalb Jahre, nicht zuletzt weil Lou Barlow „hauptberuflich“ mit Sebadoh beschäftigt ist:

Folk Implosion sind eigentlich keine Band, mehr ein Projekt das John und ich verfolgen, wann auch immer sich die Gelegenheit dazu ergibt. Was nicht heißen soll daß wir unsere Arbeit nicht ernst nehmen würden. Die immense Zeitspanne ergab sich deshalb, weil ich sehr viel mit Sebadoh herumgereist bin, dann mußte John seinem regulären Job nachgehen und schließlich stand das Studio auch nicht immer zur Verfügung, wenn wir beide mal zufällig zur gleichen Zeit frei waren.

Kontinuität mit dem Willen zur Besserung

Obwohl auf „Dare To Be Surprised“ mehr Vocals zu hören sind als auf „Take A Look Inside“ und dem „Kids“ Soundtrack sieht Lou Barlow keine gravierenden Unterschiede in der Konzeption der Folk Implosion Songs:

John und ich haben unsere feste Arbeitsweise. Wenn Du die Vocals wegnimmst und die Instrumentaltracks von D.T.B.S. mit denen von „Kids“ vergleichst, hörst Du ähnliche Basslinen und Drumgrooves.

Verglichen mit den anderen Bands/Projekten die Lou betreibt, steht der Sound bei Folk Implosion weiter oben auf der Prioritätenliste:

Der Weg zum Song führt über den zuerst gefundenen Sound. Wir arbeiten nicht wie sonst üblich zuerst an den Gesangsmelodien, sondern kreieren als ersten Schritt ein Instrumental für den entstehenden Song.“

Überraschend für mich war zu lesen, daß die gesamte Produktion digital aufgenommen wurde, hört sich der Sound doch sehr nach dem typischen low-fi Stil alter Sebadoh Aufnahmen an.

Die ganze Aufnahme war sehr billig. Das Digitalverfahren ist im Allgemeinen billiger als das Analogverfahren. Beides hat seine Vorzüge. Digitalaufnahmen bringen eine gewissse Klarheit rüber, die Du mit einem herkömmlichen Analogband nicht erreichen kannst. Trotzdem bin ich nun kein Verfechter des Digitalzeitalters. Es war eben billig, erst recht für die lange Zeit die wir uns zur Fertigstellung nahmen. Alles in allem steckten wir dreißig Tage in die Produktion, und an jedem einzelnen Tag gaben wir alles, um es so klingen zu lassen wie die fertige CD nun klingt. Ich denke ich habe bis jetzt noch keine großartige Studioaufnahme gemacht außer vielleicht „Natural One“ oder ein paar Sachen auf „Dare To Be Surprised“. Die nächsten Produktionen mit Sebadoh und Folk Implosion sollen sowohl die Aspekte eines großen Studios als auch die des Homerecordings in sich vereinen. Es ist eine große Herausforderung einen Studiosound groß klingen zu lassen, ohne daß er sich zu poliert oder wie eine TV – Werbung anhört. Es muß was Lebhaftes dran sein. Wir sind beim „Kids“ – Soundtrack mit einem Lo-Fi – Anspruch an die Aufnahmen rangegangen, haben aber High-End Equipment verwendet, d.h. gute Mikrophone, eine große Bandmaschine (16 bzw. 24 Spuren, 2″ Analog-Band) und einen Optimalen Raum benutzt. Du kannst in einem großen Studio mit einer Lo-Fi Attitüde einen großen Sound hinbekommen, ohne daß die Produktion zu glatt oder unpersönlich wirkt.

Philosophisch betrachtet…Groove first!

Das Samplen von merkwürdigen Geräuschen und Tonbandschnipseln, die schon auf „You´re Living All Over Me“ von Dinosaur Jr. zu hören sind, waren schon immer des Meisters Steckenpferd. Seit dem „Kids“-Soundtrack findet man auch trippige Drumloops, die den schweren Groove verbreiten, im Gemischtwarensortiment des Hauses Barlow:

Ich bin was meine Hörgewohnheiten angeht sehr offen. Ich lasse mich von sehr verschiedenen Stilen beeinflussen, auch von Trip Hop. Gerade von Tricky gibt es einige Songs, die jemanden in unglaubliche Gefühlszustände versetzen können. Drum – Loops und Samples können wichtige Werkzeuge im Rahmen der Songentstehung bilden. Es ist viel einfacher einen Song über einem fertigen Loop entstehen zu lassen als sich tatsächlich mit der Akkustikgitarre Stück für Stück vorzukämpfen. Das liegt daran, daß gute Loops bereits eine eigene Melodie in sich tragen, die sozusagen den Rest förmlich provoziert. Leider gibt es viel Dance Music, der es an Subtilität und Einfallsreichtum fehlt, in der die immerwiederkehrenden Patterns nichts als Langeweile hervorrufen. Ich weiß allerdings nicht, wohin uns diese Technorevolution, die schon eine geraume Zeit anhält, hinführen wird und ob sich daraus noch viel mehr ergeben wird als es momentan der Fall ist. Die Neunziger sind ja auch noch nicht ganz vorbei.

90s vs. 80s

Fest steht, daß die Neunziger solchen Bands, die in den Achtzigern vom Mainstrem völlig isoliert waren, nun plötzlich die Chance geben einen Top 40 – Hit zu landen, da im laufenden Jahrzehnt die Grenzen zwischen den einzelnen Musikschattierungen langsam verwischen. Für Lou, der mit seiner ersten Band „Deep Wound“ 1983 mehr als Underground war und die Explosion von U.S. Alternative Bands jenseits der SST-Vergangenheit miterlebt hat, bewertet diese Entwicklung als eine positive Errungenschaft- oder?

Die Chance, daß eine Band wie Folk Implosion in den Achtzigern einen Top 40 Hit hätte landen können, wäre gleich Null gewesen. Pop und der sogenannte Mainstream waren getrennt von dem, was man allgemeinhin als Underground bezeichnet. Bands wie Hüsker Dü, Meat Puppets oder Black Flag waren recht isoliert zu der Zeit als sie in ihrer musikalischen Blüte standen. Sie mußten um ihr Publikum förmlich kämpfen. Die Medien haben ihre Strategien weitestgehend geändert und das macht es einer Band wie Folk Implosion möglich Videos über MTV einem großen Publikum zu präsentieren.

Die Kontrolle nur innerhalb der Familie

Man möchte sich trotz des Popularitätsschubs als Independent Band verstanden wissen. Die Wahl des kleinen Labels, die Familiarität mit den Leuten mit denen man zusammenarbeitet, soll gewahrt bleiben. Ein ähnliches Beispiel findet man hier in Deutschland bei den befreundeten Sharon Stoned und ihrer Projekt-Inzucht. Gary der das Label betreibt und den Revolver-Vertrieb leitet spielt die Live-Drums und sein WG-Mitbewohner bedient den Bass.

Communion ist das einzige Label in den Staaten, das Independent geblieben und nicht mit irgendeinem Major-Label verknüpft ist. Sie bringen alles raus, von Punkrock über irgendwelche schrägen Gitarrenbands bis zum Experimental Noise und alles erscheint noch immer auf Vinyl, sogar auf Seven Inches. Du kannst Dir vorstellen, daß dieses Label die Ideale der 80er Punk Explosion im Auge behalten hat. Wir haben dieses Label ausgesucht, weil wir an dem Entstehungsprozess der Platte bis hin zur Tourplanung beteiligt sein wollten. Wir haben alle Hebel selbst in der Hand und werden sehen, wie weit es auf diesem Weg gehen kann. Das ist weitaus aufregender als wenn wir bei einem Major Label unterschrieben hätten.

Die Anonymität, die zwischen Bands und Labels meistens herrscht, geht im Fall von Communion völlig verloren. Eine große Plattenfirma hätte wie bei allen anderen Vertragspartnern versucht ihren Künstler erfolgreich zu machen, wie weit die Bemühungen reichen, bleibt Dir selbst aber verborgen. Gerade wenn es sich um die Promotion dreht, geht Dir bei einem großen Label die Kontrolle völlig verloren. Wir sagen Gary, wie wir uns promoted sehen wollen und er setzt das 100%ig um. Es ist, als ob man noch einmal von vorne anfängt, denn mit Sebadoh wurde alles immer größer. Für mich ist es wichtig mit Leuten ZUSAMMEN zu arbeiten. Das ist weitaus interessanter als Aufgaben zu delegieren. Es ist allerdings auch viel härter, aber der bequemste Weg ist bekanntlich nicht immer der beste. Ich arbeite noch immer mit der selben kleinen Gruppe von Leuten zusammen. Der Unterschied besteht darin, daß mit Communion die Arbeit persönlicher geworden ist als das bei Domino, Sub Pop oder City Slang der Fall war.

Im Info-Sheet zum letzten Sebadoh-Album „Harmacy“ (auf Domino Records- ein etwas größeres Label als Communion) ist zu lesen, daß Lou nicht gerne herumtourt und lieber Konzerte in seiner Nachbarschaft gibt als auf eine ausgedehnte World – Tour zu gehen. Wieder eine Info zur Förderung des Introvertiertheits-Images oder eine unleugbare Tatsache?

So stimmt das nicht. Ich bin seit einem geschlagenen halben Jahr nun unterwegs, zuerst mit Sebadoh und nun mit Folk Implosion. Natürlich freut man sich dann mal wieder nach Hause zu kommen und etwas Zeit für sich zu nehmen.

Jeder der in einer Band spielt, kann das sehr gut nachvollziehen, denn trotz des Spaßes, den man on the Road hat, geht einem dieses Gefangensein mit den immer gleichen Leuten irgendwann auf die Nerven.

Wie so oft mußte ich während des Interviews feststellen, daß das Image von sogenannten Underground/Indie Bands von den mittelgroßen Labels gemacht wird und sich die Vermarktungsstrategien nicht sehr stark von denen eines Major Labels unterscheiden. Ja, Lou Barlow ist ein sehr zurückhaltender Mensch, der nur sehr wenig nach außen trägt was ihn innerlich beschäftigt – eine wirklich schwierige Angelegenheit um ein Interview zu konzipieren – aber letztendlich sympatischer wie die Quasselstrippen die dank Profilierungssucht den Telefonhörer am anderen Ende zusabbern.

Bowery Electric – Beat

Bowery Electric – Beat (1997, CD) - Discogs

Einst bei My Bloody Valentine kamen die Leute und wollten diese Platte umtauschen, weil die CD leiern würde (den Kassenzettel hatten sie natürlich dabei). Erst nach stundenlangen technischen Ausführungen konnten die Timingschwankungen als Stilmittel entlarft werden. Desweiteren gingen die Käufer mit der melancholisch anmutenden Erkenntnis nach Hause, daß es im CD Zeitalter ein Leiern nicht mehr geben kann.

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Pat Thomas – New Directions In Music By Pat Thomas: Valium

Irgendjemand hat mir gesteckt, daß der gute Pat Thomas vor den Aufnahmen zum Album „New Directions In Music By Pat Thomas: Valium“ unsanft von seiner Freundin abserviert wurde und sie nun Ex nennen darf. Ob dies der entscheidende Einfluß war oder ob er sowieso neue Wege im Rahmen der Pat Thomas Musik gehen wollte, am Ende steht ein Brocken von Album, an dem man erst einmal zu würgen hat. Da ist nichts mehr von dem Etikett „Neo-Folk“ und den damit verbundenen sanften Harmonien, sondern Pat zeigt uns seine schmutzigen Straßen von San Francisco.

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I could live in a tipi

Wolfgang Schirra und Frank Wagner im Gespräch mit Eleventh Dream Day

Wir treffen Eleventh Dream Day auf ihrer Tour durch Deutschland in einem dieser sozialdemokratischen Kulturzentren der Bundesrepublik, die entweder mit viel Holz und/oder mit viel geschweißtem Eisen gestaltet sind, aber immer doch einen melancholischen Eindruck der Welt vermitteln. Zur Ehrenrettung des Veranstaltungsortes muß jedoch gesagt werden, daß der Konzertraum toll und geschmackvoll ist und der Kaffee heiß und stark ist.

Eleventh Dream Day sitzen hinter uns am Tisch und verspeisen mit der Vorgruppe Freakwater die obligaten Pastagerichte in solchen Café-Restaurant-Bistro Einrichtungen. Na ja, wollen wir sie mal noch zu Ende essen lassen und setzen uns an die Theke. Würden sie am Tisch nicht englisch reden, würden sie in diesem Post-Hippie, Post-Grunge und Post-BritPop Ambiente nicht auffallen. Nach : „Noch drei Expresso für die Band“ trollen wir uns an den Tisch, wo mittlerweile nur noch Dough McCombs (Bass) und Janet Beveridge Bean (Schlagzeug, Gesang) von EDD sitzen. „Klar könnt ihr ein Interview haben“, sagt der blonde Sonnenschein Janet Beveridge Bean von der anderen Seite des Tisches und auch Dough McCombs rückt näher. Mr. McCombs übrigens mit buntem Tatoo auf dem rechten Arm, was gar nicht arty wirkt, eher Rock´n Roll statt Kunstakademie.

Eleventh Dream Day sollten 1995 zusammen mit Sea and The Cake und Tortoise im Dreierpacket in Deutschland spielen, was dann allerdings krankheitsbedingt abgesagt werden mußte. 1997 kommen die sie nun mit dem neuen Album „Eighth“ (City Slang/EFA) im Rücken zusammen mit Freakwater auf Tour. Freakwater ist eine schnuckelige Countryband bei der Janet Beveridge Bean Gitarre spielt und singt.

Wie läuft die Tour?

Janet: Ja es läuft ganz gut, es macht eine Menge Spaß nach 4 Jahren wieder mit EDD auf Tour zu gehen. Die Besucherzahlen variieren stark. Mal sind es viele, mal weniger. In den größen Städten haben wir mehr Zuschauer. Vor allem für Rick (Rick Rizzo – Sänger, Gitarrist und Songschreiber bei Eleventh Dream Day) ist es wichtig mal wieder live zu spielen, Dough und ich waren ja mit Tortoise und Freakwater unterwegs. Vor allem Ricks Gitarrenspiel lebt von der Live-Atmospähre, weil er sehr emotional spielt. Er ist niemand, der sich im Studio einsperrt und rumtüfftelt.

Was werden wir heute abend von euch hören? Wollt ihr den Leute eine Party bieten oder geht es euch mehr darum das neue Album zu promoten?

Janet: Es ist gar nicht so die Sache die neue Platte zu promoten, uns kommt es vor allem darauf an seit Jahren mal wieder live zu spielen, vor allem Rick braucht das. Dough: Also ich hab total viel Lust heut abend zu spielen.

Arrangiert ihr eure alten Songs neu oder spielt ihr sie immer gleich?

Dough: Wie gesagt Rick spielt ziemlich emotional und improvisiert auch, aber wir haben schon ein festgelegtes Schema nach dem wir die Songs spielen.

Ich (Frank) hab zuletzt ein Interview mit Yo La Tengo gemacht, die haben auf ihrer neuen LP einen Song der heißt „We´re An American Band“. Im Gegensatz zu dem Grand Funk Railroad – Song beschreiben sie ihr Tourleben mit „langweilig, ständig im Tourbus rumhocken, nichts passiert“. Sieht das bei euch auch so aus?

Janet: Also wir finden es ganz nett so durch die Gegend zu fahren, heute waren wir spazieren, nach drei Tagen Regenwetter hat ja heute mal wieder die Sonne geschienen, wir waren auch einkaufen. Und zu dem Grand Funk Railroad Song – es ist nicht so mein Ding Dope zu rauchen…..

Dough: …und Hühner abzuschleppen

Janet: …. du sprichst hier nur für dich! Na ja wir werden auch älter, wenn man jünger ist, ist das was anderes. Also das sehen wir dann eher so wie Yo La Tengo.

Dough, du hast doch die Yo La Tengo Remix CD gemacht!

Dough: Ja, hab ich. Wie ist denn übrigens deren neues Album („I can hear the heart beating as one“)?

Also ich (Frank) finde halt , die können gar nichts schlechtes rausbringen, die Platte erinnert mich auch sehr an eure Scheibe, die ja auch viele unterschiedliche Stimmungen hat.

Janet: Wir haben ja schon häufig mit Yo La Tengo zusammen gespielt, ich finde allerdings das Gitarrenspiel von Ira (Kaplan) und Rick unterscheiden sich doch stark. Rick spielt viel emotionaler als Ira, Rick hält sich gar nicht an normale Akkorde. Er spielt z.B. ein G-Dur immer anders, wie dies normale Leute tun. Ira spielt da eher vom Kopf her.

„Eighth“ das Album – Nach diversen Trennungsgerüchten war es schon eine Überraschung, als die neue Platte von Eleventh Dream Day in den Regalen stand. Die Qualität des Albums war natürlich, was nicht überraschte, gut. Eine gewisse düstere Zerissenheit präsentierend, spiegelt das Album sowohl den inneren Zustand der Band wieder und ist gleichzeitig Ausdruck der musikalischen Suche einer älter werdenden amerikanischen College-Rock-Band. Während Dough McCombs bei Tortoise und Janet Beveridge Bean bei Freakwater ihre Standbeine und Seelenheil wohl gefunden haben, ist Rick Rizzo musikalisch stärker festgefahren. Dazu ein interessantes Zitat von Rick Rizzo (aus dem Heft des örtlichen Veranstalters), den wir leider nicht persönlich sprechen konnten.

Rick Rizzo : „Eighth is the end of a line, fini, insult , intolerance, ignorance, frustration – and coming to terms with it all. I figure the next record has to be about rebirth and EDD goes back to being a garage band. Or not.“

Wie ist eure Meinung über das neue Album?

Janet: Es sind halt immer Erlebnisse die man da so verarbeitet. Ein Konzept hat es da nicht gegeben. Jeder hat so seinen Teil dazu beigetragen. Dough hat z.B. den 2. Song auf dem Album („Writes A Letter Home“) hauptsächlich gemacht, Rick hat dann einen Gitarrenriff dazugespielt, den er seit 2 Jahren ständig im Schlafzimmer spielt.

Wir haben in unserer Radiosendung von eurer neuen Platte den Titel „Two smart cookies“ gespielt, haben wir da eurer Meinung nach den richtigen Titel gewählt?

Janet: Wenn wir eine Band wären, die einen Hit haben könnten, dann wäre wahrscheinlich „Two smart cookies“ so ein Hit. Aber ich glaube wir sind keine Band, die überhaupt einen Hit haben können (Ha Ha Ha).

Ich (Frank) finde eure Platten kann man sehr gut am Stück hören weil sich langsame Nummern mit härteren abwechseln und auch mal ein Instrumentalstück kommt.

Dough: Ja sehe ich genauso, ich finde es macht am meisten Sinn die Platte am Stück zu hören.

Wie wichtig ist für euch eine eine feste Band? Ron Wood von den Rolling Stones hat mal gesagt, daß sie zunächst einmal ein Rolling Stone sind und erst dann Mr. Wood, Mr. Jagger, Mr. Richards und Mr. Watts. Was bedeutet es für euch in einer festen Band zu spielen, was bedeutet speziell EDD für euch.

Janet: Ich glaub der Vergleich mit den Stones ist etwas unpassend, die Stones arbeiten ständig, während wir mit anderen Dingen unser Geld verdienen müssen. Nein wir sind zuerst Individuen und erst dann irgendwann einmal EDD.

Das Buisness-1990 wurden Eleventh Dream Day von Atlantic Records unter Vertrag genommen, also bei dem Label, wo sowohl Ray Charles und John Coltrane Musikgeschichte schrieben und mit AC/DC und Led Zeppelin in den 70 ern so richtig Geld verdient wurde. Eleventh Dream Day machten mit „Bleet“ 1990 und „El Moodio“ 1993 ihren Job und schrieben klasse Rockhymnen, kommerziell kam weniger raus. Atlantic brachten es anscheinend nicht fertig sie an dem gewachsenen Alternativkuchen zu beteiligen, der spätestens mit Nirvanas „Nevermind“ 1991 für viele Bands aus dem College-Rock-Bereich erreichbar wurde. Mit den beiden Alben „Ursa Major“ (1994) und zuletzt „Eighth“ (1997) kehrten sie mit City Slang zu einem kleineren Plattenlabel zurück, wo sie weiterhin Insider erfreuen und dem großen Publikum verschlossen bleiben.

Ihr ward bei Atlantic Records einem Major-Label und seit jetzt City Slang einem kleineren Label. Die Alben, die bei Atlantic Records erschienen sind, waren meiner Meinung (Wolfgang) nach rockiger mehr auf einen Hit hin arrangiert. Die Alben bei City Slang sind demgegenüber experimenteller. Welchen Einfluß haben Plattenlabels auf das Resultat, also auf die Platte, die dann aufgenommen wird?

Dough: Also eine Plattenfirma schreibt ja keinen Song. Ich mag an EDD gerade die Unabhängigkeit gegenüber der Plattenfirma und allem anderen. Für uns spielt es musikalisch keine Rolle bei welcher Plattenfirma wir sind. Ansonsten sind wir schon froh daß wir von Atlantic weg sind, wir hatten da zwar ein größeres Budget um eine Platte zu machen, aber auch viel Scherereien.

Findet ihr nicht auch , daß die Platten die auf Atlantic rauskamen doch recht unterschiedlich zu den Platten auf City Slang sind?

Janet: Ja findest du, find ich gar nicht. So ist z.B. beim letzten Song der Platte – heißt der „Last Call“ … ?
Dough: … ja!
Janet: … der Gitarrenriff dergleiche, wie bei „Figure it Out“ (von der Platte El Moodio). Also für mich unterscheiden sich die Platten bei den unterschiedlichen Plattenfirmen nicht so sehr.

Könnt ihr überhaupt ein bißchen Geld mit eurer Musik verdienen? (Ha Ha Ha ziemlich unnötige Frage!)

Janet: Ja ich könnte davon in einem Tipi leben. Also wir machen die Musik nicht wegen des Geldes, da ist nicht viel zu verdienen. Rick hat zum Beispiel noch drei andere Jobs neben Eleventh Dream Day.
Dough: Ich lebe zur Zeit hauptsächlich von den Sachen mit Tortoise, das geht ganz gut.
Janet: Also ich hab ziemlich viel Zeit, bin natürlich zunächst einmal Mutter und Hausfrau und koch jeden Tag das Essen. Wir mußten Rick geradezu überreden auf Tour zugehen. Ich hab dann gesagt es ist doch egal, du verdienst in den drei Wochen Europa mindestens genausoviel wie in Amerika und den Europatrip gibt´s kostenlos dazu.

Spielt ihr vielleicht deswegen in mehreren Bands um dadurch etwas mehr Geld zu verdienen?

Dough: Nein auf gar keinen Fall, wir machen die Sachen weil sie uns Spaß machen.

Janet: Bei mir ist es halt so, daß ich es toll finde zu den Songs von Catherine (von Freakwater) zu singen. Das macht mir übrigens viel mehr Spaß als bei EDD Schlagzeug zu spielen, weil ich beim Singen ständig Fortschritte mache, während beim Schlagzeugspielen eher ein Stillstand festzustellen ist. Diese Rock´n Roll Attitude ist im Alter von 20, 25 in Ordnung gerade, wenn man sich von seinen Eltern und von deren Generation abgrenzen will. So langsam krieg ich mit dieser Haltung allein vom Alter her meine Probleme, das Schlagzeugspielen macht deswegen immer weniger Spaß. Ich hab von den Rolling Stones ein Video gesehen „Rock and a Hard Place“ da ist Keith Richards in einer furchtbaren Lederjacke zu sehen, sonst ist er ja eher gut gekleidet, aber das wirkte schon merkwürdig. Western und Country Musik kann man dagegen sein ganzes Leben lang machen. Wenn man z.B. Jonny Cash nimmt, der steht da oben mit seinem schwarzen Anzug und seine Gitarre und spielt seine Songs, das kann man dann auch noch mit 80 machen.

Bei Mo Tucker funktioniert das aber mit dem Schlagzeugspielen mit knapp 50 Jahren noch ganz gut.

Janet: Ja die ist ja auch eine Legende bzw. Teil einer Legende namens Velvet Underground, das zählt nicht. Wir waren gestern abend bei den alten Männern von The Who und haben Quadrophenia gesehen. Sagt mal einen Satz zu den Who, sollten die das besser lassen oder findet ihr das o.k.?

Janet: Ja Rick ist ein großer Who Fan, ich hab dazu keine Meinung.
Dough: Es ist ein Problem einen Song wie „My Generation“ am Leben zu halten, weil man sich doch weiterentwickelt und das Lebensgefühl der 60er und 70er eben nicht mehr hat.

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Diskographie :

  • Eleventh Dream Day (Amoeba Records, 1987)
  • Prairie School Freakout (Amoeba Records, 1988)
  • Beet (Atlantic Records, 1989)
  • Borscht (Atlantic Records, 1990)
  • Lived to Tell (Atlantic Records, 1991)
  • El Moodio (Atlantic Records, 1993)
  • Ursa Major (Atavistic Records/City Slang Records,1994)
  • Eighth (City Slang Records, 1997)

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Mark Eitzel: West

CD-Cover Mark Eitzel – West (1997)

Zur Beruhigung vorneweg: Obwohl Mark Eitzel bei seinem zweiten Soloalbum eng mit R.E.M.-Gitarrist Peter Buck zusammenarbeitete, klingt die Platte nicht nach Michael Stipe und Konsorten. Trotz Eitzels Aussage, er habe mit der Musik auf „West“ praktisch nichts zu tun gehabt und sei qasi nur der Sänger, ist die CD ein unverkennbar typisches Eitzel-Werk geworden. Die Einflüsse der Gastmusiker sind zwar zu erkennen, dennoch bleibt sich der Sänger und Songschreiber des American Music Club treu.

Dies gilt in erster Linie für die von ihm verfaßten Lyrics, trifft aber auch auf die Musik zu, was zeigt, daß Peter Buck sensibel genug war, Mark Eitzel nicht mit Songs zu überschütten, die seinem künstlerischen Charakter entgegenlaufen.

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Mystery Double Feature

In Sachen Mystery tut sich 1997 eine ganze Menge. Nachdem Pro7 mit Akte X den Boden bereitet hat, versuchen die restlichen Privaten mit ähnlichgearteten Serien aufzutrumpfen und auch themengleiche Talkshows zu lancieren: Profiler, Sentinel, Talk X, usw. – mit recht unterschiedlichem Erfolg. Die X-Files haben einfach Maßstäbe gesetzt, die andere erstmal erfüllen müssen.

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Go West, Old Man!

Ein Interview mit Mark Eitzel; von Mike Lehecka und Kai Martin

„It’s the end of the world as we know it“, dachten sicher die meisten treuen Fans von Mark Eitzel, als sie hörten, daß R.E.M.-Gitarrist Peter Buck der musikalische Partner auf dem zweiten Solo-Album ihres melancholischen Lieblingssängers sein würde.

Was ist wohl zu erwarten von der Kooperation eines zwar brillanten, aber düsteren und spröden Singer/Songwriters mit einem notorischen Gastmusiker, der mit seiner megaerfolgreichen Band mal einen Superhit mit Namen „Shiny Happy People“ hatte?

Wer beeinflußt da wen, und vor allem: wie? Verliert Eitzel seine ernste und pessimistische Aura? Wird er so peinlich wie Michael Stipe, der Sänger von R.E.M, und kippt den Sinn seiner Texte zugunsten bedeutungsschwangerer Symbolik über Bord? Ist Peter Buck am Ende der Aufnahme-Sessions so frustiert, daß er sich eine seiner 25.000 E-Gitarren in den Bauch rammt und daran verblutet?

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Tosca: Opera

Bei Tosca handelt es sich um ein Side-Projekt von den mittlerweile wohl hinlänglich bekannten Secret-Agents aus Wien, Peter Kruder und Richard Dorfmeister. Letzterer versüßt uns jetzt das Warten auf den ersten Kruder und Dorfmeister Longplayer mit einer Zusammenarbeit mit einem gewissen Rupert Huber. Konnte man nach den beiden Maxis „Fuck Dub“ und „Chocolate Elvis“ schon auf Großes hoffen, fällt das Ganze auf LP-Länge schon ein wenig ab. Was nicht bedeutet, daß hier langweilige konventionelle Hausmannskost geboten wird! Nein, vielmehr wird hier einfach „nur“ der hohe Kruder + Dorfmeister Standard gehalten. Vielleicht war man einfach nur zu verwöhnt, denn den beiden gelang es ja fast schon mit jeder Veröffentlichung noch eins draufzusetzten. Gerade Richard Dorfmeister wußte mit seinen letzten Veröffentlichungen auf Sabotage „The 12.000 feet EP“ und der darauf enthaltenen Neudefinition von Big-City-Soul („Jetlag“) extrem zu begeistern. Die Latte lag also doch schon sehr hoch.

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Nobody’s Listenin‘

Zum Tod von Ronnie Lane

Bis in die frühen 1990er Jahre hinein schien ein Song seines Albums „One For The Road“ unabwendbare Gültigkeit zu besitzen: Nobody’s Listenin‘. In seiner englischen Heimat hatte man den kleinen Sänger, Songwriter und Bassisten mit dem verschmitzten Grinsen eigentlich längst vergessen. Ronnie Lane war 1984 in die USA übergesiedelt, um (klimatisch) angenehmere Bedingungen für sein Leiden – er erkankte in den späten 70ern an Multipler Sklerose – zu finden.

In der texanischen Musikszene blieb er sogar – trotz seines Handicaps – recht aktiv, und er genoß die Wertschätzung, die ihm, dem Gründer der legendären britischen Modband THE SMALL FACES und den daraus hervorgegangenen Party-Rockern THE FACES, ausgerechnet hier von vielen Musikern entgegengebracht wurde.

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Maxim Biller – Land der Väter und Verräter

Die Tempojahre sind vorbei für Maxim Biller, das klang bereits 1990 an, als seine Erzählungen ‚Wenn ich einmal reich und tot bin‘ erschienen sind, spätestens jedoch 1991, als eine Reprise seiner Texte aus TEMPO unter dem Titel ‚Die Tempojahre‘ erschienen ist, war es offenkundig geworden. Inzwischen ist TEMPO tot – Maxim Biller lebt. Das stellt er unzweifelhaft klar in seinem Buch Land Der Väter Und Verräter, das mit dreijähriger Verzögerung nun seinen Weg als Paperback über die Ladentheken antritt.

Was ist nun aus dem zynischen jungen Autor mit der großen Klappe geworden, der inzwischen, mit 37, die wilden Jahre hinter sich und die Midlife-Crisis vor sich haben müßte? Schwer zu sagen. Gerüchten zufolge schreibt er in Richtung Klagenfurt. Das Wesen von Gerüchten ist allerdings auch, daß sie eindimensionale ‚Wahrheiten‘ beinhalten, daß ihre Aussage solange stimmt, bis man länger darüber nachdenkt und ein „aber . . .“ dranhängt. Aber, so einfach wie die Autoren von Gerüchten macht es sich Biller nicht. So wie er sich bereits als Temporedakteur ständig zwischen die Stühle der Popfraktion und der etablierten Kultur-Intelligenzia gesetzt hat, so setzt er sich jetzt, da er sich seiner Situation als deutscher Jude immer bewußter wird, immer noch zwischen die Stühle. Nur die, die nun rechts und links von ihm sitzen, haben sich verändert. Seine Geschichten drehen sich jetzt um Opfer und Überlebende, um Sieger und Besiegte, um Deutsche und Juden. Weil er ein waches Auge hat, schreibt er von Begebenheiten, wie sie im täglichen Leben anzutreffen sind, ohne Gebrauchsanleitung für Gut und Böse. Weil er dazu auch noch schreiben kann, tut er dies auf die ihm eigene Art: entlarvend, manchmal zynisch und immer faszinierend.

Maxim Biller ist von einem Redakteur zu einem Autor geworden, dem es gelingt, schwerverdauliche Themen anzugehen, und lebensnah zu schildern, ohne in hermetischen Innenwelten gegen Wände zu laufen oder sich in affektierte Klugscheißerei zu ergehen. Endlich mal wieder ein Beweis, daß anspruchsvolle Literatur nicht wehtun muß.

Maxim Biller
Land der Väter und Verräter
dtv 19,90 DM
ISBN 3-423-12356-7

Interview: Die Krupps

…auf dem Weg ins Paradies?

„Paradise Now“mit diesem euphorischen Schlachtruf ziehen „Die Krupps“ zur Zeit zu Felde! Bei allen kritischen und engagierten Tönen haben sie sich ihren Optimismus bewahrt – zu recht: nach 17 Jahren und 10 Alben drückt sich ihr konstantes Wirken inwischen auch in ansehnlichen Verkaufszahlen aus, der wahre Wert der Band läßt sich daran natürlich nicht ermessen! Katja Preißner sprach mit Jürgen Engler

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Wallace & Gromit – Unter Schafen

Nick Parks Karriere als Regisseur begann still und heimlich. Zuerst drehte er Werbespots für britische Energieversorgungsunternehmen, dann einen Videoclip für Peter Gabriel und erst danach entstand sein erster längerer (46min) Film „A Grand Day Out“ (dt. „Alles Käse“), der prompt einen Oskar gewann. Zu verdanken hatte Nick Park dies vor allem seinen Hauptdarstellern Wallace & Gromit, zwei, mit verlaub, sehr britischen Knetfiguren.

Für alle, die nicht genug bekommen können, die den Wallace&Gromit Radiowecker, das T-Shirt und den Teapot schon haben, gibt es nun auch das Buch. Es gibt zwar keine neuen Einsichten in den Plastilinkosmos der beiden Lebenskünstler und Käseliebhaber, dafür werden aber die bewegensten Momente aus den Filmen „Unter Schafen“ und „Die TechnoHose“ noch einmal vor Augen geführt. Es lindert die grausame Wartezeit auf das hoffentlich kommende nächste Filmabenteuer der beiden.

Nick Park
WALLACE & GROMIT
Unter Schafen und andere Abenteuer
Ehapa 19,90 Mark
ISBN 3-7704-0213-8

D-Age – Smalltown Boy

Bronski Beat mochte ich eigentlich nie, und die Kastraten-Stimme von Jimmy Somerville habe ich sogar regelrecht gehaßt. Darum habe ich auch erwartet, daß eine Coverversion von „Small Town Boy“, dem Riesen-Hit von Bronski Beat, zumindest um diesen Faktor besser sein muß.

Ist aber nicht so. D-Age aus Berlin ersetzen die Quietschstimme durch einen dramatischen Heuler und machen auch sonst nichts richtig. Dunkel und pathetisch, so muß er sein, der Hauptstadt-Beat. Für alle, die mal wieder richtig deprimiert werden wollen.

Die Single-Connection II

Im Zeitalter der digitalen Tonerzeugung und Tonverarbeitung hat die CD das Vinyl massenmäßig längst verdrängt. Ein Relikt der vergangenen Zeit ist demzufolge auch die Single (Übers.: kl. Schallplatte). Trotzdem hat sich der Begriff aus der Vinylzeit auch in das CD-Zeitalter gerettet. War die Vinyl-Single ganz klar eine Scheibe mit zwei Liedern und auf 45 abzuspielen, so werden unter dem Begriff CD-Single ganz unterschiedliche Formate und Produkte zusammengefaßt. Gemeinsam ist ihnen die Größe, die der eines CD-Albums entspricht, dies aber auch nur, weil sich die 3-Inch-Mini-Single auf CD nicht durgesetzt hat. Die Singles von Rockers Hi-Fi, Blur, Fun Lovin´Criminals, Dinosaur Jr. und den Radar Bros. zeigen wie bunt die Single-Welt sein kann.

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Blur – Beetlebum

Blur Beetlebum

„Beetlebum“ ist kein Knaller á la „Parklife“ oder „Boys and Girls“ und ist auch nicht so bombastisch (brit)poppig wie „Country House“. Der Song hätte problemlos auf der „Parklife“-Vorgänger „Life is rubbish“ gepaßt. Er ist viel gitarrenlastiger als die drei obengenannten Songs, poppig, aber charmant spinnert. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit werden BLUR mit „Beetlebum“ nicht die britischen Chart-Spitzen erobern. Vielleicht gelingt es ihnen aber durch ihren „neuen“, etwas verschrobenen Weg, eine „Class of it’s own“ zu werden.

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