Interview: Sharon Stoned

Es scheinen bessere Zeiten anzubrechen! Wenn eine Band wie Sharon Stoned ausgiebig tourt und noch (relativ) viel Unterstützung von Seiten der deutschen Musikmedien erhält, gibt dies Anlaß zur Hoffnung für alle, die das „Mein Gott was sind wir so hart“-Ding satt haben. Noch verwunderlicher erscheint die Tatsache, daß 250 zahlende Gäste den Weg in das Dampfbad „Haifischbar“ nach Saarbrücken gefunden hatten, dachte ich immer, daß diese Stadt eine Art Wasteland für artverwandte Musik darstellt. Ein Hoch also auf Mingo Diener, den Herausgeber des „GOAR“, der die hohe Kunst Christofer Uhes schon zu Speedniggs-Zeiten, zu schätzen wußte. . .

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Fischmob: Männer können seine Gefühle nicht zeigen

Der Name, das Cover und dieser „Wie meinen die das denn“ – Titel legen den Gedanken an eine superfiese Spaßmacher und -habertruppe nahe. Er wird noch verstärkt von Titeln wie „Hasch un Rock“ (Hallo Prollhead!), „Bonanzarad“.

In Wirklichkeit widersetzt sich dieser Hamburger Hiphop-Vierer hartnäckig einer Kategorisierung à la Rödelheim Vier und Konsorten. Denn zu den Spaß-hab-Drogen-Nummern kommen noch diverse Stücke mit, äh, Anspruch (Political Correctness darf man ja nicht mehr sagen!).

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Scott Walker: Tilt

Vor fast 30 Jahren war Scott Walker mit den Walker Brothers ein weltweit gefeierter Teenie-Pop-Star. Vor mehr als 10 Jahren erschien seine letzte Solo-LP „Climate of hunter“, die – wie er selbst scherzhaft meinte – schlechtestverkaufte Platte in der Geschichte der Plattenindustrie.

Seine neue CD „Tilt“ treibt die Nicht- Kommerzialität jetzt noch einen – oder zwei – Schritte weiter. Alles, was dem Zuhörer den Zugang erleichtern könnte, fehlt hier: keine eingängigen Melodien oder eindeutigen Geschichten mehr, kein durchgängiges Klangbild. Stattdessen wirft er seine Hörer in ein Wechselbad von Klängen, abrupten Dynamikwechsel, pendelt zwischen bedrohlichen Percussionsounds und großen Streicherarrangements hin und her.

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18th Dye: Tribute To A Bus

Als ich 18th Dye zum ersten Mal live im Vorprogramm von The Notwist sah, dachte ich mir, daß diese Band ihre Sonic Youth – Lektion hinsichtlich der Verarbeitung von Noise-Elementen gut gelernt hat. Beim zweiten Mal, im Vorprogramm von Shellac, und erst Recht nach dem Anhören ihres bis dato dritten Albums, mußte ich meine Meinung modifizieren; lassen Sonic Youth öfters ihre Songs in Gitarrenlärm zusammenbrechen, um dann wieder den Faden aufzunehmen, verlieren 18th Dye denselbigen nie. Krach-Passagen werden in die Songs so eingebaut, wie andere Bands Soli gebrauchen, also als sich in den Kontext eingliedernde Einheiten.

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Fettes Brot: Auf einem Auge blöd


Deutscher Rap die 1235te. Mittlerweile dürfte wohl jeder mitbekommen haben, daß auch deutsche Menschen gerne rappen. Frühestens seit den Fantastischen Vier, spätestens seit dem Rödelheim Hardreim Projekt und Schwester S ist dieser Musikstil massenkompatibel. Einen großen Vorsprung bekommt jeder deutsche Rap-Act, wenn die Texte „lustig“ sind – also weg mit den „Hardcore-Acts“, die teilweise doch zu ernst/links/sexistisch/radikal/weiß der Geier was noch sind…

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Clawfinger: Use your Brain

Das Cover ziert eine Gehirn-Handgranate. Clawfinger sind also offensichtlich der Ansicht, unsere Hirnmasse sei ein hochexplosiver Stoff, der als Kampfstoff einsetzbar ist. Es ist Clawfingers gutes Recht, dieser Meinung zu sein, aber ich mach‘ mir echt Sorgen um all die zwölfjährigen, die die CD (wahrscheinlich wie bescheuert) kaufen werden: werden sie sich nicht am nächsten Kinderfasching auf die Idee kommen, sich lustige Knallkörper vermittels Hirnentnahme (womöglich an ihren Erziehungsberechtigten!) zu verschaffen. Man sollte die jungen Menschen behutsam auf die Gefahren hinweisen.

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Tindersticks: Tindersticks

Die Tindersticks sind ein Beispiel dafür, daß manche Musiker auch heute noch in die Metropolen ziehen müßen, damit „etwas“ aus ihnen wird. Ursprünglich aus Nottingham – also: musikalischer Provinz – gelang ihnen erst in London der Weg zur Kultband (mit einigen Kultsingles) und dann zur vielbeachteten Debüt-LP. Und das, obwohl die Tindersticks sich beharrlich unmodern geben. Daran hat sich auch mit ihrer zweiten CD nichts geändert.

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Sugartown: Swimming In The Horsespool

„You broke my heart…“ mit diesen Worten beginnt die Debüt-CD von SUGARTOWN, einem Duo aus Glasgow. Und bereits mit diesem ersten Satz stecken SUGARTOWN den Rahmen für die gesamte CD ab.
„Swimming In The Horsespool“ ist erschienen auf Marina-Records, einer kleinen, feinen Plattenfirma aus Hamburg, die spezialisiert ist auf neue britische Bands mit Hang zu ruhigen Songs und großen Gefühlen (Bathers, Cowboy Mouth, Paul Quinn). Und auch SUGARTOWN präsentieren auf „Swimming In The Horsepool“ bittersüße Lieder über zwischenmenschliche Probleme und Sehnsüchte, darunter auch zwei Coverversionen von Willie Nelson und Velvet Underground.

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Flowerpornoes: ich & ich

Lieber Tom Liwa!
Wieder mal hast Du mit Deinen Kumpels (und Kumpelinen, to be p.c.) eine neue Schallplatte aufgenommen. Die Musik ist ganz nett und schön tiefgehende, nicht zu intellektuelle Texte hast Du auch geschrieben. Viele Deiner Freunde, Freundinnen und vor allem die Ex-Freundinnen hatten Angst Du würdest wieder schlimme und unangenehme Dinge über sie schreiben. Andere Menschen schreiben ja Briefe, wenn sie Schwierigkeiten haben, Dinge direkt zu sagen, aber Du mußt sie ja gleich in aller Öffentlichkeit kompromittieren und auf Platten darüber singen. Sie konnten (fast) alle aufatmen. Hast Dich zu ihrem Glück zurückgehalten. Oder sind sie einfach nicht mehr Deine Freunde ?

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Plastikman: Musik

Vor sich hinpluckernde Rhythmusmaschinen, darber wabernde Synthesizersounds; dazu vielleicht noch ein paar – äußerst dezente – Noiseeffekte und fertig ist die Musik auf „Musik“ der CD von PLASTIKMAN. Was zunächst verdächtig nach Das-könnte-ich- auch- Produktion klingt, erweist sich bei genauerem Anhören jedoch als gelungene Leichtigkeit des Techno-Seins und zeigt auf der anderen Seite deutlich, daß Techno in seinen Spielarten einiges 70er Jahre- Krautrock-Elektronikern verdankt.

Plastikman: Musik
(Nova Mute/Intercord)

Ted Hawkins, der ewige Straßenmusiker

„Ich war schon viele Male tot, aber ich war einfach zu stur, um liegen zu bleiben.“

(Ted Hawkins – zu Lebzeiten)

Seine Musik, eine Mischung aus Blues, Soul und Country, war vor allem geprägt durch seine rauhe, stark an sein großes Vorbild Sam Cooke erinnernde, Stimme und eine Ausdrucksstärke in der sich wohl all die Niederlagen und Nackenschläge seines Lebens widerspiegelten.

Foto Ted Hawkins

Hawkins wurde am 28. Oktober 1936 in Lakeshore, Mississippi geboren. Er wuchs in äußerst ärmlichen Verhältnissen auf. Sein Vater machte sich früh davon, seine Mutter war Alkoholikerin. Mit 12 Jahren kam er in eine Besserungsanstalt. Das Beste was ihm dort widerfuhr war wohl ein Besuch der New Orleans Legende Professor Longhair, ein Besuch, der in Hawkins die Liebe zur Musik weckte. Im Alter von 15 Jahren wurde er in die berüchtigte Parchman Farm State Strafanstalt in Mississippi eingewiesen, weil er eine Lederjacke aus einem Harley-Davidson Laden gestohlen hatte.

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Quinn and the Independent Group: Will I Ever Be Inside Of You

Nachdem Scott Walker uns schon seit Jahren seine neue Solo-LP schuldig bleibt, schickt sich jetzt Paul Quinn an, die vakante Stelle des Bombast-Schnulzen- Sängers-für- gehobene-Ansprüche anzutreten. „Will I Ever Be Inside Of You“ kommt daher mit Stücken bis zu 9 Minuten Länge, so viel Theatralik in der Stimme, wie Scott Walker in seinen herzergreifendsten Zeiten und jeder Menge Herz-Schmerz- Thematik.

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The Grassy Knoll: s/t

Eine Platte wie diese macht es dem Kritiker alles andere als einfach. Alle Stücke auf dem unbetitelten Debüt von The Grassy Knoll sind instrumental (geben also nichts her für hochintellektuelle Textinterpretationsversuche). Der Gruppenname The Grassy Knoll (zu deutsch etwa: Grashügel) ist genauso nichtssagend wie das Cover (ein Grashügel? Ha ha!). [Ja, der Hügel spielt eine Rolle in den Verschwörungstheorien um die Ermordung JFKs – das bringt mich aber inhaltlich auch nicht weiter]. Und zur Gruppe selbst gibt es außer ihrem Herkunfsort San Francisco keinerlei biografischen Angaben oder Fotos.

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Das Ich: Staub

„Ich streichle ein versengtes fell
ein fernes licht die kehle packt
aus dem mund tropft blut zu boden
mehrend mit gedärm vermengt“

Mit solchen Texten beglückt DAS ICH den potentiellen Käufer auf „Staub“, der neuen CD. Es bleibt aber nicht allein bei drittklassiger Pennälerlyrik, nein, auch die musikalische Umsetzung gibt sich düster-dräuend und ist doch nur schlechtes Handwerk, aufgesetzt und erschreckend banal. Wasser auf die Mühlen derer, die Dark Wave für eine Form musikalischer Pest halten

Das Ich: Staub
(Danse Macabre/Efa)

Salad: Singles Bar

Es scheint ein Naturgesetz zu sein, daß Videojockeys entweder (verkrachte) ex-Musiker (Paul King, Richie Rich oder Ingo Schmoll) sind oder verhinderte Möchtegernmusiker, bei denen der Trieb irgendwann doch durchbricht (Steve Blame, Roy Cakes). Daß ausgerechnet Marijne van der Vlugt (die bei MTV am ehesten durch ihre Pippi Langstrumpf-look-a-like Bemühungen auffiel), eine der überzeugendsten Leistungen abliefert, ist eine handfeste Überraschung.

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Cowboy Mouth: Life As A Dog

Marina Records aus Hamburg ist ein Label,das in seiner noch jungen Geschichte schon einige bemerkenswerte Veröffentlichungen vorzuweisen hat: zunächst die manchmal etwas kunstbeflissenen Bathers, dann zuletzt das wunderbar pathetische Comebackalbum von Paul Quinn und nun der Erstling von Cowboy Mouth. Hinter diesem – bei Bob Dylan entlehnten – Gruppennamen stecken Sänger Grahame Skinner, früher Kopf der schottischen Popband Hipsway und Douglas MacIntyre, früher als Gitarrist bei Love & Money zugange.

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Big Chief: Platinum Jive

Hier ist es also: BIG CHIEFs Majordebut! Die Erwartungen waren nach dem Blaxploitation-Soundtrack- Knaller von neulich natürlich ganz schön hoch gesteckt.
Ich will es kurz machen: so abgedreht-witzig wie „Mack Avenue“ ist „Platinum Jive“ nicht geworden. Sie ist mehr die, äh, Quersumme aus den beiden bisher erschienenen Werken. Aus den athmosphärischen Jams sind jetzt aber Songs geworden, in denen die Buben mit- unter ganz schön geniale Einfälle ein- bauen: hier eine Slidegitarre, da ein Soul-Girlie-Chor, da eine jazzige Querflöte – vgl. Beastie Boys, mit denen sie gelegentlich verglichen werden (musikalische Herangehensweise: Rückgriff auf 70er).

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Musiknews 12/94

Wir hätten ja drauf wetten können: Mit dem Werbeposter für die Single „Church Of The Holy Spook“ hat Shane MacGowan doch tatsächlich religiöse Gefühle verletzt. Nachdem es einige Proteste – vor allem rechtsgerichteter religiöser Gruppen – gegen das Musiker- am-Kreuz-Plakat gab, hat sich MacGowan jetzt offiziell entschuldigt: es war doch nur „ein Spaß„.

David Crosby (genau der aus Crosby, Stills and Nash und aus Crosby, Stills, Nash and Young) ist seit Ende November stolzer Besitzer einer neuen Leber. Die alte war den harten Anforderungen eines konsequenten Sex’n’drugs’n’rock’n’roll-Lifestyles einfach nicht mehr gewachsen.

Nach einer Untersuchung des Los Angeles Police Departments finden sich auf 75% aller im Raum Los Angeles in Umlauf befindlichen Geldscheine Spuren von Kokain!

Sonny Bono, ex-Mann der bekannten Microrock- Trägerin Cher, ist bei den letzten Wahlen in den USA ins Repräsentantenhaus nach Washington gewählt worden. Bei den Ausscheidungskämpfen im Bezirk Palm Desert (im sonnigen Kalifornien) schlug Bono seinen demokratischen Gegner mit mehr als deutlichen 20% Stimmenvorsprung. Zu seinen politischen Zielen gehört u.a. die Abschaffung diverser Bundesbehörden (u.a. auch des Bildungsministeriums). Schließlich zeigt sein eigenes Beispiel, daß man es in den USA auch ohne Ahnung zu etwas bringen kann.

Am 19. November starb Cab Calloway, Jazzsänger und Bandleader im Alter von 86 Jahren. Seine ersten Erfolge hatte Calloway schon in den 30ern, er spielte u.a. regelmäßig in Harlems berühmtem Cotton Club. Zu neuem musikalischem Ruhm (und jüngeren Publikum) kam er durch seinen Auftritt in „The Blues Brothers“, wo er auch seinen bekanntesten Song zum Besten gab: „Minnie The Moocher“.

Ebenfalls tot: Fred, genannt „Sonic“, Smith, Gitarrist der Spät-60er/Früh-70er AnarchoRockBand MC5 (die mit „Kick Out The Jams, Motherfuckers“!) und Ehemann von Patti Smith starb Anfang November an Herzversagen.

Attentate I: Kenny Larkin, einer der Pioniere der Detroiter Technoszene wurde in den frühen Morgenstunden des 18. November durch einen Schuß in die Brust schwer verletzt. Vom Täter und seinem Motiv fehlt bislang jede Spur.

Attentate II: Schlechte Woche für Rapper Tupac Shakur. Ende November wurde Shakur Opfer eines Raubüberfalls und dabei von 5 Kugeln getroffen. Er konnte jedoch das Krankenhaus bereits am Abend – wenn auch gegen ärztlichen Rat – wieder verlassen. Tags darauf wurde er von einem Gericht wegen sexuellen Mißbrauchs für schuldig befunden. Das Strafmaß wird erst später verkündet (möglich sind bis zu 7 Jahren Mikrofonentzug).

Big Black Revisited. Steve Albini hat mehr als energisch Berichte zurückgewiesen, seine legendäre Krachband Big Black plane derzeit ihre Wiedervereinigung und sei bereits auf der Suche nach Auftrittsorten für eine Tour durch Europa im Frühjahr ’95.

Gerüchte, Gerüchte. Dave Grohl, Schlagzeuger von Nirvana plant vielleicht ein Soloalbum, auf dem er singt und alle Instrumente spielt. Und das zu allem Überfluß auch noch auf seinem eigenen Label erscheinen soll. Definitives war noch nicht zu erfahren. Dafür wird Grohl aber bestimmt nicht neuer Schlagzeuger bei Tom Petty. Immerhin!

Vorweihnachtszeit. Da kann einem nicht nur der Blick in ein Warenhaus zu Tode erschrecken, nein, auch der Blick auf die Charts läßt einen erschaudern. In den UK-Charts sind unter den ersten 13 alleine 8 Best Of-CDs. Und gleich die ersten 4 Plätze werden belegt von (Best Of) Bon Jovi, Beautiful South, Sting und New Order. Schöne Bescherung. Und Krawatten untern Tannenbaum!

— E N D E —