Avail: One Wrench

Ich geb‘ zu, auf den ersten Blick haben Avail und Frankie Goes To Hollywood nicht viel gemeinsam. Außer, dass sich beide Bands den Luxus erlauben, einen „Tänzer“ in ihren Reihen zu haben. Bei FGTH war das Paul Rutherford, der hauptsächlich darauf achten musste, dass sein Ledermützchen nicht verrutscht. Bei Avail ist das Beau Beau; wahrscheinlich der einzige Go-Go-Tänzer und Background-Sänger einer Punk-Band.

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Missouri: It’s a glow-in-the-dark good time

Neues von iXiXeS, dem Label, das der Welt das erste Fink-Album bescherte! Ein Händchen für musikalische Kleinodien haben sie in Hamburg – auch über den Tellerrand hinaus: „Missouri“ (Red: Voc, Git, Harmonium; Frank Mollena: Git, Org, Rhodes, Christian Ebert: Org, Synth) kommen aus Nürnberg und sind ähnlich wie Fink innovativen Americana-Spielarten verpflichtet. Bei „Missouri“ ist es der Zeitlupen-Sound von Souled American, gospelhafter Klage-Gesang und Ambient-Sounds wie bei Western Electric. Allerdings ohne deren esoterisch-kuscheliges Flair, sondern karg und spröde.

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Stella: Finger on the trigger for the years to come

So richtig passen Stella in keine Schublade. Eher schon umgekehrt: in viele gleichzeitig. Sie schreiben Popsongs, intonieren sie wie Rocksongs, und das mindestens zur Hälfte mit elektronischen Instrumenten. Einfacher ist es da schon, die Stimmungen der Songs herauszufiltern. Da ist zum einen die Stella-typische Coolness und ihre geschmeidige Eleganz, die neuerdings ins „Fette“ driftet, dann diese rumorende Unruhe, teilweise gar Militanz, und manchmal auch ein demonstrativer Ennui. Neu ist auch Bassist Hendrik Weber, und als Gastmusiker sind Dirk von Lotzow (Tocotronic), Phillip Sollmann, Thomas Wenzel und Carsten Meyer (Erobique) dabei.

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Lektion 1: Das Ein- und Ausschalten

Das Einschalten des Computers erfolgt über den Einschaltknopf am Computer. Er dient auch zum Ausschalten des Computers, heißt dann aber nicht mehr Einschaltknopf. Außerdem verkompliziert es die Dinge insofern, als vor dem Einschalten des Computers geklärt werden muß, ob der Computer gerade ein- oder ausgeschaltet ist. Faustregel: Ist der Computer eingeschaltet, kann er nur noch ausgeschaltet werden; ist er ausgeschaltet, kann man ihn einschalten.

Wie ermittelt nun der Profi den jeweiligen Zustand seines Rechners bezüglich ein- resp. ausgeschaltet? Ungeübte Anwender richten sich nach „dem grünen Objekt am Tower“, zumeist ein Viereck oder Kreis. Ist dieses gut sichtbar, sei der Computer eingeschaltet, ist es nicht sichtbar, sei er ausgeschaltet. Leider lehrt die Erfahrung, daß häufig angebliche „grüne Objekte am Tower“ verirrte Kleckse Waldmeister-Konfitüre der Firma Schwartau sind und über den aktuellen Status des Gerätes nur sehr unzuverlässig Auskunft erteilen.

Etwas fortgeschrittenere Anwender orientieren sich am sog. „Monitor“. Ist dieser schwarz oder dunkelgrau, gilt der Rechner als abgeschaltet, ist er andersfarbig und / oder bewegt sich etwas auf ihm, kann man ihn als eingeschaltet betrachten. Leider rührt eine eventuelle Andersfarbigkeit der Monitoroberfläche nicht selten von einem gehäkelten Bildschirmschoner her, wie ihn etwa die schweizer Firma „Gehäkelte Bildschirmschoner AG“ weltweit vertreibt. Sie zeigen im Allgemeinen die Abbildung einer gehäkelten Klopapierrolle oder, sehr tückisch, eine schwarze resp. dunkelgraue Monitoroberfläche, was den Wert dieser Monitoroberfläche als Indikatorin von Ein- oder Ausgeschaltetsein vollends obsolet werden läßt.

Der Profitipp: Man öffne vermittels eines Schraubenziehers das Gehäuse des „Towers“ und lege das sog. Motherboard frei, auf welchem sich das ebenfalls sog. „BIOS“ (Bin Ich On, Schatz?) befindet. Über dieses gieße man sodann eine kleinere Menge lauwarmer Flüssigkeit. Ein Bios der dritten Generation wird auf diese Kontaktierung mit einem lauten und vernehmlichen „Ja!“ antworten (in der englischen Version: „Yes!“). Ältere Modelle reagieren bisweilen mit dumpfen Geräuschen und mittelschwerer Rauchentwicklung.

Der Profi weiß nun: Wenn der Rechner, als das Bios benäßt wurde, an war, so ist er jetzt definitiv aus. War er aus, dann bleibt er es sowieso auf ewig.

Der Hinternet-Expertentipp: Legen Sie ein Word-Dokument an, in dem sie den Status Ihres Rechners festhalten (an/aus). Gelingt es Ihnen ohne Mühe, an dieses Word-Dokument zu gelangen, können Sie davon ausgehen, daß der Rechner eingeschaltet ist. Gelingt es Ihnen nicht, ist der Rechner entweder ausgeschaltet, oder Sie haben das Word – Dokument versehentlich gelöscht. Wie Sie dann vorgehen müssen, erfahren Sie in der nächsten Lektion, wenn es wieder heißt: „Hilfe, mein BIOS spricht!“

Schniff

Zum Tod von Carl Barks

Der Name klingt selbst, wie von Disney ausgedacht. Und blieb immer eine Art Geheimkürzel. Vieles schwingt unausgesprochen mit: Donald Duck, die unverkennbare Handschrift, die lange Anonymität, der späte Ruhm, die teuren Ölbilder und viel, viel Ehrfurcht. Will man erwachsenen Comic-Fans einen Ausdruck infantiler Bewunderung ins Gesicht hexen, reichen zwei Worte: Carl Barks. Ein Mythos, der durchaus auf die Anhängerschaft zurückstrahlt: sie waren es, die intuitiv Unterschiede zwischen den Zeichenstilen der Duck-Comics ausmachten. Mangels Namensnennung blieb Barks lange schlicht „der gute Zeichner“. Dass er dem gleichmacherischen Disney-Etikett entrissen wurde, war das Verdienst der Fans. Umgekehrt gab Barks den Lesern Gelegenheit, sich ihrer selbst zu vergewissern.

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Barenaked Ladies: Pinch me

Mit den Barenaked Ladies lässt sich´s entspannen. „Pinch me“ ist ein hübscher, kleiner Mid-Tempo-Song mit locker gezupften Akustik-Gitarren, plüschigem Casio und lässigem Groove. Unspektakulär, aber tricky. Auch, weil sich der Chorus mit schöner Regelmäßigkeit wie eine riesige, schmeichelnde Blüte entfaltet. Ungwohnte Töne von den als schräge Spaßtruppe verschrienen Kanadiern. Mal sehen, wie lang die Atempause dauert.

Barenaked Ladies: Pinch me SCD
(Reprise Records)

Infectious Grooves: Mas Borrachio

Früher war alles irgendwie besser. Da waren Suicidal Tendencies noch einmalig und Infectious Grooves das funkige Nebenprojekt von Hauptinitiator Mike Muir. Mittlerweile sind die Grenzen zwischen beiden Unternehmen verwischt. Die einen rocken mehr (IG), die anderen funken mehr. Trennlinien zu ziehen fällt schwer. Und ob man diese Entwicklung unbedingt ausnahmslos gutheißen sollte ebenso. Wie gesagt: Früher war alles besser. Da hatte Mike Muir noch eine Vision und ließ die Finger vom sommerlichen Gefunke. Früher halt.

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Szenen einer Ehe (2)

Verheiratet zu sein macht mir nach nunmehr drei Wochen Ehe weiterhin Spaß und bereitet mir tatsächlich große Freude. Einerseits ist die Last sehr groß. Man weiß, man hat seinen Partner fürs Leben (hoffentlich) gefunden. Nun liegt es an einem selbst – an der Kompromissbereitschaft, der Anpassungsfähigkeit, dem Verständnis – die Beziehung nicht zu vernachlässigen. Andererseits gibt einem das amtlich beglaubigte Papier eine vorher nicht gekannte Rückendeckung, sozusagen ein feinmaschiges Netz unter dem Salto Mortale Beziehung, einen Airbag für die Achterbahnfahrt namens Leben.

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The Walkabouts: Train leaves at eight

Wenn The Walkabouts mal etwas Zeit brauchen weil die Stücke für ein neues Album noch nicht beisammen sind und gerade keine Tournee und kein neues Chris & Carla-Projekt ansteht, dann produzieren sie gerne ein „Zwischendurch-Album“. Vor sieben Jahren hieß das „Satisfied Mind“, brachte ihnen viel Kritikerlob ein und versammelte diverse Coverversionen angelsächsischer Musiker. Das neue Überbrückungs-Werk heißt „Train Leaves At Eight“ und ist wieder eine Sammlung von Fremdkompositionen, nur dass sich die Walkabouts diesmal auf Songschreiber vom europäischen Festland beschränken

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Station Rose: Au ciel

Station Rose machen´s einem nicht leicht. Mit „Elektro-Pop“ ist die Musik des Wiener Duos zwar kategorisiert, im Grunde ist aber noch gar nichts gesagt. Vor allem, weil die stilistische Bandbreite der beiden jeden Rahmen sprengt. Von der strengen Reduktion bis hin zum verspieltem, überbordenden Kitsch findet sich auf „Au ciel“ einfach alles. Trip Hop, Drum&Bass, anarchistische Klangkunst, karge, labyrinthische Space-Trips mit verfremdeten Frauenstimmen… Stets mit Groove und Beats, aber auch mit kitzeligen Geräuschen, Sirenen oder sperrigem Noise, selten mit weichem Moog. Und so schnell, wie sich auftauchte, ist die spirrelige Melodie-Linie über den scheppernden Bässen auch schon wieder weg.

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Lane-Marriott: The Legendary Majik Mijits

Hat schon was von Tragik an sich, wenn sich zwei ehemalige Rockstars nach vielen Jahren als Loser wieder treffen. Beide bildeten in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre unter dem Dach der SMALL FACES eines der britischen Songwriter-Duos, neben Lennon/McCartney oder Jagger/Richards, gingen dann mit den FACES bzw. HUMBLE PIE eigene Wege, fanden kurz wieder zusammen (SMALL FACES-Reunion 1976), um dann im Streit auseinander zu gehen.

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Phat World (7)

Was soll ich sagen: Wieder zu spät. Daher ab jetzt keine Versprechungen mehr. ‚Tschuldigung dennoch. Nun aber zu Big L, Busta Rhymes, The Creators, Dilated Peoples, Drama, Eve, Lil‘ Kim, Gunshot, J-Shin, Jurassic 5, The Pharcyde, Trick Daddy, Trina, den beiden Samplern Ryde Or Die Vol. II und 2001: Rhyme Odyssey sowie Absolute Beginner, Das Bo, 5 Sterne Deluxe, MC Rene, Plattenpapzt, Sékou The Ambassador, Spax und Texta.

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Peaches: The Teaches Of Peaches

Sie will, dass wir an ihren Nippeln nuckeln und uns mit einem guten Fick aller Schmerzen entledigen („Fuck The Pain Away“). Und ficken wollen sie wohl alle („Set It Off“). Ja, meine Damen und Herren, sie haben richtig gelesen. Mit Hilfe der Roland MC 505 Groovebox hat Peaches alias Merill Nisker, kanadische Staatsbürgerin wohnhaft in Berlin, ihre eigenen Stücke komponiert, die nun den Weg auf ihr Debüt „The Teaches Of Peaches“ gefunden haben. Entdeckt wurden sie von der Kitty-Yo-Mannschaft in einem Stripclub als sie gerade dabei war, sich auf der Bühne zu entblättern. Das hinterließ bleibenden Eindruck bei Patrick Wagner & Co.

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Spock’s Beard: V

Es ist immer das Selbe: Kaum veröffentlichen Spock’s Beard ein neues Album, betonen alle Journalisten dieser Welt gebetsmühlenartig die Klasse dieser Band. Jetzt ist es mal wieder so weit – kniet nieder vor den Prog-Göttern. Wer sich nicht sicher war, wie das Quintett „Day For Night“ noch toppen wollte, bekommt mit „V“ die Antwort: Komplex, ideenreich melodisch und wirklich progressiv ohne ausgelatschten Tonfolgen hinterherzuhecheln.

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Live: Senor Coconut

Stadtgarten Köln, 19.8.2000

Kraftwerk goes Latin

Senor Coconut y su conjunto gelang es mit dem Album „El baile aleman“ die Geschmäcker unterschiedlicher Gruppierungen zu vereinen. Kraftwerkfans, Popfans, Latin- und Elektrofans sind sich ausnahmsweise einig – so könnte die Zukunft elektronischer Musik aussehen. Uwe Schmidt (aka Atom Heart, Lassique Bendthaus, Senor Coconut) sampelte in monatelanger Kleinstarbeit Bruchstücke seiner Latin-Schallplatten und rekonstruierte daraus seine eigenen Versionen von Kraftwerk-Songs. Kraftwerk, die Band, die den typisch deutschen Ruf des kühl und verbeamtet sein repräsentiert, erscheint in warmem süd-amerikanischem Flair – und hat etwas ungewohnt menschliches. Das einzig menschliche bei der Produktion des Albums war die Stimme des chilenischen Sänger Agenis Brito; der Rest kam ausschließlich aus dem Sampler.

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