Ruby: Grace (Remixe)

Der Frage nachgehend, welcher Musikstil wirklich genuin aus den Neunzigern ist, fällt mir neben Drum`n´Bass sofort als zweites Trip Hop ein (sicherlich gibt es noch mehr, aber ich schreibe hier von Brainstorming). Massive Attack, Portishead, Bristol, 1995, mein Auslandaufenthalt in Newcastle und die Freitagabende mit „The White Room Sessions“. Eine Frau mit blauer Haarpracht steht vor der austauschbaren Band und zieht mich mit ihrer Präsenz vor der Glotze in den Bann. Ihre etwas herrisch gurrende, mal dunkle, mal kieksende Stimme, die blasse Haut, das elegische Vor-und-zurückwippen, der Sound, der damals noch neu war…all dies schießt mir durch den Kopf als diese E.P. in meine Hände fällt.

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Ween: Even if you don’t

Es gab mal einen Supergrass-Hit („Alright“), mit hämmerndem Piano, der klang so ähnlich wie dieser hier. Bei Gitarren würde man „stampfend“ sagen, und das trifft´s irgendwie auch. „Even if you don´t“ ist dennoch eine sehr entspannte Hymne, die sich auch auf einem End-80er-Jahre-Album von George Harrison gut gemacht hätte. Auf „Cloud Nine“ zum Beispiel. Der Sound ist scharf wie eine Rasierklinge, und die gefälliger Melodie hat ´was von Bubblegum-Teenie-Hits der späten 70er. Trotzdem gehen technische Brillianz und 3-Akkord-Appeal in anderen Takes des Ween-Longplays „White Pepper“ charmantere Kombinationen ein.

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Calexico: Service & Repair

Es geht auch ohne schmetternde Trompeten und klirrende Castagnetten: „Service & Repair“ war der Überraschungs-Track auf „Hot Rail“, dem zweiten Calexico-Longplay. Eine schlichte, fast reduzierte Folk-Ballade. Spröde und verhuscht präsentiert, mit Schrammelgitarren und abwesend genuschelten Lyrics, die fast nicht gegen die polternden und scheppernden Percussions im Hintergrund ankommen. Überstrahlt wird all dies von einer bezaubernden, poetischen Melodie und zarter Pedal Steel Guitar. Gold im Herzen, mit einer Schale aus Understatement.

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Tocotronic vs. Console: Freiburg V3.0

Die Spezialität von Tocotronic besteht darin, schluffige, laute und oft irgendwie zerrende Gitarrenmusik zu machen. Für ihre Melodien würden zwei oder drei Notenlinien vollkommen ausreichen. Popmäßig simpel und hymnisch sind sie, vor allem aber apathisch. Denn Tocotronic sind die Meister des Midtempo-Rocks. Der Gesang ist klagend, monoton und meistens am Rande des Ausdruckslosen. Als Slacker wurde das Hamburger Trio mal bezeichnet, in Wahrheit aber unterwandert es den Rock durch gezieltes Understatement und gibt ihm durch seine Teilnahmslosigkeit die Leidenschaft zurück. Die Riff-Folgen haben die Einfachheit eines Status Quo-Songs und die Melancholie eines Leonard Cohen. Pathos und Charme sind ein anderes Thema, die Texte auch – eine normale Rockband sind Tocotronic jedenfalls nicht.

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Travis: Driftwood

Mit dieser zweiteiligen Single-CD wollen uns Travis den Tag versüßen und erreichen dies natürlich auch. Zwar ist eine Doppel-Maxi besonders auf der Insel Gang und Gäbe und irgendwie doch nur dazu da, den Jungs und Mädels das Geld aus der Tasche zu locken, aber diese hier hat es in sich. Schließlich kann man von den vier sympathischen Schotten, die noch keinerlei Starallüren an den Tag legen, nie genug bekommen. Einmal ihnen verfallen, kommt man nicht mehr von ihnen los. Oder?

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Calexico: Ballad of Cable Hogue

Wenn eine Tex-Mex-Scheibe Gänsehaut verursacht, dann weiß man, was die Stunde geschlagen hat: es gibt Neues von Calexico! Der Sommer kann kommen, der rote Teppich ist schon ausgerollt.

„Ballad of Cable Hogue“ (eine Reminiszenz an den Western-Regisseur Sam Peckinpah und nicht zu verwechseln mit John Cales gleichnamiger Reminiszenz an den Western-Regisseur Sam Peckinpah) rollt mit unerbittlicher, grimmiger Wucht an. Mit seiner düsteren Atmo und der Französin Marianne Dissard als Duett-Partnerin erinnert der Song ein wenig an Nick Caves Zusammentreffen mit Kylie Minogue.

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D-Age – Smalltown Boy

Bronski Beat mochte ich eigentlich nie, und die Kastraten-Stimme von Jimmy Somerville habe ich sogar regelrecht gehaßt. Darum habe ich auch erwartet, daß eine Coverversion von „Small Town Boy“, dem Riesen-Hit von Bronski Beat, zumindest um diesen Faktor besser sein muß.

Ist aber nicht so. D-Age aus Berlin ersetzen die Quietschstimme durch einen dramatischen Heuler und machen auch sonst nichts richtig. Dunkel und pathetisch, so muß er sein, der Hauptstadt-Beat. Für alle, die mal wieder richtig deprimiert werden wollen.

Photek – Ni-Ten-Ichi-Ryu

Wie haben Sie das gemacht, Herr Photek? Obwohl dieser Mann ganz offensichtlich an den Brüchen und Pausen interessiert ist und man gerade bei ihm schon lange nicht mehr von „Mustern“ reden kann, sind diese beiden neuen Stücke so zwingend tänzerisch wie die bewegendsten Jump Up-Maxis aus Bristol. Genauso aber kann sie jemand in Anspruch nehmen, der/die sich schon immer ein tiefgründiges Wissen über Rhythmik aneignen und sich eigentlich ein Buch darüber kaufen wollte. Hier erfahren Sie mehr.

More Rockers – 1,2,3 Break / Dis Ya One

Auch wenn der ein oder andere Snaredrum-Sound schon ein wenig verstaubt klingt: die neuen Breakbeats von den More Rockers aus Bristol hüpfen, sind fett produziert und erzählen von einer Leidenschaft beim Produzieren, die niemals zu einem Sich-zu-ernst-nehmen der Produzierenden führt. Deshalb eine willkommene Pause von den apokalyptischen Techstep-Sachen (für die mein Puls auch freudig schlägt). Das hier ist eben mehr so Party im älteren Sinne.

Laika – Breather

Ah, Laika, ah, Atmen. Und zwar Atmen wie bei den Fischen: die ganze Welt wie ein verführerischer Strudel reinziehen, wieder rauslassen, und das alles so schnell, daß es keiner mitkriegt. Dabei blicken Laika wie Fisch teilnahmslos in die Welt, als würde nichts weiter passieren bei diesem ungemein energetischen Treiben. Das machen sie aber extra, um sich selbst mit der Einbildung zu trügen, alles sei ganz entspannt und nicht der Rede wert. So ist Breather also eine hervorragende Selbsterklärung Laikas, und verdammt gute Musik sowieso. (Die Süddeutsche Zeitung würde nicht um die Beschreibung „…die Lunge Laikas…“ umhin kommen.)

Nick Cave – Into My Arms

Nach „Murder Ballads“ nun wieder ein zur romantischen Lyrik zurückgekehrter Nick Cave, aber immer noch mit dem gewohnten Schwulst und Pathos. Das macht ihm kein anderer nach, und deshalb ist jede Cave – Platte eine Erweiterung des eigenen Mikrocosmos. Der Grund für die Verweigerung der Teinahme bei den MTV-Music Awards ist voll und ganz einsehbar- Nick Cave steht nicht im Wettbewerb mit irgendeiner anderen Musik, er steht höchstens im Wettbewerb mit sich selbst und den gesteckten Standards. Der Standard der letzten Veröffentlichung wird gehalten, wenn auch nicht ausgebaut. Cave nur mit Flügel, das ist wie die Vorspeise zum Hauptgericht. Warten wir also ob das volle Album eher einem Entrecote oder einem Spiegelei gleichen wird.

Jawbox – Cornflake Girl

„Cornflake Girl“ ist der meines Wissens einzige Hit, den die anämische Tori Amos in die Charts gehaucht hat. Bei Jawbox, einer amerikanischen Gitarrenband, wird der Song noch breiter und dramatischer, prätentiöse Gitarren wetteifern mit einem voluminösem Bass (ich glaube, ich hatte noch nie so viele Umlaute in einer Rezension!). Das ist eigentlich ganz nett, aber eben doch nur Fast Food.

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Magnapop – This Family

Indie Rocker Top Hit. ‚This family’s going to heaven/ this family’s going to hell‚ singe ich beim zweiten Refrain mit, dessen Catchyness schon die Strophe verspricht. ‚Mich-kann schon lange nichts mehr erschüttern‘-Gesang, Melodiebass, fett hingeräuschte Gitarren und Schellenkranz dazu: auch hier sind die Pixies nicht weit (siehe Kelley Deal 6000). Diesmal dienen sie aber als Qualitätsreferenz.

Magnapop
This Family
Play It Again Sam

The Jesus Lizard – [Promotion Single]

  1. Thumper: Schreiend, treibend, offbeat
  2. Skull of a german: Funkiger Sound, aber rockig gespielter Baß, wieder schreiend (der Sänger), nölende Gitarre. Text, was der Titel verspricht
  3. Blue Shot: Wieder guter Baß-Sound, auch der Rest s.o.
  4. More beautiful than barbie: Bester Song, da etwas schneller

Bei so viel Eintönigkeit, werden bisherige Fans bedient, neue nicht gewonnen. Der Basser ist gut genug für ’ne andere Band

Ministry – Lay Lady Lay

Ganz genau, exakt dieses „Lay Lady Lay“, an das Ihr jetzt auch denkt: Bob Dylan in den Händen von Ministry. Eine seltsam zurückhaltende Version des Klassikers, nicht schlecht, aber auch nicht aufregend.

Würde ich die Single im Radio hören, würde ich bestimmt nicht ausdrehen, vielleicht sogar ein klein wenig lauter stellen. Aber im Radio läuft das Stück nicht. Hätte ich die Scheibe ständig zuhause, würde ich sie allerdings auch nicht auflegen, d.h. irgendwie ist hier alles verquer.

Die restlichen Stücke auf dieser CD-Single sind übrigens ein Non-LP-Track von 94 bzw. eine Live-Aufnahme vom 92er Lollapalooza Festival.