Meisterwerke sollen sicherlich ebensowenig vor dem Abend gelobt werden wie alles andere, das Gefallen weckt und ohne weiteres Begeisterung hervorruft. Daß Robin Proper-Sheppard Mist fabriziert, hätte ich als Fan seiner songschreiberischen Künste sowieso nicht für möglich gehalten. Schon zu The God Machine-Zeiten erwies sich seine Stimme und sein Gitarrenspiel als perfektes Auffangbecken negativer Emotionen, in denen sich der Hörer bis zum Weinkrampf ertränken konnte.
WeiterlesenReadymade: It doesn´t make sense
Wenn ´Low Fi´ gewollt mindere Sound-Qualität meint, dann ist dies ein Low Fi-Produkt: es klingt ein bißchen so, wie wenn man sich durch die riesigen Betonröhren auf den Spielplätzen meiner frühen Jahre anschrie.
WeiterlesenThe Tragically Hip: Phantom Power
In letzter Zeit verleihe ich gerne Auszeichnungen: hierfür gibt´s zumindest ein silbernes Sportabzeichen. Spröder Schrammel-Rock mit klagender Eddie-Ich-trag-das-ganze-Leid-der-Welt-auf-meinen-Schultern-Vedder-Stimme. Ein bißchen versponnen, ein bißchen versunken: eine CD für kontemplative Stunden, wenn die Tanke zu hat, der Fluppenautomat klemmt oder die Nudeln verkocht sind.
WeiterlesenJack: The Jazz Age
Nur ein Gedankenspiel: man stelle sich mal vor, die Smiths zögen in den Buckingham Palace ein – die wären sicher die längste Zeit in labbrigen Jackets und Flanellhemden rumgelaufen! Fortan trügen sie nur noch Zobel, feinsten Damast und Brüsseler Spitze, ihre goldenen Schnabelschuhe hätten diamantbesetzte Bommel, und statt Zwieback im Stehen gäbs goldbestäubte Ham and Eggs, serviert von livrierten Dienern… So ungefähr, nämlich wie eine Independent-Combo mit königlichem Habitus, klingen Jack auf ihrem Zweitling „The Jazz Age“. Cineasten würden sagen: „Großes Kino“ – wie aber nennt man ein opulentes Gitarren-plus-Streicher-Meisterwerk der Popmusik? Egal, dieses Album ist eines von denen, für die man ruhig mal einen Flieger stehenlassen oder die eigene Hochzeit verpassen kann: really gorgious, simply irresistible!!!
WeiterlesenCalexico: The Black Light
Arriba, arriba, arriba! Jetzt ruf ich ungefähr zum dritten Mal in diesem Jahr DIE Platte des Sommers aus (aber das merkt bis auf meinen Chefredakteur bestimmt sowieso keiner…).
Der Name läßt vermuten, daß wir uns im Dunstkreis der Estados Unidos Mexicanos bewegen. Sollte man meinen, aber schwer gefehlt! Calexico ist ein Kaff in Kalifornien, hinter dem Projekt stecken zwei Typen der US-Indie-Combo Giant Sand (John Convertino und Joey Burns), und die CD wurde in Tuscon/Arizona eingespielt!!! Aber wer Tacos und Sombrero schon griffbereit hat, braucht sich nicht zu grämen: hier gibt´s fast eine Stunde Tex-Mex vom Feinsten!!! Ich bin sowieso total süchtig nach dem Zeug und meistens so ausgehungert nach Latino-Sound, daß ich sogar Gloria Estefan mit Kußhand nehm. Die Ankunft von Calexico ist da wie Weihnachten und Geburtstag zusammen. Allein die Auflistung der Instrumente liest sich wie ein Wunschzettel: schmetternde Mariachi-Trompeten, scheppernde Banjos, Rumbahölzchen, Pedal steel guitars, Marimba- und Vibraphon, Glockenspiel, Rasseln, Akkordeon, Geigen und Thunder drums. Also, wenn einem da nicht schon das Wasser im Munde zusammenläuft oder so ähnlich…
WeiterlesenFrl. Katjas Nähkästchen, Folge 2

In meiner letzten Kolumne erwähnte ich Franz Lambert. Viele werden ihn kennen, nur wenige werden dies aber auch zugeben. Mich verbindet eine ganz eigenartige Beziehung zu dem Hammondorgelman, denn ich stamme aus dem gleichen Raum wie Franz Lambert, und ich erinnere mich noch gut an meine Grundschulzeit, als viele Mitschülerinnen und Mitschüler, deren Familien zu arm für ein Klavier waren, Keyboard-Unterricht nahmen. Und das taten sie „beim Franz“. Es dauerte lange, bis ich begriff, dass dies der Vorname ihres Lehrers war, denn ich selbst wär natürlich nie auf den Gedanken gekommen, meine Klavierlehrerin zu duzen! Ich war überhaupt die einzige, die den großen Franz Lambert, seinerzeit am Beginn seiner Karriere, nicht kannte. Meine Klassenkameraden guckten mich dann immer groß an und murmelten etwas von „Platten“ und „im Fernsehen“. Heute weiß ich, daß die Eltern von Franz Lambert ein Restaurant im selben Ort betreiben, in dem meine Mutter arbeitet. Meine Mutter arbeitet übrigens in einer Psychiatrie.
WeiterlesenGérard Herzhaft: Enzyklopädie des Blues
Zugegeben, ein aktuelles Lexikon zum nicht totzukriegenden Phänomen „Blues“ war längst überfällig. Vor allem in deutscher Sprache gab es außer Dieter Molls „Buch des Blues“ kein brauchbares, zudem noch lieferbares Nachschlagewerk. Dieses Manko will nun diese „Enzyklopädie“ (ein anspruchsvoller Begriff!) beheben. Und will man den Presse-Besprechungen der letzten Wochen und Monate folgen, so scheint sie diesen Anspruch auch voll einzulösen. Ich hege allerdings nach der punktuellen Lektüre so meine Zweifel.
In der Tat ist der französische Publizist und Musikologe ein wahrer Kenner der Materie: Er beschäftigt sich seit drei Jahrzehnten mit dem Blues und seinen Exponenten und recherchierte auch „vor Ort“, sprich in den USA.
Autechre: lp5
Individualität um (fast) jeden Preis. Oder auch eigene feine Welt. Die dann aber perfekt. Autechre basteln auch mit ihrem fünften Album weiter an ihrer Definition von sich selbst. Die Art, wie hier mit mittlerweile Autechre-typischen Sounds immer wieder neu verfahren und manipuliert wird klingt auch immer wieder erfrischend. Sounds, die sich auf nichts anderes als auf sich selbst immer wieder neu beziehen (again and again), sich immer wieder in Gespinsten aus polyrhythmischen Beats verfangen und sich doch immer wieder neu zusammen finden.
WeiterlesenBoom Boom Satellites: 7 Ignitions/Auto Re-birth
Boom Boom Satellites und Big Beats. Zwei Dinge, die die Welt nicht braucht, eigentlich. Ist aber doch ganz nett.
Wobei „nett“ aber eigentlich das schlimmste Urteil ist, das Musik in der Bewertung passieren kann. Big Beats sind aber günstigsten Falls nun mal „nett“. Klar, man kann damit erwiesener Maßen Geld verdienen (s. Prodigy, Propellerheads oder jetzt ganz heiß: Fatboy Slim). Aber jetzt mal unter uns: Welchen Sinn soll es denn auf die Dauer machen mehr oder weniger hysterisch durch die Weltgeschichte sampelnd durch die Charts zu ziehen und einen auf stylish Punkrocker zu machen. Mehr als eine Liga mit dem Cordalis Project kann dabei nicht herausspringen. Macht euch lieber aus Samples eigene Sounds. Erschafft eigene Welten! Dann könnt ihr wirklich groß rauskommen, wenn’s denn darauf ankommt. Der Appell gilt natürlich auch für die Boom Boom Satellites, denn auch den beiden Japanern ist es nicht gelungen dem Ganzen mal richtigen Drive zu geben.
Die Aeronauten – Honolulu
Wenn die Aeronauten ins Studio geh´n, schütteln alle Bandmitglieder wahrscheinlich nur mal kurz die Ärmel, und das war´s. Richtiger Low-Fi-Sound muß eben klingen wie ein Schuß aus der Hüfte. Jedenfalls wirken Aeronauten-Werke immer, als wären sie grad im Vorbeigehen eingespielt. Aber das ist mit Sicherheit nicht der Fall, denn aus zahlreichen Interviews mit Eiskunstläufern und Zirkusclowns weiß man ja, daß gerade „die einfachen Sachen“ die schwersten sind!
WeiterlesenWap100 – We are reasonable people

Die hundertste Veröffentlichung des Warp-Labels aus Sheffield. Man darf sich freuen, brachten sie uns in der Vergangenheit doch schon solche Klassiker wie LFO und Aphex Twin. Oder man denke nur an den hervorragenden „Artificial Intelligence“-Sampler aus dem Jahre 92.
WeiterlesenElliott Smith: Either/or
Wie wurden wir Anfang der 80er vom britischen Pop-Duo ABC belehrt? Don´t judge a book by its cover! Diese Weisheit half mir jüngst, die Überraschung zu verarbeiten, die mir ein 28jähriger Sänger-Gitarrist aus Portland/Oregon bereitete: Elliott Smith. Eifrige Kinogänger und Oscar-Verleihung-Gucker kennen ihn im Zusammenhang mit dem Film „Good Will Hunting“, und sie hätte es sicher nicht ganz so kalt erwischt wie mich.
WeiterlesenFredric Dannen: Hit Men
Fast eine Dekade mußte vergehen, bis Fredric Dannens „Hit Men“ (Originalausgabe 1990) in Deutschland erschien. Warum eigentlich? Nicht nur, dass die Beschreibungen der weltgrößten Tonträgerbranche auch in der drittgrößten interessieren dürften – selbst die Hauptdarsteller, also die marktführenden US-Labels, sind naturgemäß Global Players, und zwar schon lange, bevor der Begriff in Mode kam. Namen wie CBS, Warner, Atlantic und Geffen sind hüben wie drüben vertraut. Ebenso Interpreten wie Pink Floyd, Michael Jackson, Whitney Houston… Allerdings, das sei vorausgeschickt: sie tauchen nur gelegentlich auf, spielen höchstens an der Peripherie eine Rolle. Nicht musikalische Innovationen und kreatives Potential, sondern Zufälle, technische Neuerungen und Börseneinbrüche bestimmen, wo´s langgeht in der „Musik“. Der Leser, unter Schock stehend, betrachtet seinen Plattenschrank erstmal mißtrauisch, verwirrt, verunsichert. All die Alben – nicht kultureller Ausdruck ihrer Zeit, sondern willkürlich auf den Markt geworfene Spielzeuge von Männern, die keine Tonhöhen unterscheiden können?
WeiterlesenJohnny Cash & Willie Nelson: VH1 Storytellers
Immer noch sckockiert und mit schwarzer Binde um den Arm ob der traurigen Nachricht, daß der „Man in black“ wegen Parkinson wohl nie mehr eine Gitarre ruhig halten kann, flattert mir dann doch die zeitweilige Erlösung von diesem Gedanken in Form dieser wunderbaren CD auf den Tisch. Aufgenommen für die MTV-Unplugged-Ersatzsendung beim Konkurrenzsender VH1 mit dem schönen Namen „Storytellers“, erweist der Name dem Event alle Ehre. Denn hier werden im lockeren Ambiente schöne Geschichten erzählt. Sowohl in den Songs, als auch zwischen den Songs.
WeiterlesenSpecies II
Wie schon das Kreativ-Team von „Alien“ stand auch Regisseur Peter Medak mit seiner Crew vor der schwierigen Aufgabe, die Hauptfigur einer Erfolgsproduktion glaubhaft wiederaufstehen zu lassen. War die hauptsächlich männermordende Außerirdische Sil im ersten Teil von „Species“ kläglich zu Grunde gegangen, hatte man ihr doch noch einen Strang DNA abnehmen können. Und der ist im Sequel „Species II“ gemeinsam mit menschlichen Genen die biologische Grundlage für „Eve“ (Natasha Henstridge), die von Dr. Baker (Marg Helgenberger) in ihrem wissenschaftlichen Luxuslabor unter Aufsicht gehalten wird.
WeiterlesenMusic For Gracious Living

Lange nicht mehr ein solch amüsantes Stündchen gehabt wie mit dem musikalischen Schaufenster der „Q. D. K. Media“, welch obskure Gemeinschaft sich auch immer dahinter verbergen mag!
Im Kielwasser der Titanic sind Soundtracks zur Zeit ein heißdiskutiertes Thema, und auch dieser Sampler leistet einen nicht zu unterschätzenden Beitrag dazu. Ein Großteil der Songs ist filmischen Meisterwerken von Russ Meyer entnommen (also Streifen mit leicht bekleideten Damen, die das Wenige dafür um so gewissenhafter ausfüllen), aber auch Klassikern mit Betty Page (Pin-Up-Queen der 50er), dem Muppet-Splatter-Movie (!) „Meet the Feebles“ und Produktionen mit solch einladenden Titeln wie „Braindead“ oder „Henry, portrait of a serial killer“…
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